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aus. vorbei. laut heulend zieht sie das aus den plastikstoppeln heraus, was sie an die unwiederbringlich entschwundene braune herrlichkeit erinnert. – den friseur erschießen!

      die 44er magnum hat ihr robert vor einem jahr gekauft. erst konnte sie sich nicht ganz damit anfreunden, vor allem der krach und der nicht unerhebliche rückstoß hatten ihr zu schaffen gemacht. aber dann war sie doch von der gefährlichen eleganz der waffe eingenommen gewesen und hatte von mal zu mal lieber mit ihm die schießstände besucht. stolz war sie gewesen, als er ihr attestierte: für eine frau treffe sie mittlerweile ganz gut. »immer auf die größte fläche zielen im ernstfall«, hatte er gesagt, und, ihren erschrockenen blick bemerkend, hinzugesetzt, dass der nach aller wahrscheinlichkeit nie eintreten würde, aber eben: »wenn doch, dann immer auf die größte fläche halten. und was ist das? erraten, hasilein, der bauch! niemals auf den kopf, du schießt in der aufregung garantiert daneben – und dann haben wir den salat!«

      am schießstand jedoch war der ratschlag ohne jede bedeutung, und sie perforierte nach herzenslust unterschiedslos arme, köpfe, bäuche, ging es doch letztlich nur darum, den punkt in der mitte des kreises zu treffen, der in und um die gefährlich wirkende mannsperson aus pappe angebracht war.

      aber jetzt sieht eine frau rot. blutrausch. der friseur ist fällig. sie wird auf die größte fläche halten und sie wird nicht vorbeischießen. die letzte dauerwelle. seine. sein letztes grünspaniges platinblond. für nachfolgende generationen unschädlich gemacht.

      susi wiegt die stromlinienförmige qualitätsarbeit der firma smith&wesson in der hand, klappt die trommel heraus. perfekt verarbeitet. es gibt doch leute, die was von ihrem handwerk verstehen. träumerischen blicks füllt sie die patronen ein, zieht mit dem daumen den hahn zurück und nimmt dann spielerisch die beige sofarolle ins visier. als sich der schuss gelöst hat, und es schaumgummiflocken schneit, wirft sie die waffe entsetzt auf einen sessel. ein doppelter cognac und zwei weitere schokoriegel besänftigen das aufgewühlte gemüt. sie döst. ein blonder engel mit platinblond gewellten locken und kokainverruchtem blick schwebt durch den raum.

      kaum hat sie die glocke gehört. als es noch einmal läutet, erhebt sie sich stumpfsinnigen blicks und läuft in plötzlicher panik zum spiegel. ein desaster, das ist keine junge frau, sondern ein gnom mit verschwollener, schokoverschmierter visage und blassgrünem verfilztem gestrüpp auf dem kopf. robert! halb acht!

      der feuchte lappen, mit dem sie notdürftige reinigung betrieben hat, scheint nicht viel genützt zu haben. die mundwinkel schmecken klebrig und süß. durch die augenschlitze erkennt sie ein sprachlos starrendes gesicht unter gegeltem haarschopf. tadellos. die ungläubig unbewegliche maske vor ihr wird zusehends lebendiger. immer breiter zieht sich der mund zu einer einzigen grinsfratze auseinander. die ganze figur beginnt zu wackeln, zu beben, schüttelt sich vor lachen, bis der ganze kerl sich in einem wilden veitstanz windet. die krawatte muss er lockern, um überhaupt noch luft zu bekommen. die tränen springen ihm waagrecht heraus wie einem zirkusclown. und das alles, weil sie blond werden wollte.

      das alles, weil sie sich für ihn schön machen wollte. für ihn!

      der geriffelte, holzbeschlagene griff der smith&wesson liegt in ihrer hand wie hineingegossen. tief durchatmen. immer auf die größte fläche halten!

      tatsächlich – es funktioniert!

      Gabriele Folz-Friedl

      SONNENBRILLE

      Einsamkeit

      ist. (Punkt)

      Einzahl?

      Mehrzahl?

      ein Paket mit Gefühlen

      adressiert an mich

      Einsamkeit

      sind: (Doppelpunkt)

      festgefrorene Bilder

      die immer gleichen

      ersetzen mir die Wärme

      das Lachen

      das Klirren der Gläser

      die langen Gespräche

      Eisschollen stoßen

      in immer gleichen Bewegungen

      an mein Inneres

      mit jedem Mal wird meine

      Eishaut

      undurchlässiger, dicker

      abweisender

      Sonja Kohlbacher

      GITANES

      Wie hört sich Radio Havanna an? Ich weiß es nicht. Ich selbst habe ja nie Radio Havanna gehört. Radio Havanna wurde auf Kurzwelle gesendet. Das habe ich kürzlich erfahren. Nie war ich Kurzwellenhörerin gewesen. Damals, als man Radio Havanna hören konnte, schnellsprechende, unverständliche Stimmen, dazwischen dieses Knacken, verdammt, unterbrochen, dann wieder, die Stimmen, sich überschlagend, Nachrichten, feurige, dringende, lebensverändernde Nachrichten, und wieder, Mist, man schüttelt das Radio, schiebt es hin und her, die Antenne, vielleicht die Antenne ändern? Nicht so fest! Vorsichtig, sonst ist der ganze Empfang im Eimer, pass doch auf! Leben, rasant, Achterbahn und noch was draufgesetzt, da geht was ab, hörst du, da kommst du nicht mit, so geschwind, und leider bin ich nicht dort, nämlich in Havanna, wo das Leben ist, das rasante, schwindlig machende Leben, das Leben, das wichtig ist und auf jeden Fall lebendig und nicht wie hier, so dermaßen langweilig. Da, da ist sie wieder! Die Stimme, hysterisch, lauter werdend, beschwörend, nein, schade, dieses Rauschen und, na ja, dann halt nicht, diese Unterbrechungen, aber ich verstehe ja sowieso nichts. Musik jetzt, ist mir auch lieber, Bongos, irgendwie fröhlich, der Rhythmus, also ich verstehe schon, dass Radio Havanna …

      Ich sitze in meinem kleinen Zimmer, die Vorhänge vorgezogen. Auf meiner Bettkante sitze ich, wippe mit den Beinen und rauche. Ich sollte hier nicht rauchen, hier ist Rauchen nämlich verboten, aber was soll’s. Und auch nicht Radio Havanna hören, aber egal, überall hängt er schon, der Rauch, nistet sich konspirativ in die gestreiften Vorhangfalten. Ich blase Rauchkringel in die Luft. Draußen ist es schön. Sonne. Doch ich möchte es lieber abgedunkelt, denn ich höre Radio Havanna, und ich rauche dabei. Das ist mein Geheimnis. Nie höre ich lange zu, denn die Übertragung ist ja elendiglich, die Stimmen geben Meldung von etwas, das ich nicht verstehe.

      Vielleicht werde ich eines Tages Spanisch lernen.

      Vielleicht werde ich eines Tages eine Reise machen, nach Havanna, wo das Leben ist.

      Vielleicht sind meine Vorstellungen falsch, meine Vorstellungen von Radio Havanna.

      Aber der Klang in deiner Stimme, der Glanz in deinen Augen, als du davon gesprochen hast!

      Von damals, von Radio Havanna!

      Angelica Löwe

      K2R, FLECKPUTZMITTEL

      Mich hat ja keiner gefragt. Meine Säume kräuseln sich. Und ich habe Falten bekommen. Schon bei der Anreise. Wegen der Enge. Überhaupt: diese Tasche. Klein aber unsinnig aufgebläht, wichtigtuerisch, und dabei abgrundtief hässlich.

      Was tue ich hier? Wer soll mich hier anschauen? Ohnehin in keinem guten Zustand. Jawohl, ich bin in keinem guten Zustand. Ich brauche so Dinge wie ein Bügeleisen. Muss sorgfältig in Form gebracht werden, damit ich was darstelle.

      Diese Berge, die nach Lederhosen schreien. Diese Dirndlkulisse. Steife, eckige Dinger. Als ob ich da in Konkurrenz treten wollte. Überhaupt. Wo einen jeder verkennt. Alles geschmacklos ist und so satt. Ja, ich ärgere mich. Und bekomme diese säuerlich gekräuselten Säume. Und diese entsetzlichen Falten und kein Bügeleisen weit und breit. Jedes auch noch so groteske Dirndl hat hier ein Recht darauf gebügelt zu werden.

      Ich bin zu fein für diese Landschaft. Und zu gescheit. Das ist keine Schande.

      Wenn dieses Grün ein wenig

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