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aktuellen Situation entscheiden würde, wie gerne sie weiterleben möchte, unter welchen Umständen, mit welchen mit der Behandlung verbundenen Risiken und Belastungen. Sie müssen sicher sein, dass die vor Ihnen liegende Person genau verstanden hat, was sie verfügt hat, dass die Person sich der Konsequenzen bewusst ist, sie die Verantwortung dafür übernommen hat und dass dies immer noch ihrem aktuellen Willen entspricht. Sie sehen, dass eine Patientenverfügung weitreichende Konsequenzen hat und dass ein Behandlungsteam sich gut versichern muss, dass die Patientenverfügung valide ist. Das heißt, dass keine Zweifel darüber bestehen, dass die verfügende Person diese aus freiem Willen verfasst hat. Das Behandlungsteam muss sich sicher sein, dass die Verfügung aktuell ist, auf die vorliegende Situation angewendet werden kann und auf gut informierten Entscheidungen der unterzeichnenden Person beruht. Eine valide Patientenverfügung muss also sehr differenzierte Auskünfte geben über die Therapieziele der unterzeichnenden Person. Sie darf keine Widersprüche enthalten und sie muss auf die aktuelle Situation anwendbar sein.

      Ein Beispiel: Sie drücken aus, dass Sie gesund sind, sehr gerne leben, gerne reisen, Sport treiben und das Erwachsenwerden Ihrer Kinder erleben möchten, aber Sie möchten nicht reanimiert werden. Nun verunfallen Sie mit Ihrem Auto, sind bewusstlos und werden durch die Ambulanz in die Notfallaufnahme gebracht. Sie haben einige Knochenbrüche und Prellungen, aber keine lebensbedrohlichen Verletzungen. Auf der Notfallstation erleiden Sie einen Herzstillstand. Eine Reanimation könnte Ihr Leben retten, und nach der Heilung der Knochenbrüche könnten Sie Ihr Leben wie vorher leben. Auf welche Aussage soll sich das Behandlungsteam nun stützen?

      Ein weiteres Beispiel: Es könnte sein, dass Sie urteilsunfähig sind, weil Sie an der Beatmungsmaschine auf einer Intensivpflegestation liegen. Das Behandlungsteam bescheinigt Ihnen zwar gute Prognosen für ein Überleben, aber eine hohe Wahrscheinlichkeit einer dauerhaften schweren körperlichen Behinderung. Es besteht also große Hoffnung auf ein Überleben, aber ebenfalls ein hohes Risiko, dauernd immobil und auf pflegerische Unterstützung angewiesen zu sein. Was soll geschehen?

      Wenn Behandlungsentscheidungen für urteilsunfähige Menschen zu deren Wohl und in ihrem Interesse getroffen werden müssen, ohne dass zuvor eine differenzierte Patientenverfügung erstellt wurde, bedeutet das eine große Herausforderung sowohl für vertretungsberechtigte Personen als auch für das behandelnde Team. Theodore Otto-Achenbach widmet sich im Beitrag »Vertreterentscheidungen – Advance Care Planning für urteilsunfähige Menschen« dieser Thematik.

      Warum eine Beratung beim Erstellen einer Patientenverfügung?

      Eine valide Patientenverfügung soll Auskunft darüber geben, welches Ihr Therapieziel in Notfall- oder Krisensituationen ist, wie viel Risiko Sie einzugehen bereit sind und wo Ihre persönlichen Grenzen des Erträglichen sind. Eine Patientenverfügung «plus» nach den Standards von Advance Care Planning erstellen Sie gemeinsam mit einer zertifizierten ACP-Beratungsperson. Das ist eine geschulte Fachperson, die Ihre Überlegungen und Ihren Willen gemeinsam mit Ihnen in medizinische Behandlungsziele übersetzt. Das «plus» steht dafür, dass die Patientenverfügung mithilfe einer ACP-Beraterin erstellt wurde – im Gegensatz zu Patientenverfügungen, die eine Person alleine ausgefüllt hat. Eine ACP-Beraterin wird Ihren Willen so zu Papier bringen, dass Behandlungsteams diesen verstehen, nachvollziehen und nach Möglichkeit umsetzen können. Eine gute Beratungsperson wird Sie auf Unklarheiten und Widersprüchlichkeiten ansprechen, aber sie wird Sie nie zu Entscheidungen drängen, im Gegenteil. Sie wird Ihnen helfen, einen persönlichen Entscheidungsprozess anzustoßen, der Sie weiterbringt und der auch nie zu Ende geht, solange Sie leben. Sie werden im Laufe Ihres Lebens Ihre Entscheidungen immer wieder überdenken und aufgrund sich verändernder Lebensumstände und -perspektiven neu festlegen.

      Christina Buchser beschreibt in ihrem Beitrag »Auch unser Tipi ist ein guter Ort zum Sterben«, wie sie eine Beratung bei einer ACP-Beraterin erlebt hat.

      Im Beitrag »Man muss es im Voraus besprechen« von Gabriela Meissner gibt Dr. med. Peter Steiger, leitender Arzt der beiden Intensivstationen für Traumatologie und Brandverletzungen und Stv. Institutsdirektor des Instituts für Intensivmedizin am Universitätsspital Zürich, Auskunft darüber, unter welchen Voraussetzungen Patientenverfügungen zu den richtigen Behandlungsentscheidungen führen können.

      Wann ist der richtige Zeitpunkt, um eine Patientenverfügung zu erstellen?

      Ein wichtiger Grundsatz bei der gesundheitlichen Vorausplanung ist die Freiwilligkeit. Niemand kann Sie zwingen, Verfügungen für gesundheitliche Therapieziele festzulegen. Nicht einmal die Auseinandersetzung mit diesen Fragen ist zwingend – auch nicht beim Eintritt in ein Heim oder in ein Spital. Bei einem Heimeintritt ist die Frage, ob die Bewohnerin oder der Bewohner in einem Notfall wiederbelebt werden will, in vielen Alters- und Pflegeheimen Standard. Oft wird diese Frage gestellt, ohne deren Bedeutung zu erklären, ohne die Konsequenzen eines Ja oder Nein umfassend darzulegen. So bleibt die Entscheidungsbasis z.B. für eine Herz-Lungen-Wiederbelebung vielfach unklar. Das kann dazu führen, dass die betreuenden Fachpersonen das Alter, bestehende Krankheiten, Lebensumstände oder -perspektiven als Entscheidungsgrundlagen heranziehen.

      Es empfiehlt sich, die erste Patientenverfügung in einer stabilen Lebensphase zu verfassen, wenn keine akute Krankheitssituation oder Krise vorliegt. Sie sollten in der Lage sein, ruhig und entspannt über Ihre Lebensperspektiven und -ziele nachzudenken, ohne dass Sie von Ängsten oder Panik geleitet werden. Trotzdem können Sie in eine Situation geraten, in der rasche Entscheidungen zu Behandlungszielen und Maßnahmen notwendig sind, die Ihnen keine Zeit lassen. In einer solchen akuten Situation macht es Sinn, sich auf das aktuelle Therapieziel zu fokussieren und mit Ihrer Ärztin oder ihrem Arzt die Behandlung zu besprechen.

      Behandlung bei schwerer und unheilbarer Krankheit

      Im Falle einer Krankheit können Sie sich von Fachpersonen über Behandlungsmöglichkeiten beraten lassen und die für Sie bestmögliche Therapie planen. Auch hier sind Sie frei und bestimmen selbst, ob und welche der vorgeschlagenen Behandlungen Sie annehmen wollen. Als mündige und urteilsfähige Person tragen Sie letztlich die Verantwortung. Eine Patientenverfügung tritt hier nur an die Stelle Ihrer aktuellen Entscheidungen, wenn Sie aufgrund einer gesundheitlichen Krise nicht in der Lage sind, selbst zu entscheiden.

      Bei schwerer Krankheit sind oft mehrere Fachpersonen in die Behandlung involviert. In einer solchen Situation ist Ihre klare Aussage, welches Ihr Behandlungsziel ist, welche Risiken und Belastungen Sie in Kauf nehmen wollen, wie sehr Sie am Leben hängen und unter welchen Umständen Sie auf lebensverlängernde Maßnahmen verzichten wollen, ganz wesentlich. Dies ist wichtig für die Art der Behandlung, die Sie erhalten, wie auch für die Behandlung in einer Notfall- und Krisensituation, in welcher Sie selbst nicht entscheiden können. Um dies zu erreichen, sind laufende Absprachen und eine Koordination der verschiedenen Fachpersonen entscheidend, damit Sie die Ihren Therapiezielen und Wünschen bestmöglich entsprechende Behandlung und Pflege erhalten. Das Gespräch über diese existenziellen Lebensfragen und -ziele und die genaue Dokumentation der daraus folgenden Behandlungswünsche stehen ganz im Zentrum. Betreuungspläne oder Notfallpläne als ein Element einer vorausschauenden Behandlungsplanung nach ACP, die laufend aktualisiert werden, sind dafür hilfreiche Instrumente.

      Im Beitrag »Notfallplanung in der Palliative Care« beschreibt Dr. Andreas Weber, worauf er als Palliativmediziner achtet und wie er schwer kranke und sterbende Menschen und deren Angehörige entsprechend deren Behandlungszielen betreut und begleitet. Dabei wird deutlich, dass eine sorgfältige persönliche Standortbestimmung, die Klärung eigener Werte und Wünsche und die Abwägung von möglichen Behandlungswegen in einer ruhigen Gesprächssituation erfolgen muss, nicht in einer Krise. So kann das Behandlungsziel gemeinsam mit dem Patienten und seinen Angehörigen besprochen und festgehalten werden. Dieses ist maßgeblich für das weitere Vorgehen, auch in möglichen Krisensituationen. Durch eine vorausschauende Notfallplanung und das Bereitstellen der notwendigen Medikamente und Materialien können alle Beteiligten in Krisen ruhig und ganz im Sinne des Patienten handeln.

      Sabine

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