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sich auch schon einiges zutraute, oder Jonny, der ein tolldreister Draufgänger und Abenteurer zu sein schien, hätten etwas Vergleichbares vollbracht. Romero beherrschte richtige Taschenspielertricks, er war ein Meister im Jonglieren mit Gegenständen und konnte sie blitzschnell verschwinden lassen.

      Den kleinen Hammer und das Scharfeisen hatte er vermittels dünner, jedoch sehr haltbarer Fäden, die er schon Tage zuvor vorbereitet hatte, an seinem Gürtel festgebunden und dann an der Innenseite seiner Hose herabbaumeln lassen.

      Jetzt holte er die Geräte zum Vorschein und begann sein schwieriges, langwieriges Werk.

      Allen Gefangenen waren die Hände auf dem Rücken zusammengekettet, wenn sie nicht zur Arbeitsschicht auf die Festung mußten, und diese Handfesseln waren wiederum durch eine Kette mit dem Pfahl verbunden, der für jeden Sträfling in den Boden innerhalb der Palisaden gerammt worden war. Die Beine wurden durch Schäkel zusammengehalten, an denen als Gewichte schwere eiserne Kugeln befestigt waren.

      Wir können froh sein, daß sie uns nicht auch noch Halseisen verpaßt und uns damit an diese verdammten Pflöcke gehängt haben, dachte Young, als er sich jetzt auf die linke Körperseite legte und so nah wie möglich an Romero heranrückte.

      Sie hatten verschiedene Pläne gewälzt und auch in Erwägung gezogen, die Flucht tagsüber zu versuchen. Doch dieses Vorhaben hatten sie gleich wieder verworfen. Wenn sie während der Arbeit an der zu errichtenden Festung auch die Hände frei hatten, die Zahl der schwerbewaffneten Wächter war doch zu groß, um einem derartigen Unternehmen auch nur die geringsten Erfolgschancen einzuräumen.

      Blieb nur die Nacht, und zwar mußte es diese zunehmend stürmische Nacht sein, in der sie den Ausbruch durchführen. Ihre Wächter hatten ihnen bereits in Aussicht gestellt, daß auch die Gefangenen hier in den nächsten Tagen zu den Sträflingen in den Festungskerker gepfercht würden, dessen letzte Räume kurz vor der Vollendung standen. Wenige Wachtposten genügten, um den einzigen Ausgang des Kellergewölbes ständig ausreichend zu bewachen, und jeder Mann, der das Kunststück fertigbrachte, sich von seinen Ketten zu befreien und die Eisengitter zu öffnen, die ihn vor der Freiheit trennten, wurde spätestens dort erschossen.

      Dort oben, im Kerker des Kastells, ist unser aller Schicksal endgültig besiegelt, sagte sich Morgan Young im stillen. Er drehte sich so, daß seine Beine sich denen von Romero näherten. Der junge Spanier hatte sich ebenfalls auf die Körperflanke sinken lassen. Sie lagen in stark verkrümmter Haltung Rücken an Rükken da, wobei die Verbindungsketten, die ihre eisernen Handfesseln an den Pfählen festhielten, sich strafften und an ihren Gelenken zu zerren begannen.

      Romero konnte weder seine eigenen Handschellen noch seine Beinschäkel lösen. Aber er konnte dank seiner großen Fingerfertigkeit die Spitze des Scharfeisens in die Zwischenräume von Morgan Youngs Fußeisen zwängen und mit dem Schlegel auf das obere, stumpfe Ende des Werkzeugs hauen.

      Die Schlaggeräusche wurden vom Jaulen und Heulen des Windes und dem Kreischen der Nachtvögel geschluckt, doch immer wieder hielt Romero inne, um zu lauschen. Hatten die Posten, die außerhalb der Palisade auf und ab patrouillierten, wirklich noch nichts gehört? Der junge Spanier arbeitete in der beständigen Furcht, entdeckt zu werden.

      Morgan Young hielt immer wieder den Atem an, ballte die Hände zu Fäusten und schickte stumme Stoßgebete zum Himmel: Herr, laß es uns schaffen, gib, daß wir Erfolg haben und diesen gräßlichen Ort verlassen können.

      „Morgan“, wisperte plötzlich eine Stimme. „Morgan Young!“

      Young fuhr unwillkürlich zusammen, aber dann begriff er, daß es Jonnys Stimme war.

      „Was ist?“ fragte er ebenso leise zurück. „Gefahr im Verzug?“

      „Nein.“

      „Verdammt“, zischte Young. „Du hast mir vielleicht einen Schreck eingejagt!“

      „Ich wollte euch beiden nur sagen, daß ihr es schafft, wenn ihr eisern weitermacht.“

      „Danke“, murmelte Romero.

      „Und wenn ihr erst frei seid, dann wär’s mir eine höllische Ehre, wenn ihr mich als nächsten von diesem elenden Pflock befreien würdet.“

      „Jonny, mein Ehrenwort darauf“, raunte Morgan Young ihm zu.

      Romero arbeitete mit verbissenem Eifer weiter, wußte aber, daß er den Schlegel und das Scharfeisen nicht mehr lange in seinen verkrümmten, schmerzenden Fingern halten konnte.

      Der Wind briste auf, nahm immer mehr zu, wurde stürmisch und schien sich darüber zu erzürnen, daß die Segel der großen Galeone ihm Widerstand boten. Heftig blies er in das stark gelohte Zeug und pfiff und heulte in den Luvwanten und Pardunen.

      Die „Isabella VIII.“ segelte durch die Nacht, mit nordwestlichem Kurs und halbem Wind, der aus Südsüdwest wehte. Mit Backbordhalsen und hart über Steuerbordbug krängend bahnte sie sich ihren Weg durch die aufgewühlten Fluten und lief die südliche Öffnung der Mentawai-Straße zwischen der Südwestküste von Sumatra und den Mentawai-Inseln an.

      Im Südwesten, dort, wo sich schon am späten Nachmittag drohend die schwärzlichen Gewitterwolken zusammengeballt hatten, zuckten jetzt hin und wieder Blitze auf, die wie Irrwische vom Himmel in die See glitten und dort in den unergründlichen Tiefen verschwanden.

      Ben Brighton, der Erste Offizier und Bootsmann der „Isabella“, stand neben seinem Kapitän Philip Hasard Killigrew auf dem Achterdeck, hielt sich mit einer Hand an der Nagelbank fest und schickte immer wieder besorgte Blicke nach Süden.

      „Da braut sich ganz schön was zusammen!“ rief er dem Seewolf zu. „Und wir alle können heilfroh sein, daß du heute nachmittag die Kursänderung angeordnet hast, schätze ich!“

      „Ja, ich bin sicher, daß wir noch einen biestigen Sturm auf die Jacke kriegen“, sagte Hasard so laut, daß es durch das Pfeifen des Windes und das Rauschen des Wassers hindurch zu verstehen war. „Wenn es allzu hart wird und wir ihn nicht abwettern können, verholen wir in eine Bucht, entweder auf einer der Inseln oder auf Sumatra.“

      Tatsächlich war die Galeone in der Mentawai-Straße ziemlich geschützt, und es war eigentlich kein großer Umweg, den sie beschrieb, wenn sie ganz hindurchsegelte und später, bei der Insel Simeulue, wieder auf den westlichen Kurs zurückging, den der Seewolf ursprünglich festgelegt hatte, nachdem sie die Sundastraße verlassen hatten.

      Er wollte hinüber in den Indischen Ozean und ihn quer durchfahren, als Ziel galt irgendwann die Ostküste Afrikas. Ob diese Überquerung aber nun nördlich oder südlich des Äquators stattfand, hatte im Grunde keine große Bedeutung.

      Welchen Sinn hatte es, wenn er sich in den Kern der Schlechtwetterzone hinauswagte und dabei das Risiko einging, daß die „Isabella“ schwer angeschlagen wurde? Sie war zwar ein gutes, robustes Schiff, das schon manchen Sturm hinter sich hatte, aber unsinkbar war sie auch nicht. Außerdem hatte Hasard nicht das Recht, die Crew leichtfertig einer derartigen Gefahr auszusetzen.

      Man sollte den Teufel nicht zu sehr am Schwanz ziehen, das hatten auch die jüngsten Erfahrungen auf der Insel Seribu gezeigt.

      Old Donegal Daniel O’Flynn, der an der Schmuckbalustrade des Achterdecks stand und auf die Kuhl blickte, war der gleichen Meinung. Immer wieder nickte er bedeutungsvoll vor sich hin und murmelte etwas von der „Vorsehung“, den „Mächten der Finsternis“ und dem „heimtückischen Bösen“, das man in dieser Situation ja nicht herausfordern sollte.

      Die Situation wurde laut seinen neuesten Darlegungen durch die Konstellation der Himmelsgestirne maßgeblich beeinflußt, aber ob er nun wirklich genau über die Sterne Bescheid wußte, war keinem an Bord der „Isabella“, so richtig klar.

      Der Alte drehte sich um, stapfte über das tanzende Deck zum Ruderhaus hinüber und trat zu Blacky, der bei Beginn der ersten Nachtwache um acht Uhr Pete Ballie als Rudergänger abgelöst hatte.

      „Es ist gut, aber auch wieder schlecht, daß wir in diese gottverdammte Meerenge hineinlaufen“, sagte Old O’Flynn. „Wir könnten mit Spaniern und Portugiesen zusammentreffen,

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