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noch, es interessiert Sie auch nicht.«

      Adrians Gesicht verschloß sich, und seine Stimme wurde kühl. »Genauso ist es, Herr Sandberg. Oder können Sie mir sagen, was an einer solchen Geschichte interessant sein soll? Jeder Spießer geht ins Bordell – warum nicht auch Sie?«

      Das hatte gesessen, er sah es an Robert Sandbergs Augen. »Gut pariert, Doktor«, sagte der Industrielle.

      Adrian schämte sich für seine Unbeherrschtheit. Er mochte den Mann nicht, aber das gab ihm nicht das Recht, ihn zu beleidigen – auch wenn er es vielleicht verdient hatte. Aber Adrian war Arzt, kein Sittenwächter. Das Privatleben von Robert Sandberg ging ihn nichts an.

      »Sie können sicher bald entlassen werden«, sagte er ruhig. »Ich wollte mich nur noch einmal vergewissern, daß mit Ihnen wirklich alles in Ordnung ist. Guten Tag.«

      Ohne ein weiteres Wort verließ er das Zimmer, und der Patient brauchte noch mehrere Minuten, bis er seine Fassung wiedergewonnen hatte. Dieser verflixte junge Doktor schaffte es offenbar jedesmal, ihn aus der Ruhe zu bringen.

      *

      »Was ist denn nur los?« fragte Rosemarie Hagen ihre Nichte. Das fragte sie schon seit einer Viertelstunde, aber aus Mareike war gar nichts herauszubringen. Sie schluchzte zum Steinerweichen.

      Rosemarie war nach Berlin gekommen, um ihrer Nichte noch ein paar Sachen zu bringen, die diese ihrer Meinung nach für ihren neuen kleinen Haushalt gut gebrauchen konnte. Sie hatte sich nicht angekündigt, sondern hatte überraschend vor der Tür gestanden. Doch Mareike hatte kaum geöffnet, als sie ihrer Tante auch schon weinend um den Hals gefallen war. Und seitdem hatte sie mit dem Weinen nicht mehr aufgehört.

      Es dauerte eine gute Stunde, bis Rosemarie Hagen sich aus dem, was ihre Nichte schließlich schluchzend und stammelnd herausbrachte, das Wesentliche zusammengereimt hatte. Es gab offenbar einen Mann, der wichtig für Mareike war, und dieser Mann lag nun schwer verletzt in einer Klinik und würde vielleicht nie wieder gesund werden.

      »Jetzt beruhige dich doch endlich, Kind!« sagte die geduldige Rosemarie energisch. »Wie soll ich dir helfen, wenn du mir nicht sagst, worum es eigentlich geht? Wer ist dieser Mann? Ein guter Freund? Warum hast du mir nicht längst etwas von ihm erzählt?«

      Endlich beruhigte sich Mareike ein wenig. »Es gibt nichts zu erzählen, Tante Rosi. Wir sind nur ab und zu zusammen ausgeritten. Und nun ist er so schwer verletzt, und er ist so unglücklich, und ich kann ihm nicht helfen, und…«

      »Sicher kannst du ihm helfen«, widersprach Rosemarie Hagen. »Wenn er so schwer verletzt ist, dann braucht er viel Unterstützung. Du kannst ihn besuchen und ihm Mut zusprechen, das wird ihm sogar sehr helfen.« Sie wollte eigentlich noch mehr sagen, aber sie ließ es sein.

      Mareike war sehr durcheinander, und das hatte offenbar mit ihren Gefühlen für diesen Mann zu tun. Ob sie sich vielleicht in Wirklichkeit deshalb von Robert Sandberg getrennt hatte? Nein, dachte Rosemarie, das mag dabei durchaus eine Rolle gespielt haben, aber die Hauptsache war wohl, daß sie endlich die wahre Natur ihres Mannes erkannt hatte.

      Nun, was diesen anderen Mann betraf, so mußte Mareike selbst wissen, was sie wollte. Einen verhängnisvollen Irrtum hatte sie bereits hinter sich – ein zweiter würde ihr hoffentlich nicht unterlaufen. Aber das war alles Zukunftsmusik, während es in der Gegenwart offenbar viele Probleme gab, die gelöst werden mußten.

      »Ich bleibe ein paar Tage hier, wenn du willst, und helfe dir. Was meinst du?«

      »Wirklich?« Erneut flossen die Tränen, aber dieses Mal eher aus Erleichterung, das sah Rosemarie.

      »Dann mal an die Arbeit, womit fangen wir an?« fragte sie und rieb sich unternehmungslustig die Hände.

      »Ach, Tante Rosi, du bist unmöglich«, sagte Mareike schniefend. »Aber ich bin so froh, daß du da bist.«

      Sie räumten das Auto aus, das Rosemarie bis unters Dach vollgepackt hatte, und stellten fest, daß Mareike die Sachen ohne Ausnahme gut gebrauchen konnte. Danach öffneten sie eine Flasche Wein, und nun konnte Mareike schon etwas ruhiger erzählen, was ihr alles auf der Seele lag: die Scheidung, die Angst vor Robert, die Angst um John Tanner – so heißt er also, dachte Rosemarie –, die ganze ungewisse Zukunft. Es war nicht wenig, das Mareike ängstigte, und ihre Tante bemühte sich nach Kräften, ihr gut zuzureden.

      Sie waren beide ein wenig beschwipst, als sie ins Bett gingen, schliefen aber trotzdem – oder vielleicht auch gerade deshalb – wie die Murmeltiere.

      *

      Adrian Winter und Bernd Schäfer hatten die Notaufnahme verlassen und durchquerten den Eingangsbereich der Klinik. Ihr Dienst war zu Ende, und sie waren beide mehr als froh darüber.

      »Mann, bin ich müde«, sagte Bernd. »Dabei war es heute doch auch nicht schlimmer als sonst, oder?«

      »Bestimmt nicht. Aber ich bin auch müde, muß ich sagen.«

      »Ich werd’ verrückt«, murmelte Bernd plötzlich und hielt Adrians Arm fest. »Guck mal, wer da kommt!«

      »Meine Schwester schon wieder«, stellte Adrian fest und sah seinen Kollegen erstaunt an. »Sie kommt doch im Augenblick relativ oft, um Herrn Tanner zu besuchen. Und was ist daran so bemerkenswert?«

      »Die andere!« stieß Bernd hervor. »Die, die bei ihr ist!«

      Jetzt erst bemerkte Adrian die schöne blonde Frau, die seine Schwester begleitete. Die beiden Frauen waren in ein intensives Gespräch vertieft.

      »Die andere kenne ich nicht. Du etwa?«

      »Das ist Frau Sandberg!« zischte Bernd. »Die Frau von Robert Sandberg. Sie sieht genauso aus wie auf den Fotos. Was hat Esther denn mit Frau Sandberg zu tun?«

      »Keine Ahnung«, antwortete Adrian. »Bist du sicher, daß du dich nicht irrst?«

      »Absolut!« sagte Bernd.

      »Nun«, murmelte Adrian entschlossen, »das werden wir ja gleich sehen.« Laut rief er: »Hallo, Esther!«

      Seine Schwester blickte auf. »Oh, Adrian!« Sie lächelte erfreut. »Ich hatte gar nicht damit gerechnet, dich noch hier anzutreffen.« Sie begrüßten einander liebevoll, auch Bernd bekam einen Kuß auf die Wange. Dann drehte sie sich zu der blonden jungen Frau um, die bescheiden im Hintergrund geblieben war.

      »Frau Sandberg, das ist mein Bruder Adrian Winter, und dies ist Bernd Schäfer. Die beiden sind Ärzte in der Notaufnahme.«

      Mareike schüttelte beiden Männern die Hand und lächelte schüchtern. Sie ist wirklich sehr schön, dachte Adrian. Bernd hat nicht übertrieben.

      Laut sagte er: »Ich wußte gar nicht, daß Sie meine Schwester kennen, Frau Sandberg. Sie wollen sicher zu Ihrem Mann?«

      Sie sah ihn höchst erstaunt an, während eine leichte Röte ihr Gesicht überzog. »Zu meinem Mann?« fragte sie verwirrt. »Wieso denn zu meinem Mann? Ist er hier?«

      Adrian und Bernd wechselten einen ratlosen Blick. Auch Esther merkte, daß etwas nicht stimmte, und warf rasch ein: »Wir wollten eigentlich Herrn Tanner besuchen, den wir beide vom Reiten kennen. Wir haben uns zufällig unterwegs getroffen. Was ist denn mit Herrn Sandberg?«

      Adrian zögerte. »Robert Sandberg ist doch Ihr Mann, oder?«

      Auch die blonde junge Frau zögerte, dann sagte sie: »Ja, sicher. Aber nun sagen Sie mir doch bitte endlich, was mit ihm ist!«

      »Er hatte einen leichten Schlaganfall und ist gestern hier eingeliefert worden«, erklärte Adrian. »Er hat großes Glück gehabt und kann schon bald wieder entlassen werden. Gestern hatte er Sprachstörungen und Lähmungserscheinungen, aber das hat sich alles wieder zurückgebildet. Er ist ja schon einmal hiergewesen, und ich hatte ihn gewarnt, daß er seinen Lebensstil ändern muß. Aber offenbar hat er nicht auf mich gehört.«

      Mareike Sandberg war sehr blaß geworden. Hilfesuchend sah sie zu Esther, als könne diese ihr sagen, was sie jetzt tun solle, und Adrian spürte, daß Esther mehr über die

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