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Höhle lagerte.

      Die „Empress“ war ihnen wichtiger als jeder irdische Reichtum. In dem Punkt stimmten sie mit Old Donegal überein, wenn sie es auch nicht hinausbrüllten.

      Die drei Jollen wurden zu Wasser gebracht, und nachdem die Männer ein Stück gepullt hatten, setzten sie Segel und gingen auf Kurs Nordwest – weit genug entfernt von der „San Jacinto“, die noch immer vor ihren beiden Bugankern lag.

      Old Donegal hatte den Platz auf der Achterducht der Empress-Jolle eingenommen. Verstohlen wischte er sich von Zeit zu Zeit über die Augen, doch er konnte den Männern auf den Duchten nicht verheimlichen, daß diese Augen tränenfeucht waren.

      Auf der spanischen Galeone hatte unterdessen Geschrei eingesetzt. Gestikulierend hasteten die Kerle an Deck hin und her, nachdem sie minutenlang von der Back aus herübergestarrt hatten.

      Die Männer vom Bund der Korsaren beachteten sie nicht. Ihnen erging es kaum anders als dem alten O’Flynn, der vor Rührung wieder völlig stumm geworden war. Ein seltsames Würgen in der Kehle konnte keiner der Männer leugnen, wenn er darüber nachdachte, auf welch wundersame Weise die „Empress“ in Wind und Wetter ausgerechnet hierher, zu den Cat Cays, getrieben worden war.

      Man würde es in Zukunft verteufelt schwer haben, dem alten O’Flynn zu widersprechen, wenn der von seinen übersinnlichen Mächten schwafelte. Wie, in aller Welt, sollte man die Rückkehr der „Empress“ mit logischen Begründungen erklären?

       6.

      Julio Acosta hatte im ersten Moment geglaubt, durchdrehen zu müssen. Was sich diese verfluchten neun Kerle aus der Bucht leisteten, war die unglaublichste Dreistigkeit, die er jemals erlebt hatte.

      Nicht genug, daß dieses merkwürdige Gespensterschiff wie aus dem Nichts auftauchte. Nein, die Hurensöhne brachten auch noch ihre Jollen zu Wasser und hielten wie die Verrückten auf diesen kleinen Eimer zu, der ohne eine Menschenseele an Bord dahintrieb!

      Acosta nahm sich nicht die Zeit, über die Zusammenhänge nachzudenken, die hinter diesem ganzen rätselhaften Geschehen standen. Er mußte aufpassen, daß ihm die Fäden nicht aus der Hand glitten.

      Haargenau das konnte der Fall sein, wenn es den Goldräubern gelang, das Weite zu suchen. Möglich immerhin, daß sie das Gold auf einer anderen Insel versteckt hatten. Oder aber, es befand sich in den Laderäumen dieser kleinen Karavelle. Nein, dazu war der Kahn nicht groß genug. Aber ein Teil des Goldes?

      Die Gedanken überschlugen sich in Acostas Kopf.

      Er riß sich zusammen und versuchte, in sich selbst und in das Geschehen an Deck Ordnung zu bringen.

      Etliche der Kerle waren noch schlaftrunken, wie sie auf der Kuhl durcheinanderpolterten, um Musketen und Munition herbeizuschaffen.

      Acosta trat an die achtere Querbalustrade der Back.

      „Alle Mann zu mir!“ brüllte er. „Los, los, bewegt euch! Oder wollt ihr, daß die Bastarde uns entwischen?“

      Das wirkte ein wenig.

      Immerhin schafften sie es, ein Dutzend Musketen auf die Back zu bringen und zu laden. Die Waffen waren nach dem nächtlichen Alarm noch nicht einmal gereinigt worden. Aber zur Not mußte eine Kugel eben auch in einen von Pulverschleim verkrusteten Lauf getrieben werden.

      Prado und Morro griffen sich selbst Langwaffen, nachdem sie drei weitere Musketenschützen eingeteilt hatten. Auch Acosta versorgte sich mit einer Waffe.

      „Alle anderen laden nach!“ befahl er.

      Sie ließen es sich nicht zweimal sagen, gingen zwischen den Niedergängen zur Back in Deckung und hantierten eifrig mit Pulver, Bleikugeln und den langen Läufen.

      Der Schwarzbärtige nahm unterdessen die mittlere der drei Jollen aufs Korn, die bei dem Westwind über Steuerbordbug segelten. Prado und Morro feuerten bereits. Auch die Musketen der drei anderen krachten. Fetter, schwarzgrauer Pulverrauch wölkte auf, legte sich beißend in die Atemwege der Männer und wurde gleich darauf vom Wind auseinandergetrieben.

      Alle Schüsse lagen zu kurz.

      Acosta sah es an den kleinen Fontänen, die hinter den Spiegeln der Jollen aus dem rauhen Wasser gerissen wurden.

      Er hatte den Kerl mit dem Holzbein im Visier, der auf der Achterducht der mittleren Jolle hockte. Dieser alte Schrat, der so höhnisch meckernd lachen konnte, sollte die erste wirklich gutgezielte Kugel von der „San Jacinto“ einfangen!

      Acosta erhöhte die Visierlinie und versuchte es mit einem Steilschuß, wie er dem Hurensohn am Strand geglückt war, als die Floßbesatzung die Lotungen vorgenommen hatte.

      Die Muskete des Schwarzbärtigen spie Feuer, Rauch und Blei. Er hielt den Atem an, ließ die Waffe im Anschlag und wartete darauf, daß der Alte außenbords kippte.

      Nichts.

      Stur und unerschütterlich hockte der Kerl auf seiner Ducht und ließ sich nicht einmal vom Krachen der Schüsse beeindrucken. Ebensowenig die anderen. Ein verdammter Haufen von Haderlumpen war das, die die Frechheit für sich gepachtet hatten. Acosta glaubte, ein Loch im Segel der mittleren Jolle zu erkennen. Aber auf die Entfernung konnte er es ohne Spektiv nicht genau feststellen.

      Er ließ sich eine neue Muskete reichen, während Prado, Morro und die anderen bereits weiterfeuerten.

      Wieder ohne Ergebnis. Die Kugeln lagen samt und sonders zu kurz, und mit Steilschüssen hatten weder der Schwarzbärtige noch einer der anderen auch nur ein Quentchen Glück.

      „Feuer einstellen“, sagte Acosta resignierend. „Was wir hier treiben, ist nur Munitionsverschwendung.“

      Prado und Morro sahen ihn an.

      „Und?“ entgegnete der Bootsmann. „Hast du einen besseren Vorschlag?“

      „Allerdings“, sagte Acosta grinsend. „Wir setzen Segel und schnappen uns die Bastarde mitsamt ihrem Gespensterkahn.“

      „Wozu soll denn das gut sein?“ sagte Morro knurrend und mit gerunzelter Stirn. „Ich denke, das Gold liegt auf der Insel? Mehr wollen wir ja gar nicht. Lassen wir die Kerle doch abhauen.“

      „Meine ich auch“, sagte Prado. „Wozu die unnötige Mühe?“

      Acosta kniff die Augen zusammen und gab seinem Gesicht einen listigen Ausdruck.

      „Das sieht man mal wieder, daß es anscheinend nicht ausreicht, wenn nur zwei Mann denken.“

      „Beleidigen können wir uns selber!“ schnappte Morro.

      Acosta wedelte mit der Hand.

      „Mann, reg dich nicht künstlich auf. Habt ihr schon mal dran gedacht, daß das Gold vielleicht gar nicht auf dieser, sondern auf einer anderen Insel ist?“

      Prado und Morro wechselten einen erstaunten Blick.

      „Aber das ergibt doch keinen Sinn“, erwiderte der ehemalige Bootsmann der „Viento Este“. „Weshalb sollten sie sich dann hier versteckt haben?“

      Der Schwarzbärtige zog die Schultern hoch.

      „Kann ja auch sein, daß sie Angst vor uns hatten, oder? Aber ernsthaft: Muß denn immer alles einen Sinn haben? Vielleicht gibt es da Sachen, die wir uns nur nicht zusammenreimen können. Was würdet ihr davon halten, wenn sie das Gold auf eine der anderen Inseln geschafft haben und dann in einem neuen Sturm abgetrieben wurden und hier in der Bucht Schutz fanden? Ihr Kahn taucht durch einen verrückten Zufall wieder auf, und jetzt sind sie total aus dem Häuschen. Kann auch sein, daß sie einen Teil unseres Goldes in diese kleine Karavelle geladen haben.“

      Prado rieb sich nachdenklich das Kinn.

      Morro zog die Brauen zusammen. In seinen Augen war abzulesen, daß ihm das alles viel zu kompliziert war.

      „Was du sagst“, entgegnete Prado nach einer Weile, „kann man nicht ganz vom

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