ТОП просматриваемых книг сайта:
Meister Autor. Wilhelm Raabe
Читать онлайн.Название Meister Autor
Год выпуска 0
isbn 4064066110116
Автор произведения Wilhelm Raabe
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Ich saß, beide Ellenbogen auf die solide aus Eichenholz herausgearbeitete Klappe gestützt, unter welcher ich alle meine besten lyrischen, epischen und dramatischen Gefühle und Empfindungen unter Schloß und Riegel zu halten pflege. Gähnend, aller Langweiligkeit des Daseins voll, saß ich, als es an meiner Tür pochte und blöde sich hereinschob ins Zimmer, nachdem ich mürrisch, ohne mich umzuwenden, die Störung aufgefordert hatte, heranzukommen. Offen gestanden traute ich meinen Augen dann gar nicht, und rückte den Stuhl mit solchem Nachdruck herum und dem Besucher entgegen, daß das Möbel darüber durchaus aus dem Leime ging.
»Ja, ich bin es; nehmen Sie es nur nicht zu sehr übel!« sagte der Meister
Autor, als ich ihn an beiden Seiten gepackt hielt und die Trümmer des
Sitzgerätes mit einem Fußtritt hinterwärts aus dem Wege stieß.
»Das war es, was anklopfte?… Gütiger Himmel, willkommen, Herr Kunemund! O Meister, Meister, welches Vergnügen!… Gottlob, daß Sie selber keine Ahnung davon haben, welches Behagen Sie unsereinem geben und welche Ehre Sie uns durch einen solchen Besuch antun!«
»Lieber Herr —«
»Liebster, bester Freund, seien Sie herzlichst gegrüßt! Was Sie auch herführen mag, mir bringen Sie alles mit, was ich eben ganz notwendig brauchte.«
»Lieber Herr —«
»Was macht der Alte? was macht die Alte? was treibt das Kind — das
Fräulein, das Waldfräulein? Wahrhaftig, ich könnte noch nach hundert guten
Bekannten fragen und fragte den Kreis nimmer aus. Bis auf die Fliegen an
der Wand ist mir das Haus im Elm ins Herz gewachsen.«
Wie das fromme Kind aus Kneitlingen in seinen fröhlichsten Momenten, tanzte ich um den alten Mann herum und merkte erst lange nachdem ich ihn durch den überwältigenden Wortschwall und Ausbruch meiner Gefühle betäubt hatte, daß ich ihn betäubt habe. Da mäßigte ich mich denn, nahm ihm den Hut aus den Händen, drückte ihn auf den bequemsten Stuhl nieder, strich sämtliche Papiere vom Tische vor ihm und riß den Klingelzug ab, im hellen Eifer, ihm ein Frühstück zu schaffen. Er aber lächelte verlegen ob all der Aufregung und all des Umstandes — er verlegen!… er, der Meister Autor Kunemund!
Ach, er hatte keine Ahnung davon, wie sehr ich mich schämte, ihn in Verlegenheit setzen zu können, und wie ich grade deshalb in fieberhafter Hast mich bestrebte, ihn auf den richtigen Fuß und Schick zu bringen. Aber ich sollte sogleich noch mehr Grund finden, mich in meinem Sein und Für-mich-sein beunruhigt und ungemütlich zu finden — kurz mich zu schämen; denn es stellte sich bald heraus, daß der Herr Autor Kunemund mir trotz der jetzt ziemlich langen Bekanntschaft noch lange nicht recht trauete. Er brachte mir nämlich einen Brief mit, und zwar einen Empfehlungsbrief vom Pastor zu Ampleben (Amt Lehen sagt das Volksbuch), dessen geistlicher und leiblicher Vorfahr vor mehr als fünfhundertneunzig Jahren die welthistorische Ehre gehabt hatte, oben beregtes frommes Kind Till Eulenspiegel, Sohn von Klaus desselbigen Namens und dessen ehelich getrauetem Weibe, Anna, geborener Weibikin mit dem Sakrament der heiligen Taufe zu versehen. Da kam es heraus, daß der Meister Kunemund, trotzdem er um Rat zu mir kam, nicht das geringste Vertrauen zu mir hatte; sondern daß er mich leider ganz ruhig für einen Menschen hielt, wie ein Stück von den vielen Dutzenden, deren Bekanntschaft er in seinem Leben gemacht hatte.
Ich nahm den Brief des Pastors, wie er mir gegeben wurde, und ich las ihn auch. Ich las ihn, doch ich behielt während des Lesens meinen Besucher im Auge; ich sah verstohlen über den Rand des Schreibens nach ihm hinüber. Der Pastor wußte im Grunde nichts Übles und Nachteiliges über den Herrn Kunemund mitzuteilen, und so frühstückten wir denn vor allen Dingen wirklich miteinander, und während des Frühstücks suchte ich ihn auszuholen, und unterließ und vollführte in Wort und Tat nichts, was mir meinerseits ihm gegenüber zur Empfehlung dienlich sein konnte.
Ich hatte hart zu kämpfen. Wie alle seinesgleichen wurde er durch eine für den die Welt bedeutenden Teil der Menschheit sehr lächerliche Schämigkeit behindert, sein Inneres einem doch verhältnismäßig fremden Menschen aufzuschließen und sich in seinen Gedanken, Überlegungen, Wünschen und Hoffnungen so nackt und bloß hinzulegen. Er hatte noch nie etwas drucken lassen; er war sehr blöde und die beste Beute für jeden, der in dem gewöhnlichen Sinne ein Interesse an ihm nahm und ihn gebrauchen konnte. Als ich endlich heraus hatte, was ihn in die Stadt führte, und was er überhaupt bei mir wollte, und wie er das, was er wünschte und zu tun hatte, ansah, und zwar von den verschiedensten Seiten, und wie seine Hausgenossen das Ding betrachteten, und zwar ebenfalls von mehreren Seiten: da hatte ich eine Schwergeburtshülfe an ihm vollendet, deren ich mich wohl rühmen durfte.
Viertes Kapitel.
Ich habe drucken lassen; bin auch sonst gar nicht blöde, halte es aber doch nicht für paßlich, das Publikum noch einmal an den Mühen der Entbindung von Wort zu Wort, Seufzer zu Seufzer, Ächzen zu Ächzen, teilnehmen zu lassen. Ich werde den Meister Autor seine Geschichte und vor allen Dingen seine Vorgeschichte, wenn auch nicht ohne Farbe und Rundung, so doch bündig und ohne meine hundert notwendigen Zwischenfragen, Ermutigungen, Anfeuerungen und Nötigungen vortragen lassen. Wie mehrere andere Leute lasse ich sonst nicht gern jemand das Wort. Ich behalte es lieber selber und bitte, mir die heutige Selbstentäußerung für eine künftige Gelegenheit gut zu rechnen. Es folgt also an dieser Stelle
Das,
was der Meister Autor Kunemund
mir zu sagen hatte.
»Sehen Sie, Herr, da Sie es nicht übelgenommen haben, daß ich Ihnen hier heute so auf den Hals gefallen bin, so will ich denn auch weit genug ausholen, um den Keil in den Stamm zu treiben, nämlich ganz von vorn, oder von hinten, wie Sie es nehmen wollen. Nämlich das ist nicht so, daß man einfach denkt, es verstehe sich von selber, daß man sich in der Welt finde, mit seinen Augen sehe, mit seinen Ohren höre und seine Kinnbacken und Zähne gebrauche, wenn man etwas dazwischen zu nehmen habe. Herum mit dem Karren — ganz im Gegenteil! es versteht sich dieses gar nicht von selber, und man braucht nur anzufangen, darüber nachzudenken, um bis an seinen Tod kein Ende an der Kuriosität zu finden; grade wie unsere Alte daheim, wenn sie angefangen hat, eine Geschichte zu erzählen. Was den Arend anbetrifft, so sitzt der noch in der ersten Art und kümmert sich um nichts, und sein Mädchen, meine Gertrud, sitzt drin bei ihm. Ja die erst recht denkt, daß alles, was ihr passiert, sich von selber verstehe — selbst das, was ihr jetzt passiert ist. Und hören Sie, lieber Herr von Schmidt, was mich anbetrifft, so hab' ich sie beide bei ihrem Glauben belassen; denn behaglicher ist's, und wer's kann, der soll's ja festhalten. Das Grübeln verdirbt einem nur die guten Stunden und die schlimmen macht's wahrhaftig nicht leichter. Ja um noch ein Wort von den bösen Stunden zu reden, so macht sich leider Gottes da das Sinnieren schon ganz, ohne daß man dazu hilft, und wer dann seine Gedanken außer sich richten kann, und wär's nur auf seine vier Wände, seine Nachbarn oder sein Hausvieh, der ist wohl daran. Herr, ist's nicht grade, als ob ich hier sitze und die Alte reden höre?! aber drin und dran bin ich, und eine Hülfe für Sie, liebster Herr, ist nicht mehr; also nur lustig zu! Der Arend Tofote und ich, wir kommen alle beide schon weit her aus der Zeit. Als wir junge Menschen waren, da wußten Ihre lieben Eltern von Ihnen noch lange nicht und wahrscheinlicherweise auch von sich selber gegenseitig blutwenig. Manchmal denk ich mir so, die Alten haben euch — dich und deinen Bruder und den Tofote beim Pflügen in der Scholle aufgeworfen wie die Engerlinge; doch das ist einerlei; es ist nur ein Gefühl. Kurz, wir wuchsen auf im Dorfe — ich und der Arend und als der dritte mein kleiner Bruder, nämlich der, um dessentwillen ich heute hier in der Stadt bin. In den Pulverqualm der Befreiungskriege