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Einfach verheerend sei der Weltzustand.

      »Da kann ich ihnen nur beistimmen, Verehrteste«, erwiderte die keineswegs unterernährte Person hinter mir. »Stellen Sie sich vor, unlängst hab ich meinem Mann ein paar Schnürsenkel gekauft. Ich leg einen Rubel hin und sehe, dass man mir ein ganzes Bündel Scheine hinblättert. Was soll das, sag ich, ich hab Ihnen nicht hundert, sondern einen Rubel gegeben! Die Verkäuferin hat mir nachher beinahe die Hände geküsst. Jeder andere hätte das Geld eingesteckt und wäre gegangen.«

      Die beiden kommen abermals zu dem Schluss, dass es kaum noch anständige Menschen gebe, und schweigen dann vielsagend.

      Ich weiß nicht, wie es anderen ergangen wäre, ich, der ich mich zwischen den beiden befand, kam mir gleich vor wie einer derjenigen, die auf die eine oder andere Weise kein Wechselgeld zurückgeben. Ein Schuldkomplex war die Folge, und unbedingt wollte ich die näher in Augenschein nehmen, die ihn verursacht hatten. Ich reckte und streckte mich, aber vergeblich. Zum Glück kam der Bus bald zum Stehen, und zusammen mit einem Dutzend Arbeitswütiger, Bibliothekarinnen und Gewerkschaftsräten, wurde ich auf die Straße hinausgedrängt. Hier gelang es mir, mich umzudrehen – und sofort war ich meinen Komplex los. Wer so ein Gesicht hat, dachte ich, der gibt wirklich nicht eine solche Menge Geld zurück. Diese Person ähnelt eher denen, die drei Rubel für einen Stück Butter einstecken. Andere Passanten fluchten und wollten an mir vorbei, aber ich stand noch immer. Dann brachte ich meine Kleidung in Ordnung und begab mich in bester Stimmung in mein Büro. Irgendwann, das weiß ich, werde ich darüber schreiben: Über die beiden Damen, das Wechselgeld und die Schlechtigkeit der Welt. Und über meinen plötzlich aufgekommenen und gleich wieder abgeschüttelten Schuldkomplex.

      Über die Hilfe der Familie beim Kunstschaffen

       Einige Schriftsteller, Maler, mit einem Wort: Menschen, die sich den Schönen Künsten verschrieben haben, beschweren sich häufig, dass die Familie sie hindere, schöpferisch tätig zu werden. Ich kann das von meiner nicht behaupten, eher im Gegenteil. Aber hier liegt vielleicht ein besonderer Fall vor.

      Da ruft mich doch ein Freund an, oder auch kein Freund, kurz und gut: einer aus der Redaktion. »Hast du vielleicht«, fragt er, »irgendwas Lesbares zur Hand, wir hätten da in unserem Journal noch Platz.«

      »Klar, hab ich«, antworte ich, obwohl das eine faustdicke Lüge ist. Aber sage ich, ich hätte nichts, dann ruft er einen anderen an. Und Platz für mich wird es dann lange nicht geben.

      Ich stürze mich also in die Elfer-Straßenbahn und jage nach Hause. Was ich jetzt brauche, ist eine tragfähige Idee, ein passendes Sujet, das eine oder andere pikante Detail (um das Publikum bei Laune und zugleich bei der Stange zu halten), dann gilt es, alles flott zu Papier zu bringen, in die Maschine zu tippen und morgen früh abzuliefern. So läuft das Geschäft.

      Zu Hause angekommen, lege ich mich aufs Sofa, konzentriere meinen Blick auf die Zimmerecke, wo ein Sessel steht, und beginne nachzudenken. So intensiv, bis sich im Kopf ein leichtes Schwindelgefühl bemerkbar macht. Dann erblicke ich die Muse. Sie hat es sich im Sessel bequem gemacht und wippt verführerisch mit dem Bein. So schön ist sie, dass ich unwillkürlich die Hand nach ihr ausstrecke. Wer Mann ist, wer noch Saft und Kraft hat, der wird mich verstehen.

      »Nun hör mal«, die Muse scheint etwas pikiert. »Wegen so einer läppischen Sache rufst du mich?« Sie stößt meine Hand weg.

      »Nicht deswegen«, entgegne ich, »sondern einfach, weil du mir gefällst.«

      »Du bist alt genug, um zu wissen, dass man mich dazu extra einladen muss«, erwiderte die Muse kühl. »Und nun also: Das Sujet ist folgendermaßen, die Idee soundso ...« Schon ist sie wieder am Verschwinden.

      »Und Details?«, rufe ich.

      »Na, sag mal.« Die Muse ist nun deutlich verärgert. »Wer schreibt am Ende das Ding – du oder ich? Und wer ist einzig hinterm Geld her und gibt dann noch an mit seinem Talent?«

      »Damit bin wohl ich gemeint.«

      »Eben.« Die Muse verschwindet. Nichts bleibt von ihr, nur dieser berauschende Duft. Irgendwie wie Frühling. Ich bitte, mich recht zu verstehen. Seufzend zünde ich mir eine Zigarette an und begebe mich in die Küche, die Details auszudenken. Dort finde ich meine Frau, sie kocht Kaffee. Ich setze mich auf einen Hocker, nehme einen tiefen Zug, dann richte ich meinen Blick erneut in die Zimmerecke.

      »Weißt du«, sagt meine Frau, »ich will ein bisschen was in der Wohnung ändern.«

      »Tu das«, entgegne ich. »Aber störe mich jetzt nicht. Denn wenn mir nichts einfällt, wird es auch dafür nicht reichen.« Sie verstummt für einen Augenblick. (Früher hab ich ihr gefallen, heute ist es das Geld, was ich nach Hause bringe. Wir passen ideal zusammen.) Und schon geht es wieder los.

      »Hör mal, was ich mit der Wohnung vorhabe.« Viel sei es nicht. Nur die Badewanne und das WC wolle sie versetzen, eine Wand einreißen, eine andere zumauern, dazu sämtliche Zimmer mit einem neuen Fußbodenbelag versehen. An die Decke sollte irgendeine Folie »wie bei der Arlauskiene«. Auch diese »Papptür« zur Küche solle verschwinden und durch eine aus Eiche ersetzt werden. Das sei alles.

      Ich dachte, dass ich jeden Tag die Muse einladen sollte, schwieg aber.

      »Und außerdem«, fuhr meine Frau fort, »hab ich überhaupt nichts anzuziehen.«

      »Wie das!« Jetzt halte ich es nicht mehr aus. »Vor lauter Klamotten geht bei dir kaum noch die Schranktür zu, da mussten wir schon einen Sessel davor stellen.«

      »Alles Plunder. Kann man den Zigeunern schenken.« Hier bin ich kein Spezialist, sie weiß das besser, deshalb ist es am klügsten, jetzt die Details auszudenken. Aber nun stelle ich entsetzt fest, dass mir die dazugehörige Idee entfallen ist. Ich habe bereits einen kräftigen Fluch auf den Lippen, als es an der Wohnungstür klingelt. Ich öffne und erblicke eine ältere Dame, die meinen Sohn am Kragen gepackt hat. Der Dame ist der Hut ins Genick gerutscht, dem Sohn die Mütze über die Augen.

      »Sind Sie der Vater dieses Kindes?«, fragt die Dame. Ich bestätige es und erkenne die Lehrerin meines Sohnes.

      »Guten Tag.«

      »Dann versohlen Sie ihm mal ordentlich das Fell«, sagt die Lehrerin, ohne meinen Gruß zu erwidern. »In diesem Fall macht die Pädagogik eine Ausnahme.«

      »Was hat er denn angestellt?«, frage ich unschuldig.

      »Er behauptet, das Wort ›kosten‹ sei entweder ein Adjektiv oder ein Substantiv.«

      »Na, wenn ›teuer‹ ein Adjektiv ist«, ermuntere ich den Sohn, »wie lautet dann das dazugehörige Substantiv?«

      »Ein Haufen Kohle«, antwortet der.

      »Ihr seid einer wie der andere!«, entrüstet sich die Lehrerin, macht auf der Stelle kehrt und wirft die Tür hinter sich zu. Erst jetzt puffe ich den Sohn ein paarmal in den Rücken, denn in der Hektik habe ich selbst das Sujet vergessen.

      Wieder lege ich mich aufs Sofa, konzentriere mich, bis mir fast schwindelig wird im Kopf, aber die Muse lässt sich nicht blicken. Offenbar ist sie noch immer gekränkt, dass ich auf so eine alberne Art und Weise ihre Vorschläge vergessen habe.

      Nun, da schreibe ich eben auf, was mir heute so alles zugestoßen ist. Das ist auf seine Art doch auch interessant.

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