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      »Sie sind ja da, Frau Anderten«, sagte sie erleichtert. »Marianne hat mir den Schlüssel gebracht, damit ich mal nach den Kindern sehe. Sie sagte aber, dass die beiden schon im Bett sind.«

      »Wir sind aber wieder aufgestanden«, erklärte Benny trotzig.

      »Marianne wird ganz schön dreist«, meinte Herta Töpfer. »Wenn ich gewusst hätte, dass die Kinder noch nicht schlafen, wäre ich schon früher gekommen.«

      »Sie waren nicht lange allein«, sagte Viola entschuldigend. »Ich hatte mich etwas verspätet.«

      »Und ich habe die Kollektion noch fertig machen wollen. Es ist bald nicht mehr zu schaffen, Frau Anderten, wenn ich das sagen darf.«

      »Können Sie noch ein bisschen bleiben, Frau Töpfer?«, fragte Viola. »Ich bringe die Kinder jetzt ins Bett, dann könnten wir ja noch ein bissel was gemeinsam essen.«

      Auf Herta Töpfer wartete niemand, sie nickte zustimmend. Die Kinder murrten nicht. Sie waren müde, und zu essen hatten sie wenigstens bekommen. Doch diesbezüglich war Benny auch sehr selbstständig. Er holte aus dem Kühlschrank, was ihm und Sandra schmeckte.

      An diesem Abend wurde Viola jedoch wieder einmal von Gewissensbissen geplagt, da ihr plötzlich in den Sinn kam, dass ihr etwas passieren, dass sie einen Unfall haben könnte, und dann wären die beiden Kinder allein. Es war schwer, alles unter einen Hut zu bringen, aber was sollte sie denn tun, wenn Thomas sich ganz von ihnen trennte? Sie hatte so ein dumpfes Gefühl, das schmerzhaft und quälend war. Ihre Eltern hatten sich schon nach zehnjähriger Ehe getrennt, und die Mutter war darüber nie hinweggekommen. Nein, so wollte sie nicht leben, und sie wollte dann auch nicht mehr von seinem Geld leben. Sie war ungeheuer stolz. Aber warum dachte sie das?

      Als sie sich zu Herta Töpfer setzte, vertrieb sie diese Gedanken. Sie sprachen vom Geschäft und auch davon, dass sie unbedingt eine zuverlässige Haushälterin brauchen würde, die auch Kinder mochte.

      »Das werden Sie wohl müssen, Frau Anderten«, sagte Frau Töpfer bedächtig. »Wenn die Produktion weiter so floriert, müssen Sie gar schon ans Anbauen denken.«

      »Nein, größer soll es nicht werden«, sagte Viola. »Ich muss auch noch Zeit für die Kinder haben. Ich muss das alles überdenken.«

      Und ihr Mann wird ja wohl auch mal wieder heimkommen, dachte Frau Töpfer, aber sie wagte es nicht zu sagen, denn Viola sprach nie über ihren Mann.

      Nein, das tat Viola nicht, es schmerzte sie zu tief, dass zwischen ihr und Thomas eine solche Entfremdung eingetreten war. Sie liebte ihn doch immer noch, und sie meinte, dass er, wenn er sie auch noch lieben würde, dies auch mal wieder zeigen könnte.

      Aber Thomas Anderten sah sich seit einigen Wochen in eine so verzweifelte Situation gedrängt, aus der er keinen Ausweg wusste, dass er schon zehn Briefe an seine Frau angefangen und diese dann doch wieder zerrissen hatte. Und gerade an diesem Tag hatte er ein Telegramm bekommen, dessen Inhalt ihn kopflos werden ließ.

      Da Du nichts von Dir hören lässt, werde ich mich an Deine Frau wenden. Sonja.

      Er saß auf einer Insel in der Karibik über wichtigen und geheimen Forschungsaufgaben. Er konnte nicht telefonieren und durfte das Camp frühestens in einer Woche verlassen. Das waren die Bedingungen, die mit diesem Vertrag verbunden waren. Er hatte nur die immensen Vorteile gesehen, die seiner Karriere nützlich waren. Nicht einen Augenblick hatte er bedacht, was er auch verlieren könnte. Er hatte mit Besessenheit gearbeitet, doch in dieser Nacht dachte er nur an Viola und seine Kinder. Dann aber auch an Sonja, und trotz der Schwüle, die auch in der Nacht im Raum lastete, fröstelte es ihn. Das Telegramm war eine Drohung, und er wusste, dass Sonja diese Drohung wahrmachen würde.

      *

      Viola sollte das schon am nächsten Tag erfahren, der schon unfreundlich für sie begonnen hatte. Als sie Marianne Vorhaltungen machte, dass sie die Kinder allein gelassen hatte und erst am Morgen gekommen sei, schürzte sie dreist die Lippen.

      »Ich habe einen Freund, der gern mit mir zusammen ist«, sagte sie, »und ich will nicht mal so allein herumhocken wie Sie. Wenn Ihnen was nicht passt, kann ich ja gehen.«

      »Dann gehen Sie«, sagte Viola gereizt. »Ich kann niemanden brauchen, auf den nicht Verlass ist.«

      Einen Augenblick war Marianne doch sprachlos, aber dann grinste sie frech. »Sie werden sich aber hart tun, hier jemanden zu finden, wenn Sie so kleinlich sind.«

      »Das braucht Ihre Sorge nicht zu sein.« Wenn Viola mal der Gaul durchging, dann gab es kein Zurück mehr für sie, mochte kommen, was da wolle.

      Damit hatte Marianne allerdings nicht gerechnet, aber es blieb ihr nun nichts anderes übrig, als ihren Koffer zu packen.

      »Ich könnte ja auch vors Arbeitsgericht gehen«, sagte sie noch, als ihr Viola den Lohn auszahlte.

      »Gehen Sie doch«, war alles, was Viola erwiderte. Es war dicke Luft. Sie spürte etwas noch nicht Greifbares auf sich zukommen. Sie hatte manches Mal solche Ahnungen.

      »Jetzt hat Marianne aber dumm geguckt«, wisperte Benny. »Wer kommt denn nun, Mami?«

      »Wir werden schon jemanden finden. Lasst mir mal ein paar Minuten Ruhe. Ich muss telefonieren.«

      Sie rief zuerst beim Arbeitsamt an, ob man ihr jemanden für den Haushalt schicken könnte. Man konnte nicht.

      Sie hatte es schon erwartet. Blieb jetzt Fee als Retterin in der Not. Sie hatte ja angedeutet, dass sie vielleicht jemanden wüsste.

      Fee war gleich ganz Ohr. »Ich habe gerade Besuch bekommen, Viola«, sagte sie. »Ich rufe dich gleich wieder an. Vielleicht klappt es. Gedulde dich noch ein bisschen. Ich muss dir dann etwas erklären.«

      Frau Weber war schon am frühen Morgen entlassen worden. Nachdem sie zu Haus ein Bad genommen und sich frisch gekleidet hatte, war sie gleich zu Fee gegangen, um sich bei ihr zu bedanken. Allerdings auch deshalb, weil Dr. Norden ihr eindringlich gesagt hatte, dass Fee möglicherweise eine gute Nachricht für sie hätte.

      Die Hausmeisterin war zwar nicht ausgesprochen unfreundlich gewesen, aber doch sehr reserviert, und Frau Weber fühlte sich immer noch von einem Makel behaftet.

      Ihr kamen die Tränen, weil sie von Fee so herzlich empfangen worden war.

      »Mein Mann sagte mir, dass Sie ungern wieder ins Geschäft gehen würden, Frau Weber«, begann Fee behutsam.

      »Das kann ich wirklich nicht, Frau Doktor. Dem fühle ich mich nicht gewachsen. Ein paar Kolleginnen sind ja nett, aber es sind auch welche da, die einem das Leben auch so schon schwermachen können.«

      Dazwischen kam dann der Anruf von Viola, und nun machte Fee keine langen Umschweife mehr.

      »Kennen Sie Viola Anderten, Frau Weber?«, fragte sie.

      »Von Viola-Kindermoden? Persönlich nicht, aber es sind sehr hübsche Sachen, und sie werden viel gekauft.«

      »Nun, Frau Anderten ist eine Schulfreundin von mir, und sie hat zwei Kinder, die gut betreut werden müssen, weil Viola die Arbeit über den Kopf wächst. Sie lebt in Ammerland. Dort wären Sie bestimmt keinem Gerede ausgesetzt.«

      »Aber ob sie mich nehmen würde«, fragte Frau Weber bebend. »Der Paul heißt doch nun mal Weber.«

      »Viele ehrbare Leute heißen Weber«, sagte Fee aufmunternd. »Ich werde Viola sagen, was Ihnen widerfahren ist. Lenni bringt Ihnen inzwischen eine Brotzeit, Frau Weber.«

      »Ich kann mich doch nicht bedienen lassen«, murmelte Hilde Weber.

      »Warum denn nicht?«, lächelte Fee. »Lenni tut das sehr gern. Sie müssen doch mal wieder was Kräftiges essen.«

      Und das brachte Lenni, während Fee wieder mit Viola telefonierte.

      Viola hatte schweigend zugehört. »Ich wäre ja heilfroh, Fee«, sagte sie, »aber wenn nun dieser Paul wieder freikommt?«

      »So schnell nicht, Viola, und für Frau Weber

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