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ihren Sitz auf einem angesehenen, alteingesessenen Weingut hatte.

      Ebenso wie die anderen Gefangenen war Castillo von den Spuren des Kampfes gezeichnet. Unter seinem rechten Auge leuchtete eine rote Schürfwunde, seine Kleidung war verschmutzt und eingerissen.

      Als die „Confianza“ versenkt worden war, hatte Castillo nicht glauben wollen, daß er den Fangschuß seinen Landsleuten auf dem Flaggschiff „Vencedor“ verdankte. Erst Al Conroy, der Stückmeister der „Isabella“ hatte ihm exakt auseinandergesetzt, was sich wirklich ereignet hatte: daß die „Confianza“ im Gefechtsgetümmel zwischen dem Verband des Seewolfs und den Spaniern nach einem gezielten Schuß von der „Vencedor“ auf Tiefe gegangen war.

      Hasard hatte Castillo versprochen, ihm dabei zu helfen, auf Flores die Wahrheit herauszufinden. Daß es sich um eine grausame Wahrheit handelte, der sie auf der Spur waren, bewiesen die Geschehnisse der vergangenen Nacht.

      Dan O’Flynn stand neben Castillo, und auch die Miene des schlanken, hochgewachsenen Mannes zeigte nicht die geringste Spur von Respekt vor den spanischen Bewachern.

      Die beiden weiteren Gefangenen waren Alfredo Vergara und Juan Luis Benitez. Vergara, Erster Offizier der „Confianza“, stammte aus Madrid. Groß, schlank und dunkelhaarig, war er der Typ, der in jedem Hafen weibliche Blicke auf sich lenkte. Nichtsdestoweniger gehörte er zur gleichen ehrlichen Sorte wie sein Kapitän. Benitez stammte ebenfalls aus Barcelona. Von der Statur und der Haarfarbe her ähnelte er Castillo. An Bord der versenkten Galeone war Benitez Zweiter Offizier gewesen.

      Ben Brighton schwenkte den Kieker weiter.

      Jener Mann, den Batuti als Inselkommandanten bezeichnet hatte, stolzierte wie ein Pfau vor den angetretenen Soldaten hin und her. Die Optik zeichnete ein scharfes Bild von ihm. Der Mann hatte ein verlebtes Gesicht, unter den stumpfen Augen lagen dunkle Ränder. Graue Strähnen durchzogen den Spitzbart und das schwarze Haar, soweit es unter seinem breitkrempigen Federhut zu sehen war. Seine gold- und silberbetreßte Uniform und die kostbaren Schnallenschuhe drängten den Vergleich mit einem eitlen Pfau geradezu auf.

      Er beendete seine Musterung der Soldaten, wandte sich dem Teniente zu, und an seinen herrischen Gesten war zu erkennen, daß er Befehle erteilte. Der Teniente salutierte und stelzte ans Wasser. Dort blieb er breitbeinig stehen und hob den rechten Arm zu einer unmißverständlichen Geste.

      Die Männer an Bord der „Isabella“ konnten es auch mit bloßem Auge sehen.

      „Der Mistkerl meint uns“, sagte Batuti grimmig.

      „Was hast du sonst erwartet?“ entgegnete Ben Brighton und setzte das Spektiv ab. „Dieser ehrenwerte Kommandant hat die Gefangenen nicht aus Spaß aufmarschieren lassen. Jetzt wird man uns Bedingungen stellen.“

      Der schwarze Herkules antwortete nicht. Er mußte sich noch immer mächtig anstrengen, um seine Wut nicht hinauszubrüllen.

      Ben Brighton trat an die Querbalustrade.

      „Mister Carberry!“

      „Sir?“ Der Profos wandte sich um, warf den Kopf in den Nacken und stemmte die Fäuste in die Hüften.

      „Laß die kleine Jolle abfieren und mit sechs Mann besetzen. Unbewaffnet!“

      Ed schluckte trocken.

      „Hab mich wohl verhört, was, wie? Ich denke, wir versohlen den Dons den Hintern, oder? Willst du allen Ernstes …“

      „Es geht um das Leben der Gefangenen“, entgegnete Ben, „alles andere zählt nicht. Wir werden uns anhören, was man uns zu sagen hat. Ich bitte um Ausführung meines Befehls.“

      „Aye, aye, Sir“, erwiderte der Profos knapp. Gegen die Borddisziplin gab es keine Argumente.

      Capitán Manuel Orosco Torres rieb sich die Hände. Dabei wandte er allerdings dem vor Anker liegenden Schiff den Rücken zu, denn die Britenbastarde brauchten nicht unbedingt zu sehen, wie sehr er sich freute. Er winkte den Teniente zu sich, und gemeinsam entfernten sich die beiden Männer einige Schritte von den Soldaten.

      „Menacho“, sagte Torres mit wohlwollendem Lächeln, „ich habe leider bislang keine Zeit gefunden, Ihnen meine Anerkennung auszusprechen. In der Hast der Geschehnisse unterbleibt so etwas oft. Ich hole es hiermit nach. Sie und Ihre Männer haben hervorragende Arbeit geleistet.“

      Teniente Menacho deutete eine steife Verbeugung an, konnte sich aber nicht verkneifen, irritiert die linke Augenbraue hochzuziehen.

      „Ich habe nur meine Pflicht getan, Capitán“, entgegnete er schnarrend, „und als einen vollen Erfolg können wir die Angelegenheit ohnehin noch nicht betrachten. Vergessen Sie nicht, daß die Hundesöhne bislang keinen Ton von sich gegeben haben.“

      Torres winkte ab und lachte meckernd.

      „Halten Sie das für ein Problem? Warten Sie nur ab. Sie sollten meine Methoden kennen, jemanden zum Reden zu bringen.“

      „Ich zweifle nicht an Ihren Methoden, Capitán. Nur habe ich das Gefühl, daß wir es hier mit einer unglaublichen Verschwörung zu tun haben. Ich fürchte, die Kerle werden sich eher die Zunge abschneiden lassen, als daß sie auch nur ein einziges Wort sagen.“

      „Ihr Gefühl in allen Ehren, Menacho.“ Torres lachte abermals. „Aber Sie nehmen die Dinge wirklich etwas zu ernst. Das ist ein Haufen englischer Piraten, der sich mit ein paar spanischen Strolchen verbündet hat. Sie schickten einen Stoßtrupp an Land, um die Möglichkeit für eine Plünderung auszukundschaften. Dabei wurden sie erwischt. Und jetzt ziehen wir ihnen die Hammelbeine lang. Das ist alles.“

      Menacho bewegte zweifelnd den Kopf hin und her.

      „Erlauben Sie, daß ich widerspreche, Capitán.“

      „Oh, tun Sie sich keinen Zwang an“, sagte Torres gönnerhaft, „es ist Ihre Aufgabe als Offizier, mitzudenken. Also lassen Sie Ihre Gegenargumente hören.“

      „Es handelt sich um die drei Landsleute, die wir festgenommen haben. Ich meine, sie sehen nicht aus wie verbrecherische Subjekte. Und kommt Ihnen der eine nicht bekannt vor?“

      Torres runzelte die Stirn.

      „Welchen meinen Sie?“

      „Den Blonden. Und dann ist da noch dieser große dunkelhaarige Engländer. Wie ein einfacher Pirat scheint er mir ebenfalls nicht auszusehen.“

      Torres schüttelte verwirrt den Kopf.

      „Menacho, Sie bringen mich zum Nachdenken. Nun, wenn Sie mit Ihren Vermutungen recht haben sollten, dann ist Ihr Verdienst natürlich um so größer.“

      „Es war nicht meine Absicht, das hervorzukehren, Capitán.“

      Torres nickte gedankenverloren. Dann gab er sich einen Ruck und stolzierte auf die Front der angetretenen Gefangenen zu. Zwischen ihnen und dem seichten Uferwasser war nur knapp ein Yard Platz.

      „Tretet einen Schritt zurück, ihr Hunde!“ befahl der Kommandant schneidend.

      Der Seewolf und die vier anderen Männer gehorchten.

      Auf einen Wink des Teniente begab sich auch die waffenstarrende Reihe der Bewacher in neue Position. Jeweils zwei Musketen waren auf den Rücken eines Gefangenen gerichtet.

      Capitán Torres legte die Hände auf den Rücken und schritt mit der gelangweilten Grandezza eines Sonntagsspaziergängers vor den Gefesselten auf und ab.

      Unvermittelt blieb er vor dem Seewolf stehen und musterte ihn nachdenklich.

      „Du bist nicht irgendwer“, sagte Torres. „Du wirst mir nicht den Gefallen tun, mir deinen Namen zu verraten, wie?“

      Hasard verzog die Mundwinkel zu einem verächtlichen Lächeln.

      „Das habe ich erwartet“, sagte Torres und nickte, „aber du brauchst dich nicht zu bemühen, Engländer. Ich finde es auch ohne deine Mithilfe heraus. Ich habe das Gefühl, daß mir dein Name auf der Zunge liegt. Es fehlt nur noch der zündende Funke, gewissermaßen.“ Der Capitán

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