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nahm ihre Reisetasche aus dem Auto, folgte Madame Blanc und fand sich in einem großen Raum wieder. Die Nachtbeleuchtung ließ alles in einem gedämpften Licht erscheinen, aber Aurelie konnte die weißen Landhausmöbel und die wundervolle Keramik mit getrockneten Lavendel- und Rosensträußen trotzdem eingehend bewundern. Es duftete nach würzigen Kräutern und alles wirkte gastfreundlich.

      Aurelie legte ihren rosa Sonnenhut auf einen weißen Metalltisch und band das rosa Band an ihrem langen blonden Zopf fester. Sie merkte, dass Madame Blanc sie mit großen Augen ansah.

      »Ist etwas nicht in Ordnung? Soll ich meinen Sonnenhut wo anders hinlegen?«

      Madame Blanc schüttelte den Kopf.

      »Nein, nein lassen Sie nur. Ich glaube, alles ist in Ordnung.«

      »Wie meinen …«

      Aurelie konnte ihre Frage nicht zu Ende sprechen.

      »Ist sie endlich hier, Odile?«

      Jemand kam näher und blieb vor Madame Blanc stehen.

      Aurelie war gleichzeitig fasziniert und erschrocken.

      »Ja, das ist Aurelie Rosier, Monsieur.«

      Der große dunkelhaarige Mann musterte Aurelie, hob kurz seine Augenbrauen und sah sie mit sonderbarem Blick an, dann wandte er sich wieder an Odile Blanc.

      »Morgen um zehn Uhr. Pünktlich. Bonne nuit, Odile.«

      Er drehte sich wieder zu Aurelie.

      »Bonne nuit, Mademoiselle«, sagte er mit dunkler Stimme, sah sie erneut sekundenlang mit finsterem Blick an und ging davon.«

      »Ich bin wohl nicht sehr willkommen.«

      Odile legte ihre Hand auf Aurelies Arm, lächelte und führte sie weiter.

      »Lassen Sie sich nicht einschüchtern. Monsieur Durand ist sehr charmant … wenn er will.«

      »Wer ist er«, entfuhr es Aurelie und ärgerte sich gleichzeitig über ihre Neugier.«

      »Das ist Monsieur Olivier Durand. Er ist Madame de Rocieres Rechtsanwalt und wird morgen mit Ihnen sprechen.«

      Aurelie versuchte ihre Enttäuschung zu verbergen, hatte sie doch gehofft, dass Madame de Rociere sie empfangen würde.

      »Wohnt Madames Rechtsanwalt hier?«

      Odile lachte.

      »Ja, denn er gehört zur Familie.«

      Odile Blanc sah sie kurz an und sprach dann in vertraulicher Art weiter.

      »Madame hat vor vielen Jahren den kleinen Sohn ihrer innigen Freundin bei ihr aufgenommen und ihn wie ihren eigenen Sohn aufgezogen.«

      »Ich verstehe. Und jetzt komme ich und …«

      Aurelie fühlte sich plötzlich gar nicht mehr so wohl.

      Odile Blanc öffnete eine Tür und Aurelie war begeistert von dem, das sie sah. Ihr Missbehagen, das gerade aufkommen wollte, verschwand wieder. Das Zimmer war ebenso in weißem Landhausstil eingerichtet. Es duftete nach Lavendel und die unzähligen liebevoll gestalteten Dekorationen rundeten die Einrichtung ab. Aurelie nahm einen kleinen weißen Keramikengel von einer Anrichte.

      Odile lächelte. »Bonne nuit, Mademoiselle. Ich hole Sie morgen um 9:30 ab.«

      Odile drehte sich an der Tür noch einmal um. »Nennen Sie mich Odile.«

      »Danke, Odile.«

      o

      Aurelie war versucht davonzulaufen. Olivier Durand hatte vor sich Schriftstücke liegen, las darin und hatte noch kein einziges Mal aufgeblickt. Er hatte nur gegrüßt, als Odile sie vor ein paar Minuten hergebracht hatte. Ließ er sie absichtlich warten? Wollte er ihr zeigen wie unerwünscht sie war?

      Sie hatte monatelang recherchiert. War die Mühe umsonst gewesen? Vielleicht hätte sie die Vergangenheit ruhen lassen sollen?

      Während die Gedanken sie überfielen, musste sie sich beherrschen, Olivier Durand nicht allzu auffallend zu mustern, doch es gelang ihr einfach nicht sich von dem männlich geschnittenen Gesichtszügen abzuwenden. Sein schwarzes Haar schimmerte im Sonnenlicht, das durch das große Fenster fiel und Aurelie fiel der dunkle Zauberer eines Märchens ein.

      Sie schwelgte wie ein Teenager in Fantasien, doch sie war nicht zum fantasieren hier.

      Sie seufzte hörbar. Wo war nur Madame de Rociere?

      »Sind Sie nervös?« Oliviers Stimme klang amüsiert.

      Aurelie spürte, dass ihre Wangen zu glühen begannen.

      »Nein. Ich dachte nur …« Was war nur los mit ihr? Weshalb verwirrte sie dieser Mann so?

      Olivier konnte scheinbar Gedanken lesen.

      »Madame de Rociere kann den vereinbarten Termin nicht einhalten, denn sie ist noch einige Tage in Avignon. Solange müssen Sie mit mir sprechen.«

      Warum nur war sie so aufgewühlt? Fasse dich, Aurelie.

      »Also gut.« Oliviers Stimme klang wieder so unnahbar, wie bei der ersten Begegnung. Er legte die Schriftstücke beiseite und nahm das oberste Blatt in die Hand.

      »Nach ihrem Brief zu schließen, meinen Sie, dass Madame Fabienne de Rociere ihre Großmutter ist? Wie sind Sie zu dieser Vermutung gekommen?«

      Aurelie schluckte. Sie kam sich plötzlich wie ein Eindringling vor. Dass ihre Nachforschungen Konsequenzen haben könnten, daran hatte sie nicht gedacht.

      »Bevor meine Mutter starb, hatte sie mir gesagt, dass der richtige Name meines Vaters auf dem Foto steht, das sie aufbewahrt und immer bei sich getragen hatte. Ich wollte nun mehr über meinen Vater, dessen Name Vincent de Rociere war, erfahren und meine Recherchen führten mich hier her.«

      »Eine sehr vage Ausführung. Ein Name auf einem Foto ist kein Beweis. Trotzdem sind wir sehr neugierig auf Sie und haben Sie deshalb eingeladen, um Licht in die Sache zu bringen. Hatte ihre Mutter noch einen anderen Beweis?«

      Olivier lehnte sich zurück und verschränkte die Arme.

      Aurelie fühlte sich immer unbehaglicher.

      »Mehr kann ich Ihnen nicht bieten. Wenn ich bessere Beweise hätte, dann hätte ich Sie Ihnen gegeben.«

      Aurelie rutschte an den Stuhlrand.

      »Zeigen Sie mir das Foto.«

      Olivier schien jede ihrer Regungen zu verfolgen. So hatte sie sich das alles nicht vorgestellt. Sie versuchte ihre Gedanken zu ordnen, holte das Foto aus ihrer Mappe und reichte es Olivier. Als sich ihre Finger berührten war es so, als ob sie elektrischer Strom durchfuhr und zum ersten Mal sah sie Olivier lachen. Er hatte ein faszinierendes Lachen, das sie unter anderen Umständen angesteckt hätte.

      »Sie sind wohl sehr geladen.« Er betrachtete das Foto, drehte es um, las und gab es ihr wieder.

      »Wenn Sie die Rückseite oben genau betrachten, können Sie eine Zahl sehen. Vincent de Rociere war Künstler und das ist eines der Autogrammfotos. Diese Fotos gibt es überall.«

      Aurelie rutschte noch weiter an den Rand des Stuhls und richtete sich gerade auf. Sie hörte nicht mehr was ihr Gegenüber weiter sprach. Ihr wurde nur bewusst, dass sie wie eine Lügnerin wirkte. Ohne klar zu denken, stand sie auf und flüchtete in ihr Zimmer, nahm die Reisetasche und begann zu packen. Dann hielt sie inne und schloss kurz die Augen. Was machte sie nur? Sie benahm sich reichlich albern.

      Es klopfte an der Tür. Bevor Aurelie etwas sagen konnte, wurde sie bereits geöffnet und Olivier Durand stand vor ihr.

      »Sind Sie eigentlich erwachsen? Finden Sie nicht, dass Sie sich infantil verhalten?«

      Sie wusste selbst nicht weshalb sie wie ein trotziges Kind reagierte. »Sie haben mir zwischen den Zeilen mitgeteilt, dass die Fotos in viele Hände gelangten, vermutlich auch in die Hände meiner Mutter, die sich daraufhin eine Lügengeschichte

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