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      Auf der „Isabella IX.“ jedoch herrschte Stille. Jetzt, kurz vor Mitternacht, erweckte die Galeone den Eindruck, ein Geisterschiff zu sein.

      Schon nach kurzer Zeit trafen sich die beiden Gruppen oben auf der Kuhl wieder, nachdem sie festgestellt hatten, daß sich niemand mehr an Bord befand. Offensichtlich brauchte die Black Queen ihren Helfer drüben auf der „Caribian Queen“ nötiger als hier.

      Teils in geduckter Haltung und teils auf dem Bauch robbend, bewegten sich die Arwenacks über die Planken. Plymmie kroch schnuppernd hinterher. Nachdem sie hinter dem Schanzkleid in Deckung gegangen waren, konnten sie ungehindert zu dem Zweidecker hinüberspähen.

      Die „Caribian Queen“ lag außerhalb des Drehkreises beim Schwoien an Steuerbord der „Isabella“ vor Anker. Der Bug zeigte nach Nordnordost, in jene Richtung also, aus der der Wind wehte.

      Die Arwenacks konnten erstaunlich gut erkennen, was auf dem Schiff vor sich ging, denn die Decks waren durch mehrere Bordlaternen hell beleuchtet.

      „Dort am Besan“, flüsterte Stenmark, „das ist unser Kapitän. Und Siri-Tong haben sie an den Großmast gefesselt.“

      „Dieses verdammte Luder!“ entfuhr es Ferris Tucker, und natürlich meinte er damit die Black Queen, die ebenfalls deutlich zu sehen und zu hören war.

      Die Männer hielten zuweilen die Luft an bei dem, was die schwarze Piratin voller Triumph und Haß von sich gab. Da war unter anderem pausenlos die Rede vom „Seewolf-Tölpel“ und von der „Chinesenhure“, mit der zweifellos Siri-Tong gemeint war.

      „Einen ausgeprägteren Wortschatz kann eine Hafenhure auch nicht haben“, flüsterte Sam Roskill.

      Er hatte recht damit, denn die Black Queen stand in Siegerpose über der schweren, verzurrten Gräting, mit der die Ladeluke abgesichert worden war. Halbnackt, herausfordernd und obszöne Worte brüllend, triumphierte sie über ihre Gefangenen, die im Laderaum „unter Verschluß“ waren.

      „Dieses Weib müßte matt wirklich an die Rah hängen“, sagte Matt Davies leise.

      „Das wäre viel zu human“, entgegnete Sam Roskill. „Man müßte sie wie eine Katze in einen Sack stecken und ersäufen. Mit Hexen soll man so was schon gemacht haben.“

      Big Old Shane mischte sich ein.

      „Jetzt haltet aber eure Phantasie ein bißchen im Zaum“, sagte er. „An einer Rah wird dieses Weib ohne Zweifel einmal enden, aber eine Katze oder Hexe ist sie deshalb noch lange nicht. Oder glaubt ihr beiden etwa an Hexen, wie?“

      Matt und Sam verneinten zwar, aber letzterer konnte sich eine Bemerkung nicht verkneifen: „Wenn man dieses Satansweib toben und rasen hört, könnte man aber langsam anfangen, daran zu glauben.“

      „Pah“, sagte Batuti. „Die Black Queen ist keine Hexe. Sie hat nur viel Wut im Bauch und außerdem eine große Klappe. Hexen sehen ganz anders aus.“

      „Du meinst wohl, die sei viel zu schön dazu, was?“ Ferris Tucker warf ihm einen belustigten Blick zu. „Recht hast du ja. Eine krumme Nase und einen Buckel hat sie nicht. Und ich bezweifle, ob sie auf einem Besen reiten kann. Dafür scheint sie für gewisse andere Dinge geeigneter zu sein.“

      Das Grinsen, das über die Gesichter der Arwenacks huschte, verschwand sofort wieder, als Plymmie leise zu knurren begann. Offenbar hatte die Wolfshündin die schwarze Piratin wiedererkannt. Als Batuti ihr beruhigend zuredete und das Fell kraulte, gab sie noch ein unterdrücktes Winseln von sich und blieb dann ruhig.

      Die sechs Seewölfe hielten jetzt den Atem an. Nicht wegen Plymmie, sondern wegen dem, was die Black Queen zu ihren Gefangenen hinunterbrüllte.

      Ihrem Gekeife war deutlich zu entnehmen, daß sie nach Tagesanbruch zwölf Männer zwingen wollte, die „Caribian Queen“ nach Havanna zu segeln, und dort sollte die ganze „Bande“ dem Gouverneur als „Geschenk“ präsentiert werden. Der „Seewolf-Tölpel“ und die „Chinesenhure“ allerdings sollten als Geiseln benutzt werden, um die Freunde auf der Schlangen-Insel zu erpressen. Fürwahr ein teuflischer Plan, der für alle den Tod bedeuten würde, wenn er zur Ausführung gelangte.

      „Die hat sich ja nicht gerade wenig vorgenommen“, stellte Ferris fest. „Hoffentlich schnappt sie nicht über und läßt sich noch weitere Gemeinheiten einfallen.“

      Big Old Shane zuckte mit den Schultern.

      „Wenigstens kennen wir jetzt ihre weiteren Pläne. Daß sie erst nach Tagesanbruch ankerauf gehen will, ist ein guter Zeitgewinn für uns. Es bedeutet aber auch, daß wir unsere Männer noch in dieser Nacht befreien müssen, wenn wir verhindern wollen, daß diese Teufelin ihre größenwahnsinnigen Pläne zur Ausführung bringt.“

      „Offenbar will sie die ‚Isabella‘ zunächst in dieser Bucht zurücklassen und sie dann später abholen“, sagte Stenmark.

      Big Old Shane strich sich durch den grauen Bart.

      „Was immer sie auch vorhaben mag“, sagte er, „wir müssen alles daransetzen, die beiden da drüben zu überrumpeln, koste es, was es wolle. Es wird nicht leicht für uns werden, aber es ist ja nicht das erste Mal, daß wir harte Nüsse zu knacken haben, nicht wahr?“

      Die Kameraden nickten zustimmend. Außerdem hatten sie längst begriffen, daß die Black Queen trotz ihrer triumphierenden und großtönenden Worte auch eine Gefangene ihrer eigenen Entschlüsse war: Sie konnte nicht mit beiden Schiffen gleichzeitig nach Havanna segeln, das wäre viel zu riskant für sie. Sie brauchte Pablo zur Bewachung während der Segelmanöver auf der „Caribian Queen“. Demnach konnte sie nicht ganz so, wie sie eigentlich wollte, und darin sahen die Arwenacks, die nach wie vor hinter dem Schanzkleid der „Isabella“ kauerten, ihre Chance.

       2.

      Das fahle Mondlicht verlieh dem Wasser der Bucht einen silbrigen Glanz. Die vier Männer, die das Ufer erreicht hatten, atmeten erleichtert auf.

      Nachdem der Schimpanse Arwenack und Sir John, der karmesinrote Aracanga-Papagei, wesentlich zu ihrer Befreiung beigetragen hatten, waren Jean Ribault, Don Juan de Alcazar, Dan O’Flynn und Edwin Carberry in Richtung Westen aufgebrochen – mit bösen Ahnungen, denn sie wußten, daß die schwarze Piratin mit der erbeuteten Jolle und Hasard als Geisel zur Bucht von Mariel gesegelt war.

      Der lange Weg durch das Mangrovendickicht und das unwirtliche Küstengelände war äußerst beschwerlich gewesen. Äste und dornige Zweige hatten ihnen in der Dunkelheit die Gesichter zerkratzt, und ihre Füße hatten sich häufig im Geflecht von Wurzeln und Schlingpflanzen verfangen. Doch ein Sturz auf den morastigen Boden oder ins hohe Farnkraut hatte die Männer nicht zurückgehalten. Sie hatten ihr Ziel, die Bucht von Mariel, unbedingt noch vor Tagesanbruch erreichen wollen, und das war nun geschafft.

      „Ein reizender Spaziergang war das.“ Dan O’Flynn bog einen Ast zur Seite. „Schade, daß er schon zu Ende ist. Mit einem hübschen Mädchen im Arm wäre es direkt romantisch gewesen.“

      „Willst du jetzt zu jammern anfangen, was, wie?“ fragte Edwin Carberry, der sein gewaltiges Rammkinn vorgeschoben hatte. „Sei froh, daß dir die Ameisen nicht den Hintern angeknabbert haben.“

      „Die Black Queen hätte sich bestimmt darüber gefreut“, sagte Dan grinsend. „Sie hat den fleißigen Tierchen zum Abschied noch einen guten Appetit gewünscht.“

      Edwin Carberry winkte verächtlich ab.

      „Mit den niedlichen Krabbeldingern hätte ich mich womöglich noch angefreundet. Aber wenn ich morgen, so langsam vor mich hindurstend, in der Sonne gebraten hätte und irgend so ein heimtückisches Teufelchen hätte mir ständig eine Rumbuddel vor die Augen gehalten – das hätte ich dem mordlüsternen Frauenzimmer nie verziehen, niemals! Dafür hätte ich ihr wahrhaftig die Haut in Streifen von ihrem schwarzen Affen … äh – von ihrem runden Hintern abgezogen.“

      Jean Ribault, der drahtige Franzose, warf Dan und Ed einen

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