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Seewölfe - Piraten der Weltmeere 154. Roy Palmer
Читать онлайн.Название Seewölfe - Piraten der Weltmeere 154
Год выпуска 0
isbn 9783954394784
Автор произведения Roy Palmer
Жанр Языкознание
Серия Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Издательство Bookwire
„Schon gut, Ed“, sagte der Seewolf. „Wird schon schiefgehen. Ich sehe auch nicht ein, warum wir uns selbst Angst einjagen sollen.“
„Ich auch nicht“, meinte Shane. „Donegal, pack dich wieder in deine Koje und vergiß dein Holzbein nicht. Bis zum Morgengrauen sind noch acht Glasen, wir sollten eine Runde schlafen.“
„Ja, du“, giftete der Alte. „Rede du nur. Du zählst mich ja sowieso zum alten Eisen. Aber du wirst sehen, wie recht ich habe, und dann schütte ich mich aus vor Lachen.“
„Kutscher“, sagte Matt Davies. „Ich schätze, es liegt wirklich am Essen. Hölle, setze uns keine sauren Nieren mehr vor, so wie heute abend. Die liegen zu schwer im Magen.“
Der Kutscher fühlte sich in seiner Ehre als Koch der „Isabella“ berührt.
„Sir, ich stelle hiermit den Antrag, Old O’Flynn untersuchen zu dürfen“, sagte er. „Ich werde den Beweis liefern, daß sein Zustand nichts mit meiner Küche zu tun hat.“
„Wenn Donegal damit einverstanden ist, kannst du von mir aus deines Amtes walten“, entgegnete Hasard. Ein Lächeln konnte er sich dabei nicht verkneifen, denn er wußte schon, was jetzt folgte.
Old O’Flynn sah den Kutscher näher treten. Abwehrend hob er die Hände. „Zustand? Was für ein Zustand? Mir geht es großartig, mir fehlt nichts. Kutscher, du alter Knochenflicker, tu keinen Schritt weiter, oder ich schnall mein Holzbein ab. Ich schwöre dir, daß ich dich damit vertrimme, wenn du mich auch nur antickst, du elender Quacksalber.“
„Hör mal, Donegal“, sagte Bob Grey, während der Kutscher vorsichtshalber verharrte. „Der Kutscher will dich ja nicht zur Ader lassen oder so. Er will dir auch keine Schröpfköpfe oder Blutegel auf die Haut setzen. Er will dir nur in die Augen sehen, vielleicht auch in den Hals und in die Ohren.“
„In die Ohren?“ fragte Matt Davies. „Wieso, hat er auch Bohnen darin?“
„Maul halten, Matt“, schnauzte der Profos den Mann mit der Eisenhakenprothese an. „Noch so eine Bemerkung, und du verschwindest für vierundzwanzig Stunden im Kabelgatt.“
„Untersuchen!“ wetterte der Alte. „Zustand! Seid ihr verrückt? Ich habe noch nie einen Knochenflicker an mich herangelassen, auch nicht, als ich das Bein verloren hab. Unsereins kuriert so was selber aus. Und außerdem – mir fehlt nichts.“
„Weißt du das?“ fragte Shane. „Es gibt Sachen, die keiner von uns so richtig kapiert. Leiden, die den Geist und die Seele betreffen. Du hast ja keine Ahnung, was mit dir los ist.“
„Was? Willst du behaupten, ich sei – besessen?“
„Mindestens“, sagte Shane respektlos. Er kriegte sich mit dem Alten öfter mal in die Wolle, und meistens lag das an Old O’Flynns Schauermärchen und Wahrsagungen.
„Nimm das zurück, oder ich fahre aus der Haut!“ schrie Old Donegal. Er traf jetzt ernste Anstalten, sich das Holzbein abzuschnallen.
Big Old Shane ließ sich nicht beeindrucken, er war die Ruhe in Person. „Kutscher, wie nennt man das, wenn einer alt und klapprig und nicht mehr ganz richtig im Kopf ist?“
„Nun – er wird senil. Das hat mit der Verdickung im Blut zu tun“, erklärte der Kutscher. Er war sehr stolz darauf, seinem damaligen Brotgeber Doc Freemont immer aufmerksam zugehört zu haben.
Shane grinste. „Bei Donegal muß schon statt des Blutes Lehm durch die Adern rieseln, anders kann ich es mir nicht vorstellen. Es wird immer schlimmer mit ihm.“
Draußen auf dem Gang liefen immer mehr Männer zusammen – Ben Brighton, Ferris Tucker, Smoky, Dan O’Flynn junior und einige andere. Sie blieben vor der offenen Kammertür stehen und schauten sich untereinander, teils besorgt, teils belustigt an. Gab es wirklich eine Keilerei?
Sicherlich wäre Old O’Flynn jetzt mit dem Holzbein auf den Riesen Shane losgegangen, wenn der Seewolf nicht ein Machtwort gesprochen hätte.
„Schluß jetzt“, erklärte er. „Seid ihr nicht bei Trost? Ich dulde keinen Streit. Und das, was du eben gesagt hast, geht über den Rahmen eines Scherzes hinaus, Shane.“
Betreten blickten die Männer zu Boden. Big Old Shane fuhr sich mit der rechten Hand durch das graue Bartgestrüpp und schien angestrengt nachzudenken. Schließlich hob er den Kopf und blickte zu Old O’Flynn.
„Ja“, meinte er. „Also, um ehrlich zu sein, tut es mir leid. Donegal, ich werde nie mehr behaupten, daß du nicht mehr ganz dicht bist.“
Der Alte grinste plötzlich. „Fein, dann sage ich dir natürlich auch nicht, was für ein Hornochse du bist.“
Carberry atmete auf. „Damit wäre der Frieden wohl wiederhergestellt, was? Donegal, du hast uns aber wirklich einen schönen Schreck eingejagt. Als ich das Poltern hörte, dachte ich schon, wir hätten einen blinden Passagier an Bord. Bei dem, was uns in der letzten Zeit so passiert ist …“
„Sollen wir die Frachträume durchsuchen, Sir?“ fragte Matt Davies den Seewolf. „Vorsichtshalber, meine ich.“
„Nicht nötig“, antwortete Ferris Tucker an Hasards Stelle. „Das habe ich eben schon getan. Man kann schließlich nie wissen, was kommt. Wir haben schon Pferde meckern und Ziegen wiehern hören, stimmt’s?“
„Richtig, richtig“, entgegnete Ben Brighton. „Nur in einem Punkt bin ich sicher und muß dir leider widersprechen, Donegal. Die See ist ruhig, und der Wind bläst stetig aus Südwesten. Wenn es nicht aufbrist, kriegen wir heute nacht garantiert keinen Sturm.“
„Wenn es nicht aufbrist …“
„Das ist sehr unwahrscheinlich.“
„Dann stürmt es eben nächste Nacht“, sagte der Alte halsstarrig. „Oder am Tag. Ihr werdet noch die Mäuler und die Augen aufsperren.“
„Schluß der Vorstellung“, sagte Hasard. „Wir haben genug debattiert. Ed, Matt und Bob, ihr kehrt auf eure Posten zurück. Der Rest legt sich aufs Ohr. Ich will am Morgen keinen unausgeschlafenen Haufen an Oberdeck sehen.“
„Aye, aye, Sir“, erwiderten die Männer.
Sie verließen die Kammer. Bevor Hasard die Tür schloß, sah er noch, wie sich Old O’Flynn auf seiner Koje ausstreckte. Er murmelte irgendwelche Worte, wahrscheinlich Flüche. Er fluchte für sein Leben gern und kannte fast noch mehr Kraftausdrücke als Carberry.
Hasard gab Ben Brighton ein Zeichen. Sie traten auf die Kuhl und unternahmen eine Kontrollrunde. Unverändert frisch fiel der Wind aus Südwest ein. Die „Isabella“ lief raumen Kurs und gute Fahrt. Der Seewolf verharrte am Schanzkleid, schaute zunächst außenbords und drehte sich dann zu seinem Bootsmann und ersten Offizier um.
„Langsam fange ich an, mich um Old Donegal zu sorgen“, sagte er.
„Wegen seiner Träume?“ erwiderte Ben Brighton. „Ich glaube ebensowenig wie du daran, daß sie sich bewahrheiten.“
„Natürlich. Und der Umstand, daß sich seine Ahnungen hin und wieder bestätigen, ist selbstverständlich darauf zurückzuführen, daß wir uns immer wieder in Gefahr begeben – zwangsläufig. Etwas anderes wäre es, wenn wir hinter dem Deich liegen und einer geruhsamen Tätigkeit nachgehen würden.“ Der Seewolf stützte beide Hände aufs Schanzkleid. „Ich glaube, Donegal sorgt sich um die Zwillinge, wenn er es auch nicht zugeben will.“
„Immerhin ist er ihr leiblicher Großvater.“
„Er hat Angst, daß man sie uns wegnehmen könnte oder ihnen etwas zustößt.“
Ben hob die Augenbrauen. „Hat er denn nicht selbst dafür gesprochen, daß sie an Bord bleiben und zu handfesten Seeleuten erzogen werden?“
„Ja,