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für Ärger geben mag. Ja, viele der vorgebrachten Anschuldigungen haben sich im Laufe der Ermittlung als völlig unbegründet erwiesen. Ihr Nazarener benehmt euch oft unverschämt. In die Gunst der ausländischen Konsule und Missionare vertrauend, verhöhnt, verärgert oder schmäht ihr sogar gelegentlich die Moslems. Also, selbst unter der Annahme, eure Schilderung der Ereignisse wäre korrekt – was ich stark bezweifle, denn auf der einen Seite sehe ich eine leichte Holzkelle, auf der anderen zwei gute Spazierstöcke mit Silberknauf, einer von euch hat seinen Stock vor Angst fallen gelassen, und ihr seid zwei, während dieser arme Koch allein ist. Selbst wenn das, was ihr berichtet habt, wahr wäre, seid ihr sicher, dass nichts an eurer Erscheinung, euren Worten oder eurem Verhalten ihn verärgert haben könnte? Ich neige zu der Annahme, dass ihr ihn verspottet oder vielleicht über seinen Glauben gelästert habt.«

      Solche Worte von einem muslimischen Richter in einem Saal voller Moslems ließen die beiden Christen ängstlich zittern. »Er schlug uns grundlos und überaus heftig«, stöhnte einer der Angesprochenen.

      »Wir haben ihn nicht einmal gesehen, bis er begann, uns zu schlagen. Bei Allah, mein armer Kopf ist wund, mein Rücken gebrochen von diesen furchtbaren Schlägen. Er war wie ein Irrer!« Der Sprecher und sein Mitkläger weinten laut.

      »Hast du diese beiden Jungen geschlagen, so wie er es beschreibt?«, fragte der Richter und wandte sich ebenso streng an den Koch.

      »Nein, o Exzellenz!«, lautete die bittere Antwort. »Man hat mir übel mitgespielt und mich verleumdet. Ich habe diese beiden Männer nie zuvor gesehen.« Auch er begann bitterlich zu weinen.

      »Beide Parteien lügen mich an!«, rief der Richter erzürnt. »Denn du, o Koch, hast diese Jungen geschlagen. Die Tatsache ist bekannt, denn du wurdest verhaftet, während du auf sie einschlugst. Und ihr, o Nazarener, seid nicht schwer verletzt, denn jeder sieht, dass ihr vollkommen gesund seid und eure Kleidung heil ist. Eure Schande ist größer, denn es ist erwiesen, dass ihr diesen Moslem wegen religiösen Hasses angeklagt habt.«

      »Bei Allah, nein, Eure Exzellenz. Wir wollen dem Mann nichts Böses. Wir haben nur gesagt, was geschehen ist.«

      »Ihr seid allesamt Schurken«, brüllte der Richter. »Jede Partei soll einen ganzen Mejîdi an das Gericht zahlen. Die Parteien sollen sich jetzt sofort vor mir und für alle Zeiten Frieden und lebenslange Freundschaft schwören, und ich will nichts mehr von ihnen hören!«

      Die jungen Christen umarmten den Koch, der Koch umarmte die jungen Christen immer wieder, und alle weinten vor Erleichterung, einer Bestrafung entkommen zu sein. Ich zahlte die Strafgebühr für unseren Mann, der uns nach Hause begleitete. Suleymân hielt unterwegs einen Vortrag von solch hoher Moral, in solch einer himmlischen Sprache, dass der arme, schlichte Bursche wieder zu weinen anfing und Allah um Vergebung bat.

      »Es ist deine Pflicht, zu bereuen«, sagte Suleymân beifällig. »Doch auch gegenüber dieser Welt kannst du Wiedergutmachung leisten. Koche heute Abend so gut du nur kannst, denn der Richter ist unser Gast.«

       Nawâdir – Kostbarkeiten

      Eines späten Nachmittags erreichten wir ein Bergdorf und schlenderten durch die Ortschaft, da riefen einige ungezogene Kinder: »Hallo, o mein Onkel, du bist zu zweit gekommen!«

      Es war ein gängiger Scherz beim Anblick europäischer Hosen, die man damals selten zu Gesicht bekam. Doch Suleymân zeigte sich nach meinem Bericht sehr verärgert. Er kehrte um und hielt den Kindern eine furchtbare Strafpredigt, tadelte sie streng, da sie sich erdreistet hatten, einen Fremden und Gast derart zu beleidigen. Seine Missbilligung beruhte auf solch hohen Prinzipien, dass niemand, der auch nur ein Fünkchen Frömmigkeit oder guten Willen im Herzen trug, widerstehen konnte; und seine Redekunst war so eindrucksvoll und gleichzeitig überzeugend, dass nicht nur die Kinder, sondern auch viele Erwachsene ihm folgten, als er schließlich fortging.

      Das Dorf lag hoch oben, unter dem Gipfel eines Bergkamms, und von einer nur einen Steinwurf entfernten Felsengruppe aus konnte man das Meer sehen, eine große blaue Mauer, die sich nach Norden und Süden erstreckte. Wir hockten zwischen diesen Felsen, um den Sonnenuntergang zu beobachten. Die Dörfler ließen sich in Hörweite nieder, einige unter, andere über uns. Bald sagte ein alter Mann: »Ihr sprecht wohl, o Weiser! Sie haben gesündigt, als sie solch Worte hinter dem Rücken eines vornehmen Gastes riefen. Ihr schlechtes Benehmen verlangt nach strenger Erziehung. Aber ich bin überzeugt, dass kein Kind, das den Worten von Euer Ehren gelauscht hat, je wieder so unverschämt sein wird.«

      »Amân!« (Friede), rief einer der Missetäter. »Allah weiß, dass wir es nicht böse gemeint haben.«

      Ich beeilte mich zu erklären, dass die Beleidigung nichts bedeute. Doch Suleymân erlaubte nicht, dass ich sie kleinrede.

      »Euer Ehren seid noch zu jung«, sagte er gebieterisch, »um den mystischen Wert der Worte und Taten eines Mannes zu verstehen. Ein Wort kann gut gemeint und unschuldig sein und dennoch viel Unheil heraufbeschwören, wenn es etwas besonders Bösartiges in sich trägt. Ihr wisst alle, wie die Jânn auf unbedachte Worte reagieren können; dass, wenn ich eine Ziege, einen Hund oder eine Katze bei ihren Gattungsnamen rufe, ohne jeweils auf das gemeinte Tier zu deuten, ein Jinni wahrscheinlich herbeieilen wird, da viele Jânn mit Tiernamen gerufen werden. Ihr wisst auch, dass es schlimm enden kann, wenn man die Schönheit eines Kindes lobpreist, ohne es Allah als Opfer darzubieten. Denn es gibt einen unsichtbaren, eifersüchtigen Zuhörer, der alle Nachkommen Evas hasst und sie verunstalten möchte. Solche Tatsachen sind jedem Dummkopf bekannt, und ihre Bedeutung ist klar. Doch liegt eine andere, schwerer erkennbare Gefahr im sorglosen Umgang mit Worten, besonders bei persönlichen Bemerkungen wie jenen der Kinder, als sie unserem guten Herrn nachriefen: ›Du bist zu zweit gekommen‹, und so die Aufmerksamkeit auf den lebendigen Körper richteten. Ich erinnere mich an eine Kostbarkeit, die Euch vielleicht vage zu verstehen hilft, was ich meine.

      Ein gewisser Bauer (Fellâh) war geplagt von einer törichten Ehefrau. Als er eines Tages fortgehen musste, erklärte er ihr alles, was zu tun sei, und befahl ihr, besonders auf die Kuh zu achten, denn er fürchtete, die Kuh könnte umherwandern, wie sie es bereits getan hatte, und die Nachbarn verärgern. Er konnte sich nicht vorstellen, dass solch ein Auftrag an solch eine Person, also die Absicht, die Aufmerksamkeit der Frau auf etwas Bestimmtes zu lenken, zu Unheil führen würde. Der Mann meinte es gut; ebenso die Frau. Sie konzentrierte sich ganz darauf, seine letzten Worte vor der Abreise zu befolgen. Nachdem sie alle Arbeiten im Haus erledigt hatte, setzte sie sich unter einen Olivenbaum, der vor der Tür wuchs, und richtete ihre ganze Aufmerksamkeit mit aller Macht auf das einzige lebende Wesen in Sichtweite, die schwarzweiße Kuh, die in dem Bereich graste, den ihr eine kurze Leine gewährte. Die Verantwortung wog so schwer, dass die Frau es mit der Angst bekam, und nun, da sie so angestrengt starrte, auf den Gedanken verfiel, mit der Kuh sei etwas nicht in Ordnung. In Wahrheit hatte das arme Tier das ganze Gras in Reichweite gefressen, doch der Frau wollte nicht einfallen, den Pflock mit der Leine zu versetzen.

      Schließlich kam ein Nachbar des Weges. Sie bat den weithin als freundlich bekannten Mann, die Kuh zu untersuchen und ihr zu sagen, was mit ihr los sei. Der Nachbar war ein Spaßvogel und kannte die Frauen. Er wusste auch, wie viel Ärger die Kuh machte, da sie immer den Pflock herausriss und in den bepflanzten Feldern umherwanderte. Nach langer eingehender Untersuchung erklärte er: ›Der Schwanz tut ihr weh, und man sollte ihn entfernen. Schaut nur, wie sie damit hin und her wedelt. Schneidet man den Schwanz nicht sofort ab, wird die Kuh eines Tages sterben.‹

      ›Barmherziger Allah!‹, rief die Frau. ›Bitte schneidet ihn für mich ab. Ich bin ganz allein und hilflos.‹

      Der Mann hob die Axt, die er bei sich trug, und hackte den Schwanz der Kuh nah des Rumpfes ab. Er gab ihn der Frau, und sie dankte ihm herzlich. Er ging fort, während sie die Bewachung der Kuh wieder aufnahm. Und noch immer glaubte sie, das Tier sei nicht ganz gesund.

      Ein anderer Nachbar kam des Wegs. Sie erzählte ihm von ihrer Sorge und wie der weithin als freundlich bekannte Sheykh Mukarram ihr geholfen habe, indem er den kranken Schwanz abgehackt hatte.

      ›Natürlich‹,

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