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„Sonst spendiere ich dir statt Rotwein ein Faß voll Hafenwasser!“

      Aber da schnaufte auch schon die dralle Pepita heran, denn auch auf Kuba war es Ehrensache, daß eine Señorita der anderen beistand.

      Jörgen Bruhn befürchtete schon, handgreiflich werden zu müssen, aber da wurde er auf eine völlig überraschende Weise aus seiner mißlichen Lage befreit.

      Den kleinen Trupp Soldaten, der im Hafengebiet aufgetaucht war, hatte er bis jetzt nicht bemerkt. Erst die laute Stimme eines Sargentos ließ ihn aufhorchen. Sogar die beiden Ladys wurden in ihrem schier unbändigen Liebeshunger gebremst, denn sie ließen augenblicklich von ihm ab.

      „Nehmt die beiden Huren fest!“ befahl der Sargento, der wie die anderen die Uniform Seiner Allerkatholischsten Majestät, des Königs von Spanien, trug. In Wirklichkeit aber gehörte er mitsamt seinem Haufen zu den Schergen des Gouverneurs von Kuba.

      Im Handumdrehen waren Jörgen Bruhn sowie Rosita und Pepita von den Soldaten umzingelt. Die Mündungen von Steinschloßpistolen und etliche Degenspitzen waren drohend auf sie gerichtet.

      „Den Kerl da auch?“ wollte einer der Soldaten mit einem Seitenblick auf Jörgen wissen.

      Der Sargento schüttelte den Kopf. „Nur die Weiber!“ befahl er. „Durchsucht sie an Ort und Stelle. Wenn sie die beiden Seeleute tatsächlich im Suff ausgeplündert haben, werden sie mitgenommen.“

      Jörgen atmete auf, während die beiden Huren von den Soldaten gepackt wurden. Innerhalb von Sekunden bot sich den Schaulustigen, die sich rasch eingefunden hatten, ein geschmackloses Schauspiel, denn trotz lauter Proteste und heftiger Kratz- und Beißversuche, wurden Pepita und Rosita von den Schergen des Gouverneurs ungeniert durchsucht. Mit Erfolg übrigens, denn aus den unerfindlichen Weiten ihrer Röcke wurden zwei prallgefüllte Lederbeutel zutage gefördert. Die beiden Huren hatten sie offensichtlich betrunkenen Freiern gestohlen.

      Jetzt half auch kein Fluchen und Kreischen mehr, die Señoritas wurden abgeführt.

      „Sind Sie ebenfalls von den Weibern bestohlen worden, Señor?“ fragte der Sargento.

      Jörgen schüttelte den Kopf. „Nein, Sargento. Die beiden sind betrunken und wollten unbedingt, daß ich sie zu einem Krug Wein einlade. Da ich ablehnte, wurden sie ein bißchen zudringlich.“

      „Gut so“, entschied der Sargento knapp und schloß sich seinen Leuten an.

      Jörgen war froh über den raschen Abzug der Soldaten. Er wußte nur zu gut, daß der Gouverneur und seine skrupellose Clique, zu der auch seine Schergen gehörten, nicht lange fackelten. Hätte der Sargento die Situation zufällig anders eingeschätzt, wäre es durchaus möglich gewesen, daß man ihn gleich mitverhaftet hätte.

      Jetzt aber sah Jörgen Bruhn zu, so schnell wie möglich zu verschwinden. Er hatte nicht das geringste Interesse daran, noch länger im Mittelpunkt des allgemeinen Interesses zu stehen, denn außer ihm wußten in Havanna nur Jussuf und Arne davon, daß diese deutsche „Faktorei“ lediglich ein geheimer Stützpunkt des Bundes der Korsaren war und unter anderem dazu diente, die Bewohner der Schlangen-Insel mit Nachrichten und Gütern des täglichen Bedarfs zu versorgen.

      Jussufs pechschwarze Augen huschten flink hin und her.

      Er ließ den Kreolen, der schon eine Weile im Hafen herumlungerte, nicht eine Sekunde unbeobachtet. Vor allem deshalb nicht, weil der schmuddelige und wenig vertrauenerweckend aussehende Bursche auffallend deutlich den Arsenalbereich im Auge behielt, wo etliche Schiffe zur Ausrüstung lagen.

      Jussuf hatte sich vorsichtig in den Schatten eines Lagerschuppens zurückgezogen und wischte sich von Zeit zu Zeit den Schweiß von der Stirn. Der aus Beirut stammende Türke mit der stämmigen Figur und dem sichelförmigen Schnauzbart war zwar an Hitze gewöhnt, doch hier in der Karibik war das Klima von anderer Art als im Orient. Die Luft war feuchter und schwerer und keineswegs erfrischend.

      Davon ließ sich Jussuf jedoch nicht beeindrucken. Schließlich hatte er während seiner Zusammenarbeit mit Jörgen Bruhn und Arne von Manteuffel schon oft genug unter Beweis gestellt, daß er in vielerlei Hinsicht brauchbar war – nicht nur was das fachgerechte Züchten von Brieftauben betraf, das zu seinen großen Leidenschaften gehörte.

      Jussuf war noch in der Nacht zusammen mit Jörgen aufgebrochen. Wenig später hatten sie sich getrennt, um möglichst den gesamten Hafen überwachen zu können. Die Tatsache, daß die Crew der Black Queen aus Farbigen und Mischlingen bestand, war ihnen von Vorteil, denn sie brauchten bei ihrer Suche nach den Spähern der schwarzen Piratin nur auf solche Typen zu achten.

      Als Jussuf merkte, daß der Kreole seinen Platz nicht mehr verließ und immer wieder zu den Ausrüstungsplätzen hinüberstarrte, zog er sich etwas weiter in den Schatten des Lagerschuppens zurück. Er fand dort eine morsche Holzkiste und benutzte sie als Sitzgelegenheit. Gleich darauf stützte er den Kopf in die Hände und döste scheinbar ohne jegliches Interesse an Gott und der Welt vor sich hin.

      Eine halbe Stunde später, kurz vor der Mittagszeit, tat sich endlich etwas. Ein anderer Kreole, der aus westlicher Richtung aufgetaucht war, traf den vermeintlichen Späher und wechselte einige Worte mit ihm. Dann löste er ihn ab.

      Der Späher Nummer eins wandte sich westwärts. „Vergiß nicht, die Klüsen offenzuhalten, Amigo!“ rief er noch mit gedämpfter Stimme. Doch Jussuf konnte die Worte deutlich verstehen.

      Für den Türken gab es keinen Zweifel mehr daran, daß er sich „auf dem richtigen Schiff“ befand. Von jetzt an galt es, doppelt aufmerksam zu sein.

      Langsam und unauffällig erhob er sich von seiner Sitzgelegenheit, gähnte herzhaft und reckte sich, als sei er aus seiner Siesta erwacht. Dann begab er sich ebenfalls ohne erkennbare Hast auf den Weg zum Westteil des Hafens.

      Der Kreole schien nicht zu bemerken, daß ihm jemand folgte, und das war Jussuf auch recht so. Außerdem schien es der verluderte Kerl nicht besonders eilig zu haben, denn schon nach wenigen Minuten blieb er bei einigen Herumlungerern stehen und schaute ihnen neugierig beim Würfelspiel zu.

      Jussuf überbrückte die Wartezeit, indem er mit einem Händler, der auf einem primitiven Karren Früchte und Gemüse feilbot, um eine Handvoll Bananen zu feilschen begann. Dabei legte er notgedrungen eine solche Ausdauer an den Tag, daß ihn der Händler schon zum Teufel jagen wollte.

      Doch da besann sich der Kreole endlich wieder auf seinen Auftrag und setzte seinen Weg fort.

      Jussuf kaufte kurz entschlossen die Bananen, obwohl er nicht den geringsten Appetit darauf verspürte. Dann heftete er sich erneut an die Fersen des Kreolen.

      Die Sonne hatte mittlerweile ihren höchsten Stand erreicht und verströmte erbarmungslos ihre sengende Hitze. Jussuf hatte sich gerade mit dem Handrücken über die Stirn gewischt, da stellte sich ihm ein kleiner Junge von höchstens zehn Jahren in den Weg und streckte ihm bittend eine Hand entgegen.

      „Nur ein paar kleine Münzen, Señor“, sagte der Junge. „Ich habe schon seit zwei Tagen nichts mehr gegessen.“

      Aber so abgemagert und hungrig sah der kleine Bursche gar nicht aus, eher ziemlich schlitzohrig.

      „Du meinst wohl, dein Vater hat schon seit zwei Tagen kein Geld mehr zum Saufen, mein Söhnchen“, sagte Jussuf lächelnd. „Trotzdem kann deinem Kohldampf abgeholfen werden.“ Er drückte dem kleinen Bettler kurzerhand die Bananen in die Hände. „Laß sie dir schmecken, und sag deinem Alten einen schönen Gruß, er soll seinen faulen Hintern hochhieven und mal kräftig in die Hände spucken.“

      Der Kleine grinste. „Danke, Señor! Vielen Dank!“ Im Handumdrehen war er mit den Bananen verschwunden.

      Jussuf war froh, endlich wieder die Hände frei zu haben. Doch dieses Gefühl hielt nicht lange vor, denn er stellte im selben Augenblick mit Erschrecken fest, daß er den Kreolen aus den Augen verloren hatte.

      „Bei Allah!“ stieß er hervor. „Hat sich dieses etwas dunkel geratene Exemplar eines Kamels in Luft aufgelöst?“

      Jussuf befürchtete schon, auf ein Ablenkungsmanöver

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