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      Es folgten Perlhuhn in Amalfizitrone, Rahmsoße, Grießnocken. Filet von Würzbachtalforelle auf Heckengäulinsen. Ich hatte bis dato keine Ahnung, was Heckengäulinsen sind, meine Schwiegermutter hatte das Menü bestellt. Die Location ausgesucht. Sie liebt das Außergewöhnliche, den Luxus. Sie schielte mittlerweile wie eine Beutelratte: »Mmmmh«

      Für dieses Hochzeitsessen gingen ihre gesamten Ersparnisse drauf.

      »Mein einziges Kind ist mir das wert« flüsterte sie mir ergriffen zu.

      »Als Friseurin verdient man ja nicht allzu viel«

      »Ich muss mal« gab ich zurück, ging so unauffällig wie möglich nach draußen, wo der Typ vom Pizza Service schon auf mich wartete, riss ihm den duftenden Karton förmlich aus der Hand und steckte ihm einen 20Euro-Schein zu.

      »Stimmt so« sagte ich, setzte mich in mein Auto und stopfte heißhungrig die Thunfisch-Pizza in mich hinein, die ich per Handy und von der Herren-Toilette aus geordert hatte. Danach war ich aufgeschlossener gegenüber dem Göschle voll Valrhona-Schokoladenpudding, Aprikosenconfit und Vanille Glace, das als Nachtisch gebracht wurde.

      »Ein himmlisches Dessert« seufzte meine schielende Schwiegermutter.

      »Ein himmlisches Dessert« echote meine Traumfrau. Und auch Oma Klärchen verdrehte verzückt die Augen und seufzte: »Das ist der schönste Tag in meinem Leben, Bub«

      Ich wollte meine bescheidene Eineinhalb-Zimmer-Wohnung in Bad Cannstatt auflösen, wollte, um die Mietkosten zu sparen, während der Bauphase unseres Hauses bei meiner Oma wohnen. »Du hast einen Knall, Olli« meinte Oma Klärchen, als ich ihr den Vorschlag unterbreitete. »Eheleute gehören zusammen«

      »Wo sie Recht hat, hat sie Recht« sagte meine Schwiegermutter. Und auch Dania nickte. So zog ich gleich nach unserer Hochzeit in die Wohnung meiner Schwiegermutter in Stuttgart-Berg.

       3. Kapitel

      Das erste Jahr ging schnell vorüber. Seit ein paar Wochen schon wohnen wir in unserem Reihenhäuschen in Stuttgart-Feuerbach. Links neben unserer Haustür führt ein schmaler Weg zu unserer Erdgeschosswohnung. Meine Schwiegermutter fühlt sich sehr wohl in ihrem Puppenstubenreich dort unten im Keller. Sie verfügt über ein kleines Badezimmer mit Dusche, eine Miniküche, ein Schlafzimmer und einen Wohnbereich mit direktem Zugang zu unserer Terrasse, den sie nicht allzu häufig nutzen wird, wie ich hoffe.

      Wir drei verstehen uns gut, von den kaum erwähnenswerten Reibereien, die wir in der viel zu kleinen Wohnung in Stuttgart-Berg hatten, einmal abgesehen. Kein großes Kunststück, wir sehen uns nur am Wochenende und meist auch nur für ein paar Stunden. Ich spiele montags und freitags Fußball in der Sportvereinigung Feuerbach. Gleich nach Feierabend. Danach gehe ich mit den Kumpels noch was trinken, schwuppdiwupp ist es dann meist auch schon Mitternacht, manchmal auch etwas später.

      Meine Ehefrau ist kinosüchtig. Sie nutzt jeden Dienstag und Freitag die Kinotage im Ufa-Palast. Und weil an diesen Tagen der Einlass nur 5 Euro kostet, schaut sie sich über »Doktorspiele«, »Biene Maja« und »Drachenzähmen« so ziemlich alles an was geboten wird, mit ihrer Mama natürlich. Samstags erledigen meine zwei Frauen gemeinsam die Hausarbeit. Alles was halt so angefallen und liegengeblieben ist unter der Woche. Mich schicken sie gleich nach dem Frühstück mit dem Einkaufszettel los. Auch für das Getränke holen und das Altpapier entsorgen bin ich zuständig, also ist der halbe Samstag auch schon weg. Sonntags besuchen meine Schwiegermutter und meine Ehefrau den Gottesdienst in der St. Josef Kirche, halten anschließend noch einen Plausch mit dem Herrn Pfarrer.

      Wenn meine Damen dann so gegen 12.30 Uhr zurückkommen, gibt es Mittagessen: Rostbraten mit Spätzle und schwäbischen Kartoffelsalat - unser Sonntagsund Feiertagsessen. Und wenn meine Schwiegermutter und meine Ehefrau danach die Küche sauber machen, gönne ich mir ein Nickerchen. Somit ist der halbe Sonntag auch schon rum.

      Nach meinem Mittagsschlaf mache ich mich auf den Weg zum Sportplatz. Und nach dem Fußballspiel trinke ich mit meinen Kumpels noch ein Pilschen, meist ein zweites, manchmal auch ein drittes.

      Es könnte alles so schön sein. Aber wenn ich heimkomme, hocken meine Schwiegermutter, meine Ehefrau und meine Oma nebeneinander auf dem Sofa wie die Hühner auf der Stange und stricken wie besessen: Handschühchen in rosa, Handschühchen in gelb und Handschühchen in hellblau.

      Auf dem Tisch liegen bergeweise Erstlings-Ausstattungkataloge. Mann, was willst du mehr, oder? Ich fühle Druck. Verdammt viel Druck!

       4. Kapitel

      Wie jeden Morgen schmiert meine Schwiegermutter meine Vesperbrote fürs Geschäft, während Dania sich im Badezimmer für ihre Arbeit am Stuttgarter Flughafen stylt. Heute gibt es Erdbeermarmeladenbrote. Zwei Erdbeermarmeladenbrote fürs Frühstück und zwei Himbeermarmeladenbrote als Mittagessen. Die Marmelade frisch gekocht aus Beeren aus unserem Vorgarten. Mit Zettelchen versehen. Damit ich die Frühstücksbrote nicht mit den Mittagsbroten verwechseln kann. Dazu gibt es eine Thermoskanne mit Tee, Melisse oder Fenchel.

      Sie steckt die Brote in den Beutel aus Leinen, den sie mir, selbst genäht und selbst bestickt, letztes Jahr zu Weihnachten geschenkt hatte, bringt ihn nebst der Thermoskanne in meiner Aktentasche unter. Auch ein Geschenk von ihr. Zum Geburtstag. Ich hasse Aktentaschen. Vor allem hellbraune. Die Dinger sind etwas für Opas, wie ich meine. Aber was sollte ich machen, ohne undankbar zu erscheinen? Immer, wenn ich nicht so will, wie meine Damen wollen, bin ich der böse Bube.

      So hätte ich z. B. ganz gerne einen Fliederbusch in unserem Vorgarten gehabt. So wie meine Uroma. Außerdem Blumen: Tulpen, Narzissen, einen blutroten Rosenstock … Um die Geschichte kurz zu halten: Meine Schwiegermutter konnte sich wieder einmal durchsetzen. Jetzt wächst bei uns alles wild durcheinander: Brombeeren, Himbeeren, Lauch, Kartoffeln, Radieschen, Krautköpfe, Fenchel, Melisse und Unkraut-Blumen.

      »So ein hinreißendes Arrangement hat nicht jeder« meint sie. Und, dass das ganze Durcheinander neue Impulse seien.

      »Ich will Brezeln zum Frühstück« mache ich meiner Ehefrau klar. »Mit viel Butter drauf. Salzbutter! Ein, zwei Fleischkäsweckle. Und Kaffee. Viel Kaffee! Keinen Tee. Weder Melissentee, noch sonst einen Tee. Ich habe Tee noch nie gemocht. Ihn nur getrunken, wenn ich mich todkrank fühlte. Und zu Mittag will ich was Warmes in den Bauch! Keine Marmeladenbrote. Ich steh auf schwäbische Hausmannskost: Linsen mit Spätzle und Saitenwürschtle. Eine Gulaschsuppe mit viel Fleichbröckele drin, Bauernbrot dazu, Sauerbraten mit Knödeln, Gaisburger Marsch, Saure Kutteln mit Bratkartoffeln, Kässpätzle, Wurstspätzle, Krautspätzle. Wo ist denn da das Problem, verdammt noch mal?«

      »Warum machst du wegen des Vespers so ein Geschrei, Olli?« gibt sie empört zurück.

      »Ich arbeite wie ein Mann, also will ich auch essen wie ein Mann«

      »Sei dankbar, Olli. Nicht jeder bekommt von seiner Schwiegermutter die Brote fürs Geschäft geschmiert. Die Mama meint es doch nur gut mit dir. Und wer weiß, wie lange wir die Mama noch haben werden«

      Meine Ehefrau sieht grantig aus, ihren Standardsatz sollte ich noch viele Male zu hören bekommen. Er lässt mir jedes Mal von neuem kalte Schauer über den Rücken laufen. Gisela ist erst 62 Jahre alt, fit wie ein Turnschuh, und ich fürchte, sie wird so alt werden wie Methusalem.

       5. Kapitel

      Auf welche Ideen meine Schwiegermutter manchmal kommt, das haut dem Fass glatt den Boden raus. Neben meinem Frühstücksteller liegt ein rosaroter Briefumschlag. Er riecht nach Parfüm. Nach Veilchen, Maiglöckchen, Lilien, Jasmin. So was in der Richtung. Ein Briefumschlag mit einem Duft wie für eine Schwuchtel. Aber es steht mein Name drauf. Mein voller Name, wie ich überrascht feststelle. Oliver Sven Nägele. Und mir wird schon im Vorfeld angst und bange. Was habe ich jetzt schon wieder falsch gemacht, frage ich mich.

      Das »i« bei Oliver ziert ein rotes Herz statt Punkt. Das ist ja schon mal positiv, wie ich meine. Ich drehe

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