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das unverkennbare Zeichen: Er gab sich nicht geschlagen. Er hatte vor, Mardengo noch einmal das Fürchten zu lehren.

      Carberry öffnete vorsichtig die Augen. Es war kein Vorteil, das Bewußtsein wiederzuerlangen, er verspürte stechende Schmerzen im Hinterkopf und in der linken Schulter. Sofort konnte er sich an alles erinnern: Die Alte, diese wilde Furie, hatte im Wasser wie verrückt mit einem Messer auf ihn eingestochen. Er hatte trotzdem bis zum Ufer des Flusses schwimmen können, aber hier hatte man ihn von hinten niedergeschlagen.

      Er wollte sich aufrichten, aber die Läufe von drei Musketen schoben sich in sein Blickfeld. Er schaute auf und sah sich von dreckig und gemein grinsenden Kerlen umringt. Es waren vier, der eine hatte einen Säbel, den er drohend hin und her bewegte.

      „Ihr Pestwanzen“, sagte der Profos. Seine Augen verengten sich zu Schlitzen, seine Hände ballten sich zu Fäusten. „Ihr Schlickfresser, ihr triefäugigen Prielwürmer. Ihr bildet euch auch noch was darauf ein, einen Seemann von hinten umzuhauen, was, wie?“

      Sie antworteten nicht. Er musterte sie und fragte sich, aus welcher Ecke der Welt sie wohl stammen mochten. Mardengos Bande, soviel wußten die Seewölfe bereits, war ein kunterbunt zusammengewürfelter Haufen von Kerlen aus aller Herren Länder. Engländer schienen aber nicht dabeizusein. Deshalb versuchte er jetzt, sie auf spanisch anzusprechen.

      „Ihr Ratten“, sagte er. „Nehmt eure Schießeisen zur Seite, dann zeige ich euch, wie ein Profos kämpft. Na, wird’s bald?“

      Einer der Piraten stieß einen Fluch aus, drehte seine Muskete um und rammte den Kolben gegen Carberrys verletzte Schulter. Carberry schloß die Augen für einen Moment, dann öffnete er sie wieder. Er zog keine Grimasse und gab auch keinen Wehlaut von sich, obwohl die Schmerzen höllisch waren.

      „Wir unterhalten uns später genauer, du Sohn einer abgetakelten Hafenhure“, sagte er. Und er merkte sich das Gesicht des Kerls. Er konnte es sich leicht einprägen: schwarzer Vollbart, Klappe über dem linken Auge. Wir rechnen ab, verlaß dich drauf, dachte Carberry.

      Die vier Kerle stießen die übelsten Verwünschungen aus, ein Zeichen dafür, daß sie Carberrys grauenvolles Spanisch verstanden hatten. Der Mann mit dem Säbel holte zu einem Tritt aus, aber in diesem Augenblick raschelte es im Dickicht.

      Zwei der Kerle fuhren herum, aber der dritte und der vierte hielten ihre Waffen unverändert auf den Profos gerichtet. Er hatte keine Chance, er war ihr Gefangener – eine kostbare Geisel vielleicht, die aufzugeben sie um keinen Preis bereit waren. Okachobee, die von allen nur Oka Mama genannt wurde, hatte einen klaren Befehl erteilt: Die Gefangenen durften nicht getötet werden.

      Oka Mama, der Korse und die beiden jungen Schwarzen traten aus dem Gestrüpp. Carberrys Bewacher atmeten auf.

      Oka Mama versetzte einem der Schwarzen einen Stoß und zischte: „Versuch das nicht wieder, du Hund, oder ich schneide dir deinen Haarschopf ab.“

      Unwillkürlich griff sich der Sklave an den Kopf. Er rollte mit den Augen und stammelte: „Nein, Mama, du irrst dich. Wir wollten nicht fliehen.“

      „Nein, wir wollten nicht abhauen“, beteuerte auch der andere.

      „Ihr könnt mir viel erzählen“, sagte die Alte verächtlich. „Euch glaube ich kein Wort. Wie gut, daß wir euch rechtzeitig genug entdeckt haben, als ihr von der ‚San Carmelo‘ ins Wasser gesprungen seid.“

      „Wir hatten Angst“, sagte der erste Sklave.

      „Ja“, sagte der Korse und grinste. „Aber ihr hättet euch gern eins der Boote geschnappt, die vom Fluß zum Riff getrieben sind. Ihr wart ja schon fast an Bord. Dann habt ihr Oka Mama und mich gesehen und habt es euch anders überlegt.“

      „Das is’ nich’ wahr“, stammelte der zweite Sklave und schüttelte den Kopf.

      „Mir ist scheißegal, ob es wahr ist oder nicht!“ stieß Carberry wütend hervor. Sein Blick war auf Oka Mama gerichtet. „Da bist du ja, du ausgetrocknete Sumpfhenne! Hast du dich ausgetobt? Was, zum Teufel, hast du auf dieser Insel zu suchen?“

      Sein Spanisch war wirklich furchtbar, der Korse verzog das Gesicht.

      Oka Mama beugte sich über den Profos und lächelte ihn scheinbar freundlich an. „Ich bin Okachobee, Mardengos Mutter. Genügt dir das? Wer bist du? Der Kapitän des Engländerschiffes?“

      „Nein. Ich bin der Profos. Wo, zur Hölle, sind meine Kameraden Roger Brighton und Sam Roskill?“

      Oka Mamas Stimme war zuckersüß, sie spitzte beim Sprechen die Lippen. „Wie waren die Namen? Ich habe sie nicht richtig verstanden.“

      „Roger Brighton und Sam Roskill. Roger ist Bens Bruder, und Sam … Aber, ach, das kapierst du ja doch nicht, du alte Nebelkrähe.“

      Carberry schien sie mit seinem Blick durchbohren zu wollen. „Stell dich nicht dümmer, als du bist. Du weißt, wo sie sind. Sie sind kurz nach mir über Bord gegangen, ich hab’s noch gesehen.“

      „Das müssen die beiden anderen Gefangenen sein“, sagte der Korse.

      „Aha, sie leben also noch?“ sagte Carberry.

      Oka Mama warf dem Korsen einen giftigen Blick zu, und der verstummte. Oka Mama wollte den großen Mann mit den vielen Narben im Gesicht und dem auffallenden Rammkinn ein wenig zappeln lassen, er sollte im Ungewissen bleiben, was das Schicksal seiner beiden Kameraden betraf. Sie haßte ihn, denn er hatte ihr an Bord der „Isabella“ schwer zugesetzt und dazu beigetragen, daß das Enterunternehmen gescheitert war. Jede Art, ihn zu quälen, war ihr recht.

      Mardengo wußte inzwischen Bescheid. Oka Mama hatte sich durch den Dschungel bis zum Nordufer der Insel gearbeitet – unter sorgsamer Meidung der Fallen, die überall versteckt waren. Mit einer Glasscherbe hatte sie ihm signalisiert, daß sie drei Gefangene hätte. Mardengo wollte sich diese Männer aus der Nähe ansehen. Er enterte eben von der „San Carmelo“ ab, begab sich an Bord des Beibootes, legte ab und pullte zur Insel, wobei er darauf achtete, nicht in die Reichweite der gegnerischen Kanonen zu geraten.

      Die Männer der „Isabella“ beobachteten ihn, doch das war ihm egal. Er beglückwünschte sich im stillen zu dem Verlauf der Dinge und rechnete sich schon jetzt aus, welche üble Überraschung er dem „verdammten englischen Bastard“ gleich bereiten würde.

      Mardengo winkte Gato zu, der von Bord des Einmasters zu ihm herübergestikulierte. Auch Gato hatte die Blinkzeichen verstanden, die Oka Mama vom Ufer aus mit der Bleiglasscherbe gegeben hatte. Trotz der Niederlage an Bord des feindlichen Schiffes schien jetzt klar zu sein, wer der Sieger war, dies leuchtete auch Gato ein.

      Der Engländer, so dachte Mardengo, wagt nicht, seine Männer zu opfern. Er wird alles tun, um sie zu retten. Er hält es mit der Ehrenhaftigkeit und Fairneß. Gut so. Das bricht ihm das Genick.

      Er steuerte auf die östliche Seite des Nordufers zu, pullte durch die flache Brandung und landete. Der Bug des Bootes schob sich in den Sand. Mardengo stieg aus, zog das Boot ein Stück hinter sich her und tauchte dann im dunklen Grün des Dschungels unter.

      Oka Mama, der Korse, die vier anderen Piraten und die beiden Negersklaven standen schweigend bei Carberry und warteten auf Mardengo. Oka Mama wußte, daß er erscheinen würde, er brannte darauf, die Gefangenen zu sehen. Diese Genugtuung ließ sie ihm, er sollte entscheiden, wie es weiterging.

      Sie war wütend auf Mardengo gewesen, weil er in Fort St. Augustine versagt hatte und als Verlierer heimgekehrt war. Doch inzwischen hatte sie ihm verziehen. Was für ein zäher Gegner der Engländer war, hatte auch sie erfahren – und sie konnte ihrem Sohn nachempfinden, wie es ihm ergangen war.

      Carberry lag auf dem feuchten Inselboden und grübelte darüber nach, wo Roger und Sam sein könnten. War es ihnen gelungen, wieder die „Isabella“ zu entern? Unmöglich. Die Piraten hatten es verhindert, zu viele von ihnen hatten sich im Wasser befunden. Wo steckten Roger und Sam?

      Roger und Sam waren auf Befehl Oka Mamas längst zum Zentrum der Insel abtransportiert worden. Vier Piraten hatten diese Aufgabe ausgeführt, und sie hatten

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