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ebenfalls entdeckt, blieb überrascht stehen und starrte ihn an. Dann ging er weiter und setzte sich auf eins der Kissen am linken Ende des Podiums.

      Wer war der Mann? Alle europäischen Mächte waren miteinander und mit der Neuen Welt beschäftigt und hatten weder Zeit noch Interesse, sich mit den Türken zu befassen. Und Geschäfte waren mit denen auch nicht zu tätigen. Was also hatte er hier zu suchen? Vor allem in Athen, einem zweitklassigen Außenposten Konstantinopels?

      Er blickte zu dem blonden Mann hinüber. Er mochte knapp vierzig Jahre alt sein, trug einen dünnen Schnurrbart und elegante, fast dandyhaft wirkende Kleidung. Und er schien gewisse Privilegien zu genießen, erkannte Hasard an der verbindlichen, fast devoten Art, mit der die Umsitzenden ihn behandelten.

      Auf jeden Fall sollte ich versuchen, mit diesem Mann zu sprechen, überlegte Hasard. Ein Mann in seiner Position mußte überall seine Informanten haben, um hier bestehen zu können. Er würde also auch wissen, wenn hier Fremde auftauchten, noch dazu Fremde, die Kinder bei sich hatten. Er würde bei der nächsten Gelegenheit mit diesem Mann sprechen.

      Lautes Rufen und erregtes Stimmengewirr rissen ihn aus seinen Gedanken. Auf der rechten Seite prügelten bewaffnete Türken eine breite Gasse in die Menschenmauer, und kurz darauf trugen vier riesige Neger eine Sänfte auf den Platz. Unter dem seidenen Baldachin erkannte Hasard den fetten Pascha. Die Träger stellten die Sänfte vor dem Podium ab. Ächzend schleppte sich der dicke Potentat zu seinem Thron.

      Ein müdes Winken seiner plumpen Hand war das Zeichen, daß die Vorstellung beginnen könne.

      Ein Mann mit einem dichten, struppigen Vollbart trat vor den Thron und warf sich in den Staub. Zwei Soldaten schleppten einen gefesselten Mann heran und stießen ihn neben den anderen zu Boden.

      Auf einen Wink des Paschas erhoben sich beide, und der Bärtige begann eine erregte Suada. Augenscheinlich der Kläger, folgerte Hasard, und der Gefesselte, auf den der andere immer wieder mit dem Finger deutete, war der Beklagte. Als der Pascha genug gehört hatte, winkte er dem Kläger, zu schweigen, stellte eine kurze Frage an den anderen Mann und fällte dann sein Urteil.

      Der Bärtige grinste zufrieden und verneigte sich bis zum Boden. Der andere wurde von den Soldaten zu Boden gestoßen und mit Armen und Beinen an vier Pflöcken festgebunden. Ein stämmiger Neger entrollte eine lange Nilpferdpeitsche, und dann knallte das geflochtene Leder auf den Rücken des Delinquenten.

      „So, nun ist die Gerechtigkeit wiederhergestellt“, erklärte Hassan ben Iskander mit seinem breiten Grinsen. „Der Gerechte kriegt sein Geld, und der Sünder kriegt die Peitsche.“

      „Und niemand verteidigt den Angeklagten?“ fragte Hasard sarkastisch.

      „Wozu? Wer angeklagt wird, ist auch schuldig.“

      Hasard hielt es für müßig, noch ein Wort über eine Rechtsprechung zu verlieren, die seit der Magna Charta in England unmöglich war. „Und das soll lehrreich sein?“ fragte er nur.

      „Warten Sie ab, Monsieur. Warten Sie ab.“

      Es war der vierte Fall. Hasard konnte der „Verhandlung“ genausowenig folgen wie den vorangegangenen. Aber daß das Urteil härter ausgefallen war, erkannte er daran, daß der Angeklagte, ein Mann, dessen Kleidung und Aussehen Wohlhabenheit verrieten, abwechselnd schrie und um Gnade flehte.

      Der Neger steckte die zusammengerollte Peitsche in die Schärpe und griff nach einem breiten Krummschwert.

      „Was hat der Mann getan?“ fragte Hasard.

      „Er hat es gewagt, den Unwillen Seiner Exzellenz hervorzurufen.“

      „Und nur deswegen wird er hingerichtet?“

      „Nur?“ sagte Hassan ben Iskander gedehnt. „Das ist schlimmer als Mord, Monsieur.“

      Hasard starrte auf den Verurteilten, der jetzt von mehreren Sklaven in die Knie gezwungen wurde. Der riesige Neger hob das Richtschwert.

      „Sein Vermögen fällt sicher an den Staat, nicht wahr?“ fragte Hasard.

      „Zugunsten Seiner Exzellenz“, korrigierte Hassan amüsiert. „Und außerdem belustigt eine Hinrichtung unser naives Volk.“

      Wie zur Bestätigung ertönten in diesem Augenblick Applaus und frenetischer Jubel. Hasard wandte sich um und sah den Kopf des Verurteilten in den Sand rollen. Der schwarze Henker hob das blutige Richtschwert und verbeugte sich wie ein Gladiator.

      „Nun, mon Capitain“, sagte Hassan maliziös, „habe ich Ihnen zu viel versprochen? Ich habe gesagt, daß Sie etwas Interessantes und Lehrreiches …“

      Er sprach nicht weiter, weil auf der linken Seite des Platzes, gleich neben dem Podium, Tumult ausbrach. Männer fluchten, Weiber kreischten, und dann hörte Hasard das Klirren von Waffen.

      Hasard sprang auf. Er hatte eine düstere Vorahnung, was die Ursache dieses Krawalls sein könnte. Und er hatte sich nicht geirrt. Die riesige Gestalt Batutis ragte aus dem Knäuel von Zuschauern und Soldaten, und kurz darauf sah er auch Dan O’Flynn und Smoky. Sie hatten keine Chance gehabt. Eingezwängt zwischen Zuschauern hatte eine Übermacht von Soldaten sie sofort entwaffnen und überwältigen können.

      Auf Anweisung des Blonden, wie Hasard jetzt erkannte. Der Mann hatte sie anscheinend vorher entdeckt und die Ablenkung der Menge während der Enthauptung dazu benutzt, die Männer der „Isabella“ überrumpeln zu lassen.

      Jetzt stießen sie die drei Männer auf den freien Platz. Dan O’Flynn versuchte, einem der Soldaten den Krummsäbel zu entreißen. Er wurde niedergeschlagen und halb bewußtlos weitergeschleift. Batuti stieß ein wütendes Knurren aus und schüttelte die vier Männer, die ihn festhielten, zu Boden wie ein Bär, der kläffende Köter abschüttelte. Einem der Männer entriß er den Krummsäbel und schwang ihn über dem Kopf.

      „Batuti!“ schrie Hasard scharf. „Laß das!“

      Der schwarze Riese wandte den Kopf, und in der nächsten Sekunde hingen wieder vier, fünf Türken an ihm und rissen ihn nieder.

      „Laßt meine Leute in Ruhe!“ rief Hasard. Dann fiel ihm ein, daß die Türken ihn ja nicht verstehen konnten, und er wandte sich an Hassan ben Iskander. „Sagen Sie ihnen, sie sollen meine Männer loslassen.“

      Der dicke Hassan schien auszulaufen. Dicke Schweißbäche rannen über sein feistes Gesicht, und er blickte mit einem entschuldigenden Grinsen immer wieder seinen Pascha an.

      Der Potentat starrte unwillig von dem Spektakel vor seinem Thron zu Hassan. Der dicke Hassan war von diesem Zeichen der Ungnade so entsetzt, daß er zum Thron watschelte, sich dort zu Boden warf und den rechten Schnabelschuh seines Herrn zu küssen versuchte. Der Pascha gab ihm einen Tritt, daß er auf den Rükken flog und wie ein Käfer mit Armen und Beinen strampelte.

      Die Fairneß gebot es Hasard, die Verantwortung für den Zwischenfall zu übernehmen. Er trat neben den dicken Hassan und sagte: „Ich muß Sie um Verzeihung bitten, Exzellenz, auch für meine Männer. Aber Hassan ben Iskander trifft keine Schuld daran.“

      Der dicke Hassan rappelte sich auf, blieb aber auf den Knien hocken und sprach rasch und mit vielen Verneigungen auf den Pascha ein, der ihm mit ein paar Worten antwortete und dann gelangweilt abwinkte.

      „Seine Exzellenz zeigt Ihnen unverdienten Großmut“, sagte Hassan und wischte sich den Schweiß mit dem weiten Ärmel seiner Jelaba vom Gesicht. „Er verzeiht Ihnen die Störung der Gerichtssitzung und …“

      „Sagen Sie Seiner Exzellenz, daß ich diesen Mann beanspruche“, unterbrach ihn eine kalte, schneidende Stimme in fließendem Französisch. Hasard wandte den Kopf und starrte den Blonden an, der mit vier bewaffneten Männern hinter ihm stand.

      „Monsieur“, stotterte Hassan erschrocken. „Warum wollen Sie den so mühsam erhaltenen Frieden wieder stören? Seine Exzellenz hat in seinem erhabenen Großmut verziehen, und ich verstehe nicht, warum Sie sich um diesen Mann kümmern.“

      „Weil ich hier die britische Krone vertrete“, sagte der Blonde scharf. „Und gegen diesen

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