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      Heiko Werning

      In Bed with Buddha

      Ein episodischer Entwicklungsroman

      FUEGO

      - Über dieses Buch -

      Ein episodischer Entwicklungsroman von Westfalen in den Wedding, zwei Biotope, wie sie unterschiedlicher kaum sein könnten. In Heiko Wernings Geschichten leben die eigenwilligen Einwohner dieser Rückzugsgebiete auf und schillern in ihrer komischen Schönheit. Da ist zum einen Westfalen, ein Landstrich, dessen Einwohner mit stoischer Gelassenheit auf den hektischen Medienbetrieb schauen, nur weil mal ein paar Tage der Strom ausgefallen ist, wo liberale Mütter den Kontakt zur jungen Generation suchen und "ganz offen" über Sex reden wollen, wo Vorstadtwitwen nachts durch ihre Gärten kriechen und Schnecken zerschneiden.

      Und da ist der Wedding, wo Menschen, die sich in ihren Hinterhöfen nie zu Gesicht bekommen, sich Lebenshilfe aus den Fenstern ihrer Wohnungen zurufen, wo Rassisten aus Protest gegen die vielen Ausländer mit der thailändischen Geliebten nach Südostasien abhauen, wo Betrunkene sich nachts an den schrecklichsten Imbissbuden des Landes treffen, um sich selbst zur Katharsis zu verhelfen, ein Stadtteil, von dem alle sagen, dass man dort keine Kinder aufziehen könne, obwohl doch vermutlich nirgendwo in Deutschland mehr Kinder aufwachsen als gerade hier.

      »Das Unspektakuläre findet seinen würdigen Platz in Wernings Texten, es wird zuweilen überhöht, zugespitzt, ins Absurde gedreht, oft aber auch nur lakonisch dahererzählt. Werning gräbt sich tief in die Beobachtung einer Situation und destilliert ihre komische Essenz. Er schreibt mit exzellent trockenem Humor.«

      taz

      »In Bed with Buddha ist [...] ein sehr sinniges Plädoyer für die Provinz und eine liebevolle Entzauberung der Großstadt als Sammel- und Fluchtpunkt der “coolen” aller Art. Ein bisschen geht es mir mit Wernings Texten so, wie mit der Musik von Manfred Maurenbrecher: Beide sind nach der herrschenden Geschmackspolizei extrem unmodisch und uncool, aber genau das macht sie wahrhaftig und extrem standhaft. Schönes Buch.«

      Jochen Reinecke, ZEIT online

      Prolog

      Das Flusspferd

      ES WIRD VIEL ZU VIEL GESCHIMPFT über Berlin. Dabei erlaubt die Metropole jedem Menschen, der willig ist, dies anzunehmen, höhere Einsicht und Erhabenheit. Denn sie unterhält im Zoo ein Flusspferdhaus. Ein Flusspferdhaus, dessen Wasserbecken wie in einem großen Landschaftsaquarium mit einer Glasscheibe abgetrennt ist, sodass die Zuschauer direkt in das Unterwasserreich der Flusspferde blicken können. Und auf die Flusspferde selbst auch, aus nächster Nähe und ohne störende Gitter.

      Es gibt wenig erfreulichere Anblicke auf der Welt als ein Flusspferd. Umso erstaunlicher ist es, dass es auch in Berlin Menschen gibt, die wertvolle Lebenszeit damit vergeuden, Computerzeitschriften oder Martin Walser zu lesen, in Boutiquen nach etwas, was sie dann schick nennen, zu suchen, oder in Cocktail-Lounges zu chillen; dabei könnten sie stattdessen doch auch die Flusspferde im Zoo anschauen. Im Regelfall liegen diese irgendwo herum und machen gar nichts, außer verdammt imposant zu sein. Verdammt imposant zu sein, ohne irgendetwas dafür zu tun, ist eine sehr schöne Eigenschaft. Wie viel Unheil entsteht, nur weil Menschen imposant wirken wollen, obschon sie es doch so gar nicht sind? Die arabischen Jugendgangs auf der Straße mit ihrem Gestammel, ihren aufgeplusterten Jacken, den lächerlichen Schiffchen-Rasur-Frisuren und dem ganzen Ghetto-Getue, und dann aber zu Hause vor Mama und Papa wegducken und das Schwesterchen verpetzen, wenn es sich mal das Kopftuch abnimmt. Ganz zu schweigen von den ostdeutschen Relikt-Jugendlichen, die sich in Bomberjacken und Springerstiefel packen, um beeindruckend zu wirken, und dann doch nur in Gruppen einzelne Schwächere verprügeln können.

      Ein Flusspferd muss niemandem vormachen, dass es imposant sei, es ist einfach imposant. Dabei spielt es sich kein bisschen auf. Wenn es will, kann das Flusspferd sich durchaus durchsetzen, ganz allein, ohne Stiefel und ohne Meute – es ist das gefährlichste Großtier in Afrika. Wenn man es in Ruhe lässt, liegt es aber einfach nur herum. 4500 kg Ruhe und Überlegenheit. Und das trotz dieser kleinen Schweinsäuglein und der im Maßstab geradezu lächerlichen Öhrchen, die wie unbeholfen drangeklebt wirken – na und? Das Flusspferd wackelt hin und wieder genüsslich mit ihnen. Dafür sollen sie sein, die winzigen Öhrchen, und dafür sind sie gut. Was zählt es, dass sie viel zu klein aussehen für dieses riesige Tier, wenn es damit doch so vorzüglich zufrieden wackeln kann?

      Das Flusspferd liegt auf einer Insel im Wasser, breitet einen Zentner neben dem anderen in der Sonne aus und wackelt mit den Öhrchen. Mehr Friede ist nicht möglich auf dieser Welt. Oder das Flusspferd treibt im Wasser, und ganz gelegentlich lässt es einige Knubbel seines Oberkopfes oder die Barthaare, die wie die letzten verkohlten Borsten eines explodierten Besens aussehen, über die Oberfläche ragen, schnaubt ein bisschen und sinkt dann wieder herab. Dann sieht man manchmal kleine Blasen von dort aufsteigen. Da freut das Flusspferd sich, weil es lustige Blasen machen kann, indem es Luft durch seine Nasenlöcher pustet. Und dann sieht man, wie auf der anderen Seite des Flusspferdes noch größere Blasen aufsteigen. Da freut das Flusspferd sich auch, weil es lustige Blasen machen kann, indem es die Luft auf der anderen Seite aufsteigen lässt. Nach Herzenslust blubbert es an beiden Flusspferdenden, und dazwischen herrscht Zufriedenheit und Ruhe.

      Aber das Flusspferd kann auch anders. Leute, die ihre Zeit damit vergeuden, in Boutiquen nach schicken Sachen zu suchen, Computerzeitschriften oder Martin Walser zu lesen oder in Cocktail-Lounges zu chillen, nehmen an, es müsse irgendwie unbeholfen durch die Gegend torkeln. Dabei hat doch Gewicht so wenig mit Eleganz zu tun! Wenn das Flusspferd sich im Wasser bewegt, dann gleitet es elegant, wie tänzerisch, an der Scheibe und den staunenden Betrachtern vorbei. Viereinhalb Tonnen angefressene Fleischmasse, aber wie eine Elfe schwebt es dahin, berührt den Boden nur mit den Spitzen seiner Hufe, die im vollendeten Gleichklang den Untergrund streicheln, ohne irgendwo anzustoßen, in perfekt harmonischer Bewegung, voll höchster Grazilität.

      Das Flusspferd ist mein Vorbild. Auch ich lege höchsten Wert auf grazile Bewegungen, behände schlängle ich mich durch die Massen, flink und geschickt, während der durchschnittliche Berliner, egal ob Ureinwohner oder zu­gezogener Medieninformatiker, sich mit der Sensibilität einer Planierraupe durch die Menge schiebt, Leute anrempelt und Ellbogen ausfährt. Dabei müssten sie doch nur in Ruhe das Flusspferd betrachten! Das würde überhaupt so vielen Menschen gut tun!

      Man sollte aufhören, über Personen wie beispielsweise Kate Moss in Zeitungen zu berichten. Man sollte ihnen helfen. Indem man sie ein halbes Jahr in ein Flusspferdgehege sperrt. Salat gibt es darin genug, denn das Flusspferd lebt gesund. Und dann soll Kate Moss mal gucken, wie das Flusspferd zum Frühstück seine zwei Doppelzentner Grünzeug verputzt. Wenn man sie dann nach dem halben Jahr wieder raus lässt, ist sie entweder geheilt und erleuchtet, und wenn immer noch nicht, dann ist es letztlich auch egal.

      Selbst Bild-Chefredakteur Kai Dieckmann, bei dem man ja eigentlich auf eine Verbesserung nicht mehr zu hoffen wagt, könnte vielleicht doch noch geholfen werden. Ein Jahr im Flusspferdtank würde ihn lehren, dass man ganz entspannt und glücklich ganz für sich auch in seiner eigenen Kloake leben kann, dass man gar nicht unbedingt andere ungefragt in die Kloake hineinziehen muss. Und, ganz nebenbei, vielleicht würde ein Jahr Einweichen im Flusspferdsud seine durch unsachgemäße Dauereingelung vermutlich längst verpanzerte Kopfbehaarung doch noch irgendwie wieder lösen können.

      Ganz zu schweigen von den erwähnten Jugendgangs, ob türkisch, arabisch oder deutschnational: Das Flusspferd würde sie schon schnell lehren, wie weit es mit ihrer Großmäuligkeit her ist. Das Flusspferd könnte uns allen so vieles lehren!

      Darum glaubt mir, Freunde, wenn ich euch sage: Und würde morgen die Welt untergehen, so würde ich mich heute noch vor ein Flusspferdgehege pflanzen.

      I.

      Die Jugendlichen heute sind da viel lockerer

      Zoodirektor

      LOKOMOTIVFÜHRER ODER FEUERWEHRMANN wollte ja schon in den 70er-Jahren niemand mehr werden. Eher Rennfahrer, Astronaut, Bankchef oder Atomphysiker. Mich hat diese Diskussion nie berührt, ich wusste immer ganz sicher, was ich werden wollte: Zoodirektor. Und da meine

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