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sich wohlfühlen. Es gibt zwar nur eine Tür, doch zu ihr führen viele Wege. Ich nähere mich dieser einzigen Lektion aus verschiedenen Richtungen an; so können Sie entscheiden, welche Ihnen am meisten zusagt. Eine leichte Verlagerung der Wahrnehmung kann, wie ich Ihnen zeigen werde, Ihre „Kampfneigung“ reduzieren und durch eine Geschmeidigkeit ersetzen, die das Leben annimmt, statt mit ihm zu kollidieren. Nur Angst und Leiden bleiben dabei auf der Strecke. Es ist ein reines Leben, das alle führen können, sofern sie sich dafür entscheiden. Ja, Ihr tiefster Wunsch, aus dem alle anderen hervorgehen, ist der Wunsch: „Erkenne dein Selbst!“ Er ist Ausgangspunkt und letztendliches Ziel. Während Sie ein Kapitel nach dem anderen lesen, werde ich Sie immer wieder daran erinnern. Er ist nicht nur das bestimmende Motiv dieses Buches, sondern auch sozusagen die „Strömung“, die unser ganzes Leben durchzieht, die Unterströmung unseres Lebens.

      Bisher habe ich viele Fragen gestellt und nur wenige Antworten angedeutet. Die Antworten folgen noch. Erst müssen wir auf einige Punkte näher eingehen, doch in Kürze werde ich Ihnen die erste „Erfahrung“ Ihres Selbst anbieten. Achten Sie darauf, diese Übungen gewissenhaft durchzuführen, damit Sie von den Erfahrungen profitieren. Ich wünsche mir, dass diese Worte für Sie lebendig werden, und das kann nur geschehen, wenn Sie auch die „Musik“ hören, für die dieser Text geschrieben wurde.

      Inwiefern unterscheiden sich reines Gewahrsein, Selbst und „ICH“ vom „Ich“?

      Wörter beeinflussen uns stärker, als wir ihnen gewöhnlich zutrauen. Ich möchte ganz klar darlegen, was ein Wort bedeutet und wie es verwendet wird. Viele Menschen haben die unbefriedigende und letztlich destruktive Gewohnheit, zu einem Thema Stellung zu beziehen, ohne die verwendeten Schlüsselbegriffe eindeutig zu definieren. Ein Beispiel: Eine Frau fragt ihren Mann, ob er sie liebe. Er antwortet: „Ja, sehr.“ Und schon tänzeln sie die Straße der Glückseligkeit entlang, wobei beide glauben, Liebe bedeute für sie das Gleiche. Wenn diese Seligkeit Ahnungslosigkeit bedeutet, wird ihre Glückseligkeit nicht lange währen. Ihre Partnerschaft wird sie zwingen, genauer zu untersuchen, was Lieben bedeutet; andernfalls wird die Liebe langsam von innen heraus schwinden.

      Bezweifeln auch Sie, dass viele Menschen bei „wackeligen“ Wörtern einen festen Standpunkt haben? Bitten Sie einen Freund, Ihnen die Begriffe „Freund“ oder „Terrorist“ ausführlich zu erklären oder den Geschmack einer Banane zu beschreiben. Diese Übung kann Ihnen die Augen öffnen. Die Beschreibung unterscheidet sich garantiert, vielleicht sogar signifikant von Ihrer eigenen Definition. Wir denken gern, andere sähen die Dinge genauso, wie wir sie wahrnehmen, doch das ist praktisch nie der Fall. Über die Menschen lässt sich nur das Eine mit Gewissheit sagen:

      Jede und jeder ist anders. Unsere Sicht der Welt ist völlig einzigartig, niemand sieht sie so wie wir. Wir sind relative Wesen – zumindest leben wir so. Wir leben, als gäbe es keine Grundlage, keinen gemeinsamen Bezugspunkt, der für alle Menschen gilt. Wir ähneln Stäubchen, die ziellos in einem schwach beleuchteten Raum umherschweben.

      Falls es einen universellen Bezugspunkt gäbe, welcher wäre das Ihrer Vermutung nach? Wäre er im äußeren Raum oder im inneren Raum, innerhalb des Geistes oder außerhalb davon? Nun, zufällig gibt es diesen einzigen Bezugspunkt, den die ganze Menschheit teilt. Nicht nur die Menschen teilen ihn, sondern alles Leben, die ganze Schöpfung. Es ist der Stoff der Weisen. Es ist das Selbst. (Anmerkung: Die Begriffe Selbst, „ICH“ [engl.: „I“] und „ICH BIN“ [engl.: „I Am“] sind in ihrer Bedeutung austauschbar und ermöglichen uns, dieses einzigartige Konzept des Selbst aus verschiedenen erhellenden Blickwinkeln zu betrachten.)

      Unsere grundlegende Natur, das Selbst, ist die erste Schöpfung der reinen Bewusstheit. Reine Bewusstheit ist unmöglich mit unseren Sinnen zu erfahren. Wir können sie nicht sehen, schmecken oder riechen. Die Quantenphysik bezeichnet die reine Bewusstheit als implizite Ordnung; es ist die Nicht-Form, aus der Energie und Form erschaffen sind. Der Verstand kann über dieses reine Gewahrsein nachdenken, doch wir sind hilflos, wenn es darum geht, es zu denken. Das sind Denkprozesse und reine Bewusstheit entzieht sich den suchenden Fingern des Verstandes. Reine Bewusstheit hat keine Form, nichts, was diese mentalen Finger greifen könnten.

      Alle Gedanken und alle Dinge kommen aus dem reinen Gewahrsein und doch ist dieses substanzlos, hat nichts, was die Sinne wahrnehmen oder der Verstand erfassen könnten. – Wird es Ihnen jetzt etwas zu abstrakt? Bleiben Sie da. Diese Zeit wird sich für Sie lohnen. Ihrem Verstand fällt es nur gerade schwer, etwas zu untersuchen, was sich nicht untersuchen lässt. Aber es lässt sich erfahren. Oder genauer gesagt: Das bewusste Wahrnehmen der reinen Bewusstheit erfährt Ihr Verstand als nichts, als völliges Fehlen einer Erfahrung. Und genau das steht an.

      Obwohl reine Bewusstheit grenzenlos und formlos ist, bringt sie einen ersten Vorläufer hervor, aus dem alle Energie und Form hervorgeht. Die Quantenphysik bezeichnet dieses erste, formlose Feld als Nullpunkt oder Vakuumzustand. Ich nenne es Selbst. Das tue ich, weil die Sprache der Quantenphysik nur auf seine unpersönliche Seite Wert legt. Das Selbst ist sowohl unpersönlich als auch unendlich vertraut. Das Selbst ist einzigartig in der ganzen Schöpfung. Es steht in zwei Welten: im unveränderlichen, alles durchdringenden reinen Gewahrsein und in seiner dynamischen Schöpfung, dem Feld von Geburt und Tod.

      Das Selbst erhält und schützt unaufhörlich das, was Sie „Ich“ nennen, den Teil von Ihnen, der einen Körper hat, einen Verstand, eine Geschichte und eine Zukunft, Hoffnungen und Ängste. Das Selbst gleicht einem warmen Wintermantel. Auch wenn Sie sich gerade eifrig dem Leben widmen und vergessen haben, dass Sie einen Mantel anhaben, wärmt dieser Sie. Es spielt keine Rolle, ob Sie die Begriffe des reinen Gewahrseins und des Selbst völlig erfassen. Über beide lässt sich schwerer reden, als man sie erfahren kann. Ja, sowohl das reine Gewahrsein als auch das Selbst können Sie erfahren, auch wenn Sie von beiden nie etwas gehört haben.

      Das Selbst zu erfahren ist äußerst subtil und großartig. Wahrscheinlich haben Sie Ihr Selbst bereits erfahren und wissen es nicht einmal. Das ist ein Problem. Falls Sie Ihr Selbst nicht kennen, können Sie Ihren tiefsten Wunsch nicht kennen. Auf den nächsten Seiten werde ich Ihnen die Schlüssel in die Hand drücken, die Ihnen das Tor zum Selbst öffnen. Voraussetzung dafür ist nur, dass Sie ein Mensch sind und dass Sie bewusst sind. Mehr braucht es nicht. Die Entdeckung Ihres Selbst ist Ihr Geburtsrecht.

      Warum ist es so wichtig, Ihres Selbst gewahr zu sein? – Es ist mehr als wichtig, es ist lebensnotwendig, grundlegend, unverzichtbar. Das Selbst zu kennen bedeutet, frei zu werden von Hoffnungen und Ängsten. Sobald Sie Ihr Selbst erkennen (wozu uns ja schon vor langer Zeit Sokrates aufforderte), wird Ihre Sicherheit unerschütterlich. Dann fühlen Sie intensiv und positiv und Sie denken klar und eindeutig. Zudem werden Ihre Sinne (Hören, Sehen, Schmecken …) schärfer und lebendiger. Und Ihr Körper altert langsamer. Er wird entspannter, lässiger und viel widerstandsfähiger gegenüber Stress und Krankheiten. Keine schlechte Ausbeute für eine so einfache Entdeckung.

      Nehmen Sie sich einen Moment Zeit und denken Sie an Ihre Kindheit zurück und dann an Ihre Jugend. Erinnern Sie sich jetzt an eine Zeit in Ihren Zwanzigern, Dreißigern… und so fort, bis zu Ihrem heutigen Alter. Denken Sie an das, was Sie jetzt gerade tun. Im Laufe Ihres Lebens haben Ihre Interessen und Ihre Gefühle sich gewandelt, Ihr Körper ist gewachsen und gealtert, Ihre Familienmitglieder sind reifer geworden, Freunde sind gekommen und gegangen. Doch da war ein Teil von Ihnen, den es schon immer gab, solange Sie zurückdenken können, und der heute immer noch da ist. Er hat sich nicht verändert.

      Als Sie damals sagten: „Ich möchte zu meiner Mama“, oder später: „Ich verabscheue Sportunterricht“ oder „Ich werde dich immer lieben“ oder „Ich mag keine laute Musik“, identifizierten Sie sich mit Dingen, Ereignissen und Gefühlen, die Ihrem „Ich“ widerfuhren, aber nicht Ihrem „Selbst“ oder „ICH“. Die Dinge oder Gefühle Ihres Lebens (also sich nach Ihrer Mutter zu sehnen, die Sportstunden zu verabscheuen …), all das hat sich verändert und „ruht“ nun in dem Teil Ihrer Vergangenheit, der als Erinnerung bezeichnet wird. Dinge haben sich gewandelt, nicht aber das ICH.

      Wenn Sie sagen: „Ich bin hungrig“, dann identifizieren Sie sich mit beiden Seiten Ihrer Existenz, mit dem unveränderlichen „ICH“ und dem veränderlichen „Ich“.

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