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waren keine armen Kirchenmäuse, und wenn die Route tatsächlich zum Mittelmeer führte, dann hatte sich der Preis gelohnt.

      Wenn!

      Und wenn nicht?

      Hasard merkte, daß er sich mit seinen Gedanken im Kreise drehte. Und dann seufzte er, als er nach vorn schaute. Dort tauchte am östlichen Ufer wieder eine der Flußbuchten auf, in denen ein Neerstrom floß, ein Gegenstrom, den man ausnutzen konnte, um schneller voranzugelangen.

      Aber genau an solchen Stellen legten die Kerle ihre Gebetpausen ein. Als Hasard vor drei Tagen dem „Treideladmiral“ erklärt hatte, daß er es für empfehlenswert halte, wenn man diese Buchten zum schnelleren Treideln nutzte, da hatte Hamid Saih entgegnet, daß die Kamele dort besser ausruhen könnten, denn sie brauchten sich an diesen Stellen nicht gegen das driftende Schiff zu stemmen, um es zu halten.

      Das stimmte zwar, aber Hasard hatte eher den Eindruck, daß sich die Kerle kein Bein ausreißen wollten und die Kamele nur als Begründung vorschoben. Denn die wirkten keineswegs abgeschlafft. Die waren munterer als ihre Treiber. Und dann trödelten die Kerle herum – bei ihrem Waschritual, beim Gebet nach Mekka und erst recht danach. Bis die ihre Gebetsteppiche eingerollt und wieder auf den. Kamelen verzurrt hatten, verging eine Ewigkeit, genauer gesagt: eine ganze Stunde.

      Und wer hatte die Arbeit bei dieser Pause? Die Arwenacks. Die mußten nämlich den Heckanker werfen, sobald die Kamele stoppten. Denn sonst wäre die „Santa Barbara“ im Neerstrom vorausgetrieben, hätte die Schleppleine überfahren und ein heilloses Durcheinander in die Leinen gebracht, die vom Ende der Schleppleine einzeln zu den jeweiligen Kamelen führten.

      Und schon rief Ben Brighton zur Kuhl hinunter: „Klar bei Heckanker, Freunde! Es ist wieder mal soweit!“

      Carberry war sonst immer dabei, aber der hatte sich, wie gesagt, auf die Back verdrückt und spielte Luftgucker, das heißt, er starrte nach Süden.

      „Der peilt nach Mekka“, sagte Dan O’Flynn grinsend.

      Er gehörte zu den wenigen Arwenacks, die sich nicht aus der Ruhe bringen ließen. Auch der Kutscher war unverdrossen, zogen sie doch an vorchristlichen Stätten vorbei, über die er fleißig in der Bibel nachgelesen hatte. Na, und auch die Zwillinge waren guten Mutes – zum einen hatte ihr Fund auf der Seychellen-Insel diese Reise ja erst ausgelöst, und zum anderen waren sie einfach abenteuerlustig, was Vater Hasard ihnen im Grunde nicht verdenken konnte. Er wäre in diesem Alter nicht anders gewesen.

      Die beiden tauchten auch als erste auf dem Achterdeck auf, um beim Ausbringen des Heckankers mitanzupacken. Ihre vergnügten Gesichter bildeten den angenehmen Gegensatz zu den Mienen von Smoky, Piet Straaten, Jan Ranse und Blacky, die – unwissentlich – in Konkurrenz zum grämlichen Mac Pellew getreten waren. Sie hätten jetzt mit ihm wetteifern können, wer den besseren Essiggurkenausdruck zur Schau trug.

      Es war auch Dan O’Flynn, der die vier traurigen Helden anging.

      „Macht ihr heute in Trauer oder was?“ fragte er.

      Jan Ranse seufzte abgrundtief und erwiderte! „Es ist alles so furchtbar lustig, verstehst du?“

      „Und so spannend“, sagte sein Freund Piet Straaten. „So richtig furchtbar aufregend.“

      „Und alles überschlägt sich vor lauter Eile und Hetze“, fügte Blacky gähnend hinzu.

      „Genau“, murmelte Smoky. „Man stürzt dauernd von einer Aufregung in die nächste. Ich glaube, ich krieg demnächst ’n Herzkasper.“

      „Herzkasper?“ fragte Dan O’Flynn. „Was ist das denn?“

      „Wenn das Herz kaspert“, erwiderte Smoky. „So hat uns das Mac erklärt. Bei Aufregungen hüpft das Herz, und wenn es zu schnell hüpft, dann kann’s ’n Exitus geben – pengg, isses aus.“

      Blacky nickte und bestätigte: „Dann isses aus.“

      „Ja“, sagte Piet Straaten.

      „Exakt“, sagte Jan Ranse.

      Sie starrten alle vier trübe zu den Kamelen, nickten sich ebenso trübe zu und begannen zu fummeln. Anders konnte man ihre Tätigkeit nicht nennen, als sie die Heckankerleine zum Auslaufen klarlegten und den Heckanker am Stock über das achtere Schanzkleid an Steuerbord hievten und sich dort an ihm festhielten, bis der Befehl „Fallen Anker!“ erfolgen würde.

      „Daß ihr keinen Herzkasper kriegt“, sagte Dan O’Flynn, „steht jetzt schon fest. Eher nippelt ihr an Herzverfettung ab.“

      Stenmark, der am Ruder stand – er hatte nichts weiter zu tun, als die „Santa Barbara“ mit etwas Backbordruder vom Ufer abzuhalten –, grinste vor sich hin. Auch er zählte zu den paar Arwenacks, die alles gelassen hinnahmen. Allerdings konnte man als Rudergänger bei dieser Nudelei stromauf im Stehen einschlafen. Und dann noch bei dieser Hitze.

      Ben Brighton hatte seinen Befehl „Klar bei Heckanker!“ viel zu früh gegeben. Erst nach einer halben Stunde schlich die „Santa Barbara“ in die Flußausbuchtung, und dann dauerte es noch einmal zehn Minuten, bis Hamid Said mit einem Leiergesang die Kamele zum Stehen brachte.

      „Fallen Anker!“ rief Ben Brighton.

      Die vier trüben Mannen hoben den Heckanker an – er war leichter als der Buganker –, schwangen ihn etwas und ließen ihn nach unten sausen. Mit der Miene von Leichenträgern legten sie die Ankerleine um den Heckpoller und begutachteten sie, wie sie „im Schneckengang“ auslief. Smoky starrte schwermütig übers Steuerbordschanzkleid und beobachtete, wie die Leine ganz allmählich steifkam.

      „Belege!“ sagte er nach einer Weile.

      Das besorgten die Zwillinge mit ein paar Törns und zuletzt einem Kopfschlag, den sie auf Slip setzten, so daß die Leine eine Stunde später problemlos wieder losgeworfen werden konnte. Auch das Ankeraufgehen stellte kein Problem dar. Allerdings mußte die „Santa Barbara“ dann übers Heck mit dem Spill achteraus verholt werden, bis die Ankerleine auf und nieder stand und der Anker aus dem sandigen Grund brach.

      Das war also auch mit Arbeit verbunden – und nur wegen der Kameltreiber, die unbedingt fünfmal am Tag mit Allah in Kontakt treten mußten. Oder faulenzen wollten, je nachdem, wie man das betrachtete.

      „Anker hat gefaßt“, meldete Smoky.

      Die zwanzig Kerle und ihr „Treideladmiral“ zurrten unter Palaver ihre Gebetsteppiche von den Kamelrücken und begaben sich gemessenen Schrittes ans Ufer, wo sie ihre Teppiche ausbreiteten. Dann schürzten sie ihre Gewänder, steckten den Überhang in den Gürtel und stiegen ins Wasser.

      „Damit der Käse zwischen ihren Zehen aufweicht!“ hatte Carberry vor ein paar Tagen gelästert, als sie die Reinigungsprozedur erstmals beobachteten.

      Doch was tat der Profos heute auf der Back? Unter viel Getöse warf er eine Pütz mit Fangleine an Steuerbord übers Schanzkleid, hievte Wasser hoch und goß es sich über den Kopf. Das tat er mehrere Male.

      Die Kameltreiber glotzten zu ihm hoch. Auch die Arwenacks starrten zu ihrem Profos, der eine Badeorgie veranstaltete. Aber vielleicht hatte er auch einen Sonnenstich.

      „Uuuh!“ und „Uaah!“ tönte der Profos, wenn er die Pütz kippte und das Wasser über seinen Kopf schoß.

      Die Kameltreiber wirkten etwas verstört, als sie ihre Hände ins Wasser tauchten und dann ihre Gesichter näßten. Sie gingen sehr sparsam mit dem Wasser um, obwohl genug da war. Carberry hingegen schöpfte da echt aus den Vollen und verpraßte Wasser in Massen.

      Mit verkniffenen Mienen schritten die Kameltreiber zu ihren Teppichen und ließen sich auf die Knie nieder, die Gesichter nach Süden gewandt.

      Ihr „Allahu Akbar“ begann.

      Carberry übertönte es mühelos.

      Er hatte eine Matte auf die Planken der Back geknallt, kniete dort ebenfalls mit Front nach Süden, bewegte den Oberkörper auf und nieder und röhrte: „Santa Barbara – Santa Barbara – blablabla – Barbara

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