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herbei gerufen wurde. Um es kurz zu machen: die Unfallsache war unerquicklich, aber nicht so relevant für das, was ich Ihnen jetzt zu berichten habe. Bei einem beiläufigem Gespräch mit dem Hausmeister auf Gut Lankenhorst, einem gewissen Meinrad Zwiebel, erwähnte dieser seltsame Vogelkadaverfunde, die in letzter Zeit hier im Park zu beobachten gewesen seien.

      Ihm war die Häufung von toten Vögeln schon etwas eher aufgefallen. Erstaunlicherweise handelte es sich dabei um Vogelarten, die hier im Lankenhorster Moor und im angrenzenden Ladeburger Forst eigentlich gar nicht vorkamen. Speziell Kraniche waren ihm aufgefallen, teilweise waren noch andere, ihm unbekannte Wasservögel dabei.

      Einen Höhepunkt hatte es letzte Nacht gegeben. Der Baron von Quappendorff, der auch der Schlossherr auf Lankenhorst ist, habe ihn darauf angesprochen, doch die Vogelkadaver vor der Eingangstreppe zu beseitigen. Dort war ein kunstvoll ineinander verschlungener Haufen aus bestimmt zehn toten Kranichen und anderen Vögeln aufgeschichtet. Zwiebel war regelrecht geschockt. Die Vögel taten ihm leid. Allen war die Kehle durchschnitten worden mit einem scharfen Messer. Er könne sich nicht erklären, wer so etwas machte.

      Zumal der Baron ein ausgesprochener Tierfreund war und gerade Kraniche sehr schätzte. Sogar im Familienwappen sind neben der Quappe auch zwei flankierende Kraniche zu finden. Er empfände diese toten Vögel daher auch als Angriff auf seine Person und wirke zunehmend verstört.

      Anbei finden Sie ein paar Fotos, die ich auf Gut Lankenhorst mit meiner kleinen Handykamera machen konnte. In der Hoffnung, bald von Ihnen zu hören verbleibe ich

      mit frdl. Grüßen aus Linum

      Ihr

      Rod. Boedefeldt

      P.S. Habe für Sie ein paar nette Fische eingefroren. Können Sie bei Gelegenheit bei mir abholen.

      Linthdorf klickte die angehängten Bilddateien durch. Boedefeldt hatte akribisch den ganzen Park und die einzelnen Fundorte der Vogelkadaver fotografiert. Linthdorf musste schlucken.

      Was er da sah, war starker Tobak. Aus großen Augen schauten ihn die toten Vögel an. Er konnte Kraniche erkennen, Fischreiher, Kormorane, Watvögel, Schwäne, Graugänse, Blesshühnchen und Enten.

      Natürlich hatte er diese Angelegenheit nicht vergessen. Nachts träumte er von diesen Bildern und schreckte jedes Mal auf, wenn er die vermeintlichen Todesschreie der Vögel zu hören glaubte. Doch es war dann doch wieder still.

      Nur das monotone Rauschen der Berliner Nacht blieb, manchmal unterbrochen vom gellenden Tatütata eines vorbeirasenden Einsatzfahrzeugs der Feuerwehr oder Medizinischen Hilfe. Wahrscheinlich hatte sein Unterbewusstsein ihm dann dieses Geräusch als Vogelschreie vorgegaukelt.

      Draußen klopfte es. Linthdorf klickte den Computer auf Stand-by-Modus. Nägelein stand vor der Tür, das konnte er schon erkennen anhand der Silhouette, die durch das mattierte Türglas zu sehen war.

      »Kommense ruhig herein, Herr Dr. Nägelein.«

      »Wieso wissen Sie ...? Na, ist ja auch egal ... Also, was ich noch sagen wollte. Jaaa, Dr. Knipphase möchte in Kürze schon Ergebnisse sehen. Also Sie wissen schon, keine statistischen Angaben über irgendwelche Firmen, die hier so vor sich hin kleckern. Der will Fakten ...!«

      Linthdorf nickte.

      »Ja, wie wollen Sie denn nun vorgehen?«

      »Da werde ich mich erst einmal in das Material einarbeiten müssen.«

      Er wies auf die dicke Mappe, die er von Knipphase bekommen hatte. Plötzlich war es Nägelein peinlich, ihn mit seinen nichtssagenden Floskeln belästigt zu haben.

      »Naja, machense ma. Sie packen das schon.«

      Mit einem etwas zu leutseligen Gesichtsausdruck verzog er sich wieder.

      Linthdorf hatte jedenfalls erst einmal die Mappe herangezogen und wühlte sich durch die knapp 150 Seiten Material.

      Der interessanteste Teil war eine alphabetisch geordnete Liste von Firmen, die in Brandenburg tätig waren und deren Aktivitäten das Interesse des BKA geweckt hatten. Linthdorf las meist englischsprachige Firmennamen, in denen immer wieder die Vokabeln »development«, »real estate« und »consulting« auftauchten. Erstaunlich war schon, wo diese Firmen ihre Adressen hatten. Quer über das ganze Bundesland verstreut schienen sie zu sein. Eigentlich müsste Brandenburg ja damit bestens entwickelt sein und die Wirtschaft müsste brummen. Soviel Investoren, soviel Strukturentwickler und Berater, da konnte es doch eigentlich nur noch steil bergauf gehen.

      Aber er kannte sein Land besser. Er wusste Bescheid über vereinsamte Dörfer, in denen nur noch die ältere Generation lebte, über verödete Brachen, die früher einmal landwirtschaftlich genutzt worden waren und über Gewerbegebiete, in denen zwei oder manchmal auch drei kleinere Lagerhallen standen und in der Ferne erzeugte Produkte verteilten.

      Er kannte auch die ehrgeizigen Visionen der Landräte und Bürgermeister, die unbedingt die modernsten und profitabelsten Industrien anlocken wollten, um damit im Wahlkampf zu punkten. Es ging ja schließlich um mehr als nur um Arbeitsplätze und Infrastrukturmaßnahmen.

      Linthdorf hatte die Regierungszeit des ersten Brandenburger Ministerpräsidenten noch gut in Erinnerung. Die Investruinen von damals hielten bis heute das Land im eisernen Schuldengriff. Jedes Mal, wenn er in der Lausitz unterwegs war, sah er die riesige Luftschiffhalle, in der niemals ein echtes Luftschiff gebaut worden war, da alles vorab investierte Geld für den Bau der gewaltigen Halle drauf gegangen war.

      Nur unweit entfernt war eine gewaltige Autorennstrecke mitten in die Einöde gesetzt worden. Formel 1 in der Lausitz! Die Welt schaut auf uns! Und der Jetset wird sich in den Hügeln alter Braunkohletagebaue tummeln und nur so mit Geld um sich werfen. Das war die Vision. Das Motodrom wartet bis heute auf eine wirklich rentable Nutzung.

      In Frankfurt an der Oder stand der große Komplex des Halbleiterwerks auf verlorenem Posten und überall im Lande wurden futuristische Solaranlagen produziert, die nur dank staatlicher Subventionen zu marktüblichen Preisen verkauft werden konnten. Linthdorf verstand nicht so sehr viel von solchen Projekten, aber sein gesunder Menschenverstand sagte ihm, dass Solarenergie »made in Brandenburg« nicht unbedingt ein Renner sein konnte.

      Die Firmen, die in der Knipphaseschen Liste auftauchten, waren ihm allesamt unbekannt. Weder hatte er irgendeine Werbung für deren Produkte gesehen, noch waren ihm deren Produktionsanlagen oder Immobilien aufgefallen. Nun, das konnte auch daran liegen, dass er bisher wenig auf solche Details geachtet hatte.

      Linthdorf begann die Firmen in seinen Computer in eine Excel-Tabelle zu tippen. Nach einer knappen Stunde war er fertig. Er sortierte nun die Firmen nach Postleitzahlen, gruppierte sie nach Regionen und teilte sie seinen Mitarbeitern zu. Jede Region bekam von ihm drei Mitarbeiter zugeteilt. So konnte sie die Aktivitäten etwas bündeln und bei der Suche nach den Firmen Routen zusammenstellen.

      Um vier Uhr traf er sich zu einer ersten Einsatzbesprechung mit den zugeteilten Kollegen. Alle waren anwesend. Die Atmosphäre war im Vergleich zum Vormittag deutlich lockerer und entspannter. Knipphase und Nägelein fehlten ja schließlich. Linthdorf atmete tief durch und kam gleich zur Sache.

      Jedes der neuen Teams bekam eine der von ihm ausgedruckten Listen zugeteilt. Er benannte die Teams nach der Region, in der sie tätig werden sollten:

      Team 1 Uckermark-Barnim

      Team 2 Oderland-Spreeland

      Team 3 Spreewald – Lausitz

      Team 4 Fläming-Mittelmark

      Team 5 Havelland-Prignitz

      Team 6 Ruppin-Oberhavel

      Er selbst hatte sich bei Team 6 eingeschrieben. Im Hinterkopf hatte er dabei auch die toten Kraniche im Linumer Bruch. Vielleicht konnte er etwas Zeit für lokale Ermittlungen abzweigen.

      Louise Elverdink hatte er zur Leiterin von Team 5 gemacht. Mit den Teamleitern würde er am meisten zu tun haben, schließlich hatte er die Ermittlungsergebnisse zu sammeln und zu koordinieren. Möglicherweise gab es ja auch Überschneidungen. Er hatte versucht, in jedem

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