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stieß mit einemmal einen gurgelnden Laut aus und stürzte sich auf Finnegan. Finnegan duckte sich, blockte den Hieb ab, der seine Brust treffen sollte, konterte und warf den Kerl zurück bis an den Mast.

      Rogers wollte mit eingreifen, mußte sich jedoch auf Pravemann konzentrieren, der ihn in diesem Moment mit ungeahnter Schnelligkeit angriff. Sofort versuchte Pravemann, Rogers empfindlich zu treffen, und riß seinen Fuß hoch.

      Es war eine gemeine, niederträchtige Art der Attacke, doch genau dies und nichts anderes hatte Rogers von dem Kerl erwartet, und aus diesem Grund war er in gewisser Weise sogar vorbereitet.

      Er packte Pravemanns Bein, ehe der Fuß seine Lenden traf, und drehte ihn kurz, aber ruckartig, nach links. Der Holländer schrie gellend auf. Rogers ließ ihn los, Pravemann stürzte, Rogers warf sich auf ihn, und im nächsten Augenblick wälzten und balgten sie sich auf dem Boden der Plattform.

      Reuter unternahm derweil seinen nächsten Ausfall gegen Jack Finnegan.

      Er duckte sich, tauchte unter den Armen des Gegners durch, sprang vor und trachtete, den Engländer vom Mars zu befördern. Finnegan war jedoch auf der Hut und wich aus. Reuter fiel auf den Bauch, rutschte ein Stück und glitt um ein Haar über den Rand der Plattform.

      Er hielt sich verzweifelt fest. Unter sich sah er die Dreiecksflossen der Haie, und plötzlich hatte er sein grausiges Ende deutlich vor Augen. Dann aber richtete er seinen Blick nach links und entdeckte die Pütz in seiner unmittelbaren Nähe.

      Er gab einen undefinierbaren Laut von sich, halb Lallen, halb Grunzen, dann packte er die Pütz und versuchte, sie an seinen Mund zu bringen.

      Jack Finnegan war schneller. Er trat mit dem linken Fuß zu und traf Reuters Hand. Reuter heulte auf, ließ los – die Pütz segelte über den Rand der Marsplattform und senkte sich in einem Bogen auf die Wasserfläche. Klatschend tauchte sie ein und versank für alle Zeiten. Nur die Haie, die sich für kurze Zeit in der falschen Annahme, dies sei eine Beute, um sie herum versammelten, kündeten noch davon, daß es sie überhaupt gegeben hatte.

      Reuter klammerte sich an Finnegans Bein fest.

      „Du Satan!“ schrie er. „Du willst uns alle umbringen! Nicht nur Marten hast du abgemurkst – du willst auch uns weghaben, Dirk und mich und dann auch deinen Bastard von einem Freund!“

      Finnegan wollte sich losreißen, doch Reuter biß ihm ins Bein. Seine Augen weiteten sich und glänzten irre, er war zu allem fähig.

      Finnegan unterdrückte einen Schmerzenslaut. Er holte mit der Faust aus, schlug zu, traf Reuters Schläfe und konnte sich jetzt, da der Mann stöhnend zurücksank, aus dem Griff befreien.

      Paddy Rogers rang immer noch mit Pravemann, denn dieser entwikkelte in seinem Zustand unglaubliche Kräfte. Zuletzt lagen sie hart am Rand der Plattform. Pravemann war jetzt unter dem schweren Mann, doch es gelang ihm, das Knie hochzureißen. So traf er Rogers in den Unterleib. Rogers stöhnte auf und ließ den Gegner los. Dirk Pravemann kroch unter ihm weg.

      Aber er hatte die falsche Richtung genommen, robbte ins Leere und hatte plötzlich keinen Halt mehr. Er stieß einen Fluch aus, krallte sich noch mit seinen dürren Händen fest, rutschte aber ab, dann stürzte er mit einem Schrei, der dem eines Menschen schon nicht mehr ähnlich war, ins Wasser.

      Reuter griff Finnegan noch einmal an, um ihn ins Wasser zu stoßen, er tobte und bediente sich der gemeinsten, lästerlichsten Ausdrücke, um den Engländer zu beleidigen. Jack Finnegan packte mit beiden Händen zu, stemmte Reuter hoch und ließ den Kerl höchst unsanft auf den Planken landen. Eigentlich hätte Reuter jetzt ohnmächtig werden müssen, doch er erwies sich als zäher, als Finnegan angenommen hatte.

      Rogers griff nach der Marsverstrebung, um sie Reuter über den Hinterkopf zu ziehen, doch dieser sprang bereits wieder auf und warf sich mit einem Laut, der einer Mischung aus Kreischen und Keuchen ähnelte, auf seinen Gegner.

      Noch einmal wich Finnegan aus, um nicht von der Plattform gestoßen zu werden. Piet Reuter raste an ihm vorbei und konnte nicht mehr rechtzeitig genug seinen Lauf stoppen. Er hatte sich verrechnet. Schreiend stolperte er über den Rand, bewegte sich zuckend in der Luft und entzog sich dann ihren Blicken.

      Sie hörten das Geräusch, mit dem er ins Wasser klatschte, und vernahmen auch sein Gebrüll. Pravemann schrie nicht mehr. Die Haie wühlten das Wasser auf, das Rauschen drang bis zu den beiden Überlebenden hinauf.

      „Sieh nicht hin, Paddy“, sagte Finnegan. „Es ist zu schrecklich.“

      „Ja. Aber …“

      „Wir können sie nicht mehr retten, unmöglich.“

      „Das weiß ich. Ich meine was anderes.“ Rogers kratzte sich am Hinterkopf und suchte nach den richtigen Worten. Du sollst dir diesmal keine Vorwürfe bereiten, verstehst du? Es ist nicht unsere Schuld, daß sie abkratzen. Es hätte sie so oder so erwischt. Wir können nichts dafür. Fast wären wir selbst verreckt.“

      Finnegan sah ihn offen an. „Das war mal wieder eine lange Rede, mein lieber Paddy. Aber du hast ganz recht. Unsere Schuld ist es nicht. Außerdem sind wir die Pütz los und haben nicht die geringste Aussicht, sie wiederzukriegen.“

      „Wir gehen also auch vor die Hunde?“

      „Vor die Haie, Paddy“, sagte Finnegan betrübt. „Die kriegen ihre Beute, das siehst du ja. Sie sind die wirklichen Sieger in diesem Teufelsspiel.“

      Auch er war jetzt der Verzweiflung nahe. Er nahm wieder auf der Plattform Platz. Rogers setzte sich neben ihn. Das Toben der Haie hatte aufgehört, Reuters Geschrei war verebbt, und jetzt trat Ruhe ein. Die Haie zogen wieder ihre Kreise.

      So geht es auch mit uns zu Ende, dachte Jack Finnegan.

      Es ist alles ungerecht, sagte sich Paddy Rogers, die ganze Welt ist ein einziger Dreck, jawohl.

      Die Abenddämmerung kündigte sich durch das Heraufziehen von Schleiern am Horizont an. Finnegan blickte noch einmal auf, ohne Hoffnung, ohne jede Zuversicht, es könne sich doch noch etwas ereignen, das ihnen die Rettung brachte.

      Plötzlich aber gewahrte er etwas, das zuvor nicht dagewesen war. Er hob den Kopf.

      „Paddy“, sagte er leise. „Es ist doch nicht mehr so heiß, daß es eine Fata Morgana geben könnte, nicht wahr?“

      „Eine was?“

      „Na, eine Luftspiegelung, die dir irgendwas vortäuscht. Sieh doch mal genau hin. Dort drüben, an der südwestlichen Kimm – sind das nicht Masten?“

      Rogers erhob sich mit einem Ruck und schirmte seine Augen mit der Hand gegen das verblassende rötliche Sonnenlicht ab.

      „Jawohl, Mann!“ stieß er plötzlich aus. „Das sind Masten – drei Stück!“

      Nun stand auch Finnegan auf. Sie hielten gemeinsam Ausschau nach dem nahenden Schiff, einer Galeone, kletterten in den Wanten hoch, soweit sie konnten, winkten wie die Verrückten, lachten und schrien: „Ho, he! Hierher! Holt uns hier weg, laßt uns hier nicht sitzen! Hierher!“

      Schon packte sie die Angst, die Besatzung der Galeone könne sie nicht gesichtet haben, doch ihre Furcht war unbegründet. Der Ausguck der „Mercure“ hatte sie entdeckt, das Schiff lurte an und drehte noch vor Einbruch der Dunkelheit bei der gesunkenen „Zeland“ bei. Eine Jolle wurde in Lee abgefiert und bemannt und glitt auf die aus dem Wasser ragende Plattform zu.

      „Was treibt ihr denn da oben?“ rief einer der Rudergasten auf französisch.

      „Ich versteh’ kein Wort!“ erwiderte Jack Finnegan. „Könnt ihr Englisch oder Holländisch?“

      Da richtete sich ein rothaariger Riese von der Heckducht des Bootes auf und sagte: „Englisch? Sag’ bloß, du bist ein Landsmann.“

      „Engländer, jawohl!“ stieß Finnegan aufgeregt hervor. „Aus Harwich, Sir! Bin bei der Nordseefischerei gewesen, aber dann hat mich die verdammte Idee gepackt, auf einem verfluchten Käsefresser anzuheuern. Na, und so ist das alles passiert. Der Kahn

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