Скачать книгу

      »Karen hat sich zur Flexitarierin gewandelt.«

      »Das heißt, sie isst hin und wieder Fleisch?«

      »So ist es, und als Aperitif wollte ich zwölfjährigen Auchentoshan präsentieren. Er ist leicht und bekömmlich. Manche Menschen bezeichnen ihn gar als Ladies’ Drink.«

      »Willst du auch etwas über diesen Tokenhoschen schreiben?«

      »Auchentoshan, sprich Okentoschen, und du musst das gar nicht so komisch sagen. Unsere Lowlander werden unterschätzt, und es wäre in der Tat nicht verkehrt, etwas Nettes über sie zu verfassen. Doch zurück zum Thema: Zunächst bemerkte ich das Unglück nicht so richtig.«

      »Prego? Redest du über das geplatzte Wasserrohr?«

      »No, vom Whisky! Durch meine Arbeit am Menü war ich abgelenkt. Mir dünkte dennoch, dass etwas nicht stimmte.«

      »Fehltöne?«

      »Der Scotch schmeckte nicht schlecht, nur anders … zu gewöhnlich. Das Original hat delikate Zitrusnoten, die völlig fehlen. Auch vermisste ich den Hauch von Nuss im Finish.«

      »Es handelt sich also um eine Fälschung?«

      »Jawohl, ein einfacher Blended Scotch, in zu kräftiger Farbe. Man hat wohl mit einer gehörigen Menge Farbstoff nachgeholfen.«

      »Wo willst du jetzt wohnen?«, fragte Alberto und sah gebannt zum Eimer, der gleich überschwappte. Er an Angus’ Stelle hätte sich um das häusliche Problem gekümmert und nicht um irgendeinen Whisky mit albernem Namen! »Du musst deine Küche und das darüber liegende Badezimmer evakuieren und ausziehen, bis die Handwerker alles repariert haben. Porca miseria, der Eimer ist voll!«

      »Gut, dass ich vorgesorgt habe.« Angus bückte sich, zog unter dem Tisch ein zweites Behältnis hervor und tauschte es gegen das volle aus.

      Vitiello ging in die Knie und schüttelte den Kopf. Wie erwartet, stand dort kein weiterer Eimer. Was wollte Angus unternehmen, wenn der Ernstfall eintrat? »Allora, ich meine, dass …«

      »Braid Hills, Morningside Road.«

      Alberto sah ihn hilflos an.

      »So heißt das Hotel, in das ich ziehe, und bevor du dich beschwerst, weil ich nicht in der Villa Buongiorno nächtige: Erstens hättet ihr nach Aussage deiner lieben Frau nichts Adäquates für mich und zweitens gehört zum Braid Hills ein ausgezeichnetes Restaurant …«

      »Als ob ich dir nicht hätte kochen können!«

      »… und ein weiteres, das Buckstone’s, befindet sich schräg gegenüber. Doch zurück zu unserem neuen Fall.«

      »Wo hast du den Whisky gekauft? Parkplatz oder Pub?«

      »Good Lord! Meine Spirituosen pflege ich immer noch in Fachgeschäften zu erwerben.«

      Vitiello wurde erneut durch das Tropfwasser abgelenkt. »Angus, wann kommen denn die Handwerker?«

      »Schwer zu sagen.«

      »Typisch für das Land! Wie Könige lassen die Burschen sich bitten. Demokratie ist schön und gut. Aber nur, wenn sich alle Menschen an unsere Spielregeln halten.«

      »Um ehrlich zu sein, habe ich noch niemanden angerufen.«

      »Non posso credere! Das glaube ich nicht!« Der Italiener zückte sein mobiles Telefon und rannte aus der Küche.

      »Er ist ein netter Kerl, doch immer so eilig«, informierte Angus die Decke. Vom Flur war Alberto zu hören: »So geht das nicht! Was bilden Sie sich ein?! Mein Freund muss leben können wie ein Mensch!«

      Alberto bestand darauf, in den nächsten Supermarkt zu fahren und ein Kontingent an breiten Wannen zu kaufen, die er um den Küchentisch gruppierte. Er liebte es, als Detektiv zu arbeiten, aber handwerkliche Probleme zu lösen, war noch befriedigender für ihn. MacDonalds favorisierte Metiers hießen Kulinarik und Drinkologie, und so ließ er seinen Freund alleine, nicht sicher, ob das die noble schottische Art war. Doch niemand schadete ungestraft der Whisky-Welt! Die Flasche Auchentoshan hatte er bei Imperial Whiskys auf der Royal Mile erworben. Obwohl passionierter Gast städtischer Busse, stieg er, seiner Kalamität wegen unleidlich, in ein geräumiges, braunes Taxi. Der Fahrer setzte ihn in der Nähe des Geschäftes ab. Seine Aktenmappe mit dem Corpus Delicti unter den Arm geklemmt, schlenderte er durch die Fußgängerzone. Selbst im Winter mangelte es der Old Town nicht an Touristen aus aller Welt, die MacDonald gefällig benickte. Natürlich, wem würde die kopfsteingepflasterte Straße mit ihren historischen Gebäuden nicht gefallen? Fast ein Vierteljahrhundert zuvor hatte Kevin Wordie Imperial Whiskys eröffnet, und nie hatte MacDonald etwas zu beanstanden gehabt. Als er den Laden betrat und die dunkelbraunen Holzregale mit Whiskys und einer Auswahl an schottischen Bieren erblickte, besserte sich seine Laune. Ein junger Mann mit modischem Hipsterbart und Koteletten trat ihm in den Weg. In seinem Alter hätte er nicht so tiefe Stirnfalten haben dürfen. Das Gesicht dagegen war glatt und ohne Makel. Ob hier mit Nervengas nachgeholfen worden war? Zu viele Menschen hingen heutzutage einem narzisstischen Körperkult an.

      »Kann ich Ihnen helfen, Sir?«

      »Seien Sie gegrüßt, junger Mann. Würden Sie bitte Kevin sagen, dass ich hier bin? Mein Name ist Angus MacDonald.«

      »So, Mister Wordie wollen Sie? Gibt’s einen Termin?«

      »Ich darf Ihnen versichern, dass so etwas in den vergangenen 25 Jahren nicht notwendig war.«

      »Wir sind sehr beschäftigt!«

      »MacDonald sah sich im Laden um. Außer ihm waren nur zwei Kunden zugegen. »Verraten Sie mir Ihren Namen?«

      »Somerled. Das kommt aus dem Altnordischen und bedeutet …«

      »Sommerwanderer, von Sumarlioi abgeleitet. Es war der Name des ersten Lord of the Isles, dem Gründer der Clans MacDonald und MacDougall.« Zumindest eine Sache hatten sie gemeinsam!

      Somerled starrte ihn grimmig an.

      »Trifft das nicht zu?«

      »Doch, alles in Ordnung, aber Kevin Wordie hat keine Zeit!«

      »Schön, dann erzähle ich Ihnen von dem grauenhaften Trunk, der mir hier als Auchentoshan über die Theke gereicht wurde.« MacDonald zog die Flasche aus der Tasche. »Dieses Konstrukt stammt nicht aus den Lowlands!«

      Als die anderen Kunden zu Somerled blickten, wurde er nervös. »Ich werde sehen, was ich tun kann, Mister …«

      »MacDonald!«

      Der Verkäufer kniff sich mit Daumen und Zeigefinger die Nase. »Bin gleich zurück.«

      »Gut, ich warte hier.«

      »Könnten Sie die Flasche …?«

      MacDonald nickte und verstaute den Lowlander wieder in seiner Mappe. Während der junge Mann weg war, sah er sich im Geschäft um, konnte aber keinen Auchentoshan ausfindig machen. Ob Wordie von dem Problem wusste und deshalb nichts nachbestellt hatte?

      »Potzblitz, wenn das nicht mein Freund Angus ist!«

      MacDonald drehte sich um und war entsetzt, wie schlecht der Ladenbesitzer aussah, aufgeschwemmt, mit dicken Tränensäcken unter den Augen. »Kevin, schön, dich zu sehen. Bist du wohlauf?«

      »Tadellos, Angus, und du?«

      War Wordie geschrumpft? Mit knapp fünfzig Jahren? »Ich kann nicht klagen, was bezüglich der Flasche …«

      »Pst!«, sagte Wordie nachdrücklich. »Lass uns in mein Büro gehen.«

      »Bitte, wenn das gewünscht wird.« Zisch- und Brummlaute hatten in menschlicher Verständigung seit dem Ende der Höhlenzeit nichts zu suchen!

      Der altersschwache Schreibtisch im Büro würde unter seiner Last, unzähligen, schiefen Papierstapeln, bald kapitulieren. Von einer geordneten Registratur hielt man bei Imperial Whiskys wohl nicht mehr viel. Dringendste Aufgabe einer Reinigungskraft: Wände von flaumigen Spinnennetzen

Скачать книгу