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Berlin«. Über zweitausend Mann stark sei diese neue Polizei. Auch hier wären viele Kollaborateure am Werk.

      Knesebeck nickte zerstreut. Er hatte im Moment nicht den Nerv für solche Neuigkeiten. Der Major zog den Kurier zur Seite. »Was ich Ihnen jetzt sage, ist brisant. Ich hoffe, dass ich mich hier auf Ihn verlassen kann.«

      Bogislav von Hummel nickte. Dann traten die beiden Männer in das kleine Gasthaus direkt an der Wassermühle ein.

      Hummel lauschte dem leise vorgebrachten Anliegen des Majors. Nach einem kurzen Zögern berichtete er ihm von einer Gruppe aufrechter Patrioten, die ein ähnliches Ziel verfolge und die natürlich auf eine Unterstützung seitens des Hofes …

      Knesebeck hob die Hand.

      Von einer offiziellen Unterstützung könne hier nicht die Rede sein. Dazu wäre das Ganze doch zu brisant. Aber es wäre hilfreich, diese Leute zu fördern. Damit holte er ein Säckchen mit Silbertalern hervor. Hummel überschlug kurz, wieviel Taler in diesem Säckchen sein konnten. Knesebeck unterbrach ihn. »Es sind 250 Reichstaler. Davon kann man einige brauchbare Dinge erwerben, die dem Unternehmen nützen können. Ich hoffe doch, Ihr geht sorgsam mit dem anvertrautem Gelde um und wisst es richtig einzusetzen.«

      Bogislav von Hummel nickte. Er würde schon am nächsten Morgen zurück nach Berlin reiten.

      Scholetzkis Fundsachen

      

       Der Schwielowsee und das Dörfchen Petzow

      

       Vom Wasser kann man manchmal nicht genug bekommen. Rings um Potsdam ist wohl die wasserreichste Gegend der Mark zu finden. Die Havel bildet ein weitverzweigtes Netz von Seitenarmen, die sich in zahlreiche Seen ergießen. Der größte und schönste dieser

       Havelseen ist der Schwielowsee, an dessen Ufern viele Dörfer und das Städtchen Werder liegen. Ein Kanalnetz, das in den letzten beiden Jahrhunderten von Menschenhand geschaffen wurde, verbindet die Seenwelt untereinander und führt auch Spree- und Dahmewasser herbei. Entsprechend viel Schiffsverkehr ist auf dem Wassernetz unterwegs. Hier treffen alle Wasserwege zusammen, um den Moloch Berlin mit allem, was zu Wasser transportiert werden kann, zu versorgen.

       Im Dörfchen Petzow sind ein paar Ausflugsrestaurants und Cafés geöffnet. Direkt am Schloss gibt es eine kleine Straße mit diversen Lokalen.

       Schloss Petzow ist umgeben von einer zauberhaften Parklandschaft, die der preußische Gartenbaumeister Peter Joseph Lenné anlegen ließ. Das neugotische Schloss und das Kirchlein auf dem Hügel wurden vom großen Karl Friedrich Schinkel entworfen. Vor dem Schloss verkaufen die Bauern ihre selbstgemachten Konfitüren und Imkerhonig, dazu frisches Obst aus den umliegenden Gärten.

       Kein Mensch denkt dabei zurück an die alten Zeiten, als auf dem Petzower Herrensitz ein unbarmherziger Patron residierte. Die Barone von Kähne waren berüchtigt für ihre Ruppigkeit und Fortschrittsfeindlichkeit.

       Der alte Kähne, ein dem Großbauernstand entstammender Neureicher, hatte sich erfolgreich gegen eine Elektrifizierung seines Gutes und des Dorfes gewehrt. Sogar die Anbindung Petzows ans Eisenbahnnetz wurde von ihm verhindert. Die Leute aus dem Dorf machten einen großen Bogen um den alten Kähne. Man musste mit allem rechnen. Mal hetzte er die Hundemeute auf die Menschen, mal ballerte er mit seiner Schrotflinte wahllos herum.

       Davon ist heute nichts mehr zu spüren. Friedlich liegen Schloss und Park am Schwielowsee. Im kleinen Lenné-Park von Petzow gibt es einen noch kleineren See. Ein Stichkanal versorgt den Parksee mit Havelwasser. Im Sommer schimmert er satt türkis. Die Havel fließt dahinter als breites blaues Band.

       Petzow ist eine Idylle. Das Dörfchen mit der Schinkelschen Klinkersteinkirche auf dem Hügel und das Gründerzeitschloss gehören mit zu den oft besuchten Orten am Schwielowsee. Leider ist das schöne Gebäude nach einem hoffnungsvollen Neubeginn als Hotel wieder mal verwaist. Ein neuer Investor muss her. Aber seriöse Anbieter sind rar ... Brüchig ist die Petzower Idylle.

      

      

      I

      Petzow am Schwielowsee

      Samstag, 23. Dezember 2006

      Dr. Ingolf Anton Scholetzki, seines Zeichens Archivar und promovierter Historiker im Archiv der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Außenstelle Schloss Lindstedt, lebte als Privatmensch in dem kleinen Dörfchen Petzow.

      Petzow am Schwielowsee galt als stilles und ruhiges Dorf. Genau das wollte Scholetzki auch. Ein Rückzugsgebiet, welches ihm genügend Freiraum für Kontemplation und Müßiggang gestattete.

      Petzow hatte ein Schloss mit zugehörigem Park, eine romantische Kirche auf einem bewaldeten Hügel, und eine große Gärtnerei mit Glashäusern und Grünflächen. Orte, die Scholetzki zu schätzen wusste. Jeden Abend ging er mit seinem großen, blauschwarz bepelzten Rassekater, den er aus einem Spleen heraus Fürst Oblomow nannte, einen kleinen Rundweg entlang. Erstaunlicherweise folgte der große Kater ihm wie ein kleiner Hund direkt bei Fuß.

      Scholetzki lief langsam und bedächtig seine Runde, brauchte für die knapp zwei Kilometer meist eine Stunde. Oft blieb er stehen, schaute auf den Schwielowsee, der in den Abendstunden silbern schimmernd vor ihm lag, saß ein paar Minuten auf der kleinen Bank unterhalb der Alten Schmiede direkt am kleinen Schlossteich, zählte die Enten, die darauf herum paddelten und erklomm mit bedächtigen Schritten den kleinen Hügel hinauf zur Petzower Schinkelkirche.

      Gleich hinter der Kirche gab es eine kleine Stelle, die einen Blick auf die Grellbucht zuließ. Die Grellbucht war schon dem Glindower See zugehörig. Die alte Ziegeleikolonie Glindow konnte er von hier oben ebenfalls beobachten. Scholetzki mochte die Tour. Drei verschiedene Seen am Weg, das gab es nicht so oft …

      Scholetzkis Bank war in den Abendstunden nie besetzt. Sicherheitshalber hatte er aber stets ein kleines Kissen mit. Wenn er es nicht selber nutzte, war es für Fürst Oblomow ein willkommenes Ruhekissen.

      In der dunklen Jahreszeit war der Ausblick nicht so spektakulär. Glindow machte sich nur durch seine Lichter bemerkbar. Die kleine Bank war nass und kalt. Scholetzkis Kissen kam zum Einsatz.

      Er hatte den ganzen Tag damit verbracht, die drei Folianten, die er gestern geschenkt bekommen hatte, zu sichten und zu sortieren. Es war für ihn ein wirkliches Abenteuer, in die Vergangenheit einzutauchen und längst vergangenen Personen wieder Leben einzuhauchen. Vor seinem geistigen Auge begann ein Theaterstück, dass schon lange nicht mehr gespielt worden war.

      Mit jedem neuen Dokument kam eine Szene hinzu, brachte etwas mehr Licht in das langsam verblassende Szenario, das mit jedem neuen Jahr weiter in der Vergangenheit verschwand.

      Die von ihm als Kieselblatt-Akten benannten Folianten enthielten eine Vielzahl sehr unterschiedlicher Dokumente. Der Geheimrat Kieselblatt war ein pedantischer Mensch, jedes Zettelchen schien er aufgehoben zu haben. Scholetzki war dem Namen Kieselblatt nur marginal begegnet. Er gehörte zu der kaiserlichen Beamtenriege, die berühmt dafür war, alles akribisch zu notieren und im Paragraphenwald des Deutschen Kaiserreichs zu versenken. Als Geheimrat am Tegeler Amtsgericht hatte er eine nicht sofort erkennbare Stellung bekleidet. Was genau ein Mann wie Kieselblatt machte, konnte sich Scholetzki schon vorstellen.

      In den Folianten waren jede Menge Briefe, die das kaiserliche Wappen im Kopfbogen führten. Korrespondenz zwischen dem Kaiserhaus und diversen Dienststellen in Potsdam und anderen preußischen Städten. Es ging um Gelder, die wohl dem Kaiserhaus zugesagt worden waren und noch nicht bei den zugehörigen Amtsstellen eingetroffen waren.

      Kieselblatt oblag die Koordinierung der Finanzen dieser großangelegten Geldsammlung. Wozu das Kaiserhaus die Gelder benötigte, ging aus der Korrespondenz nicht hervor.

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