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Seine Augen leuchteten. »Aber ich bekam die Adresse meines Sohnes. Ja, Lina! Ich habe einen Sohn!«

      Der Fürst lächelte stolz. »Ich habe ihn mir angesehen. Er ist im Internat. Ein Prachtbengel! Er gefällt mir sehr. Ich werde ihn adoptieren und zu mir nehmen. In den nächsten Tagen schon. Ich möchte gern, daß Sie ihn holen, Lina. Sie werden ihm natürlich nicht verraten, daß ich sein leiblicher Vater bin. Aber seien Sie lieb zu ihm. Denken Sie daran: Er hat seine Mutter verloren und weiß nicht einmal, daß er noch einen Vater hat.«

      Lina war aufgesprungen.

      »Durchlaucht, ich werde mich des Vertrauens würdig erweisen Mein Gott, wie wunderbar – wir werden wieder einen kleinen Prinzen im Haus haben!«

      Über ihr gerötetes Gesicht liefen die Tränen. Sie wischte sie hastig fort. »Wie alt ist er denn, der kleine Prinz? Und wie heißt er?«

      Der Fürst lächelte gerührt. »Er ist sechs Jahre alt, und er heißt Wolfram.«

      »Ein hübscher Name. Wann soll ich fahren, Durchlaucht?«

      »Gleich morgen, Lina. Ich will ihn so schnell wie möglich hierhaben. Übrigens, eine Frage noch. Sie betreuen doch die Studenten, die ich zur Aushilfe angefordert habe, nicht wahr?«

      »Jawohl, Durchlaucht. Sie sind sehr fleißig. Ich meine, sie sind doch das körperliche Arbeiten eigentlich nicht gewohnt. Aber sie geben sich große Mühe. Die Vorarbeiter sind zufrieden. Und so freundlich sind sie alle! Und so lustig!«

      Lina schwärmte geradezu.

      Der Fürst lächelte.

      »Das ist ja schön. Sagen Sie, Lina, befindet sich eine Sybill von Gereneck darunter?«

      Lina nickte eifrig. »Ja, eine Baronesse ist auch darunter. Sybill von Gereneck, richtig, so heißt sie. Eine sehr liebe Dame ist das.«

      Der Fürst schwieg eine Weile, dann gab er der Mamsell Anweisungen für ihre Fahrt zum Internat. Als sie etwas später das Zimmer verließ, ging er langsam zum Fenster hinüber und sah hinaus.

      Der große Schloßpark lag im Licht der Nachmittagssonne. Der Blick des Fürsten glitt hinüber zu dem Teil des Parks, in dem er als kleiner Junge immer gespielt hatte. Die alte Schaukel war sicher noch da, auch das große Stahlgerüst, auf dem er so gern herumgeklettert war Und in wenigen Tagen würde sein Sohn dort spielen. Sein Sohn! Er hatte einen Sohn!

      Er schritt zum Schreibtisch hinüber und nahm sich eine Zigarette aus einem kleinen Silberkästchen. Hoffentlich machte Lina ihre Sache gut! Er hielt es für richtiger, wenn eine so mütterliche Frau wie sie den kleinen Wolfram abholte. Frauen gegenüber waren Kinder meist sehr viel zutraulicher.

      Der Fürst lächelte glücklich. Er konnte es kaum erwarten, seinen Sohn in die Arme zu schließen und auf Schloß Degencamp willkommen zu heißen.

      *

      Der riesige Erntewagen war über und über mit Heu beladen. Und ganz oben thronten Sybill und Claudia und sangen. Ihre Kommilitonen waren schon auf dem Gutshof eingetroffen, als sie kamen. Sie breiteten allesamt die Arme aus und wollten die beiden Mädchen auffangen.

      »Ich kann ganz allein hinunter«, sagte Sybill übermütig und ließ sich vorsichtig hinabgleiten.

      Aber plötzlich kam sie zu stark ins Rutschen und sauste mit Schwung in Jürgen Bentlohs weit ausgebreitete Arme.

      »Hallo!« schrie er begeistert. »Das ist aber mal was Nettes, was ich mir da eingefangen habe!«

      Er hielt sie lachend fest. »Einen Kuß zum Pfand, Gnädigste. Sonst kommt ihr nicht frei!«

      »Laß sie sofort los, du unverschämter Kerl!« Claus Schröter sprang mit einem Riesensatz auf Jürgen zu und riß an seinen Armen, die Sybill fest umklammert hielten.

      Aber der lachte und rannte mit Sybill auf seinen Armen davon.

      »Seid ihr verrückt geworden?« rief Sybill. »Laß mich sofort herunter, Jürgen!«

      Aber der dachte gar nicht daran und lief mit ihr weiter.

      »Was für ein reizendes Spiel«, ertönte da eine dunkle wohlklingende Männerstimme.

      Sybill fuhr zusammen. »Wenn du mich nicht augenblicklich herunterläßt, passiert etwas!« zischte sie und biß Jürgen in den Oberarm.

      »Du bist ja eine Wildkatze, Sybill«, brummte er und rieb sich den Arm.

      »O ja! Den Eindruck habe ich auch«, sagte Hasso von Degencamp und trat lächelnd auf die beiden zu. »Eine ganz reizende Wildkatze übrigens.«

      Sybill wurde feuerrot. Sie wäre am liebsten in den Boden gesunken. Aber es sollte noch ärger kommen.

      »Wer ist der Herr, Sybill?« fragte Jürgen Bentloh. »Willst du uns nicht bekannt machen?«

      »Er hat sich mir noch nicht vorgestellt«, sagte Sybill aufsässig. »Er ist der Verwalter.«

      »Oh, natürlich, was für eine Unterlassungssünde. Bitte, verzeihen Sie«, sagte der Fürst liebenswürdig. Er verbeugte sich knapp. »Fürst Degencamp.«

      Sybill starrte ihn fassungslos an. Jürgen Bentloh verbeugte sich korrekt und nannte ebenfalls seinen Namen.

      »Ich freue mich, daß Sie alle so liebenswürdig sind, uns ein bißchen bei den Erntearbeiten zu helfen. Ich war leider verreist. Sonst hätte ich Sie schon eher begrüßt. Ich würde mich freuen, wenn ich Sie heute abend zu einem kleinen Drink bei mir sehen könnte.« Der Fürst lächelte erst Sybill und dann Jürgen zu.

      Sybill war nicht fähig, irgend etwas zu sagen. Jürgen Bentloh bedankte sich höflich für die Einladung. Gleich darauf verabschiedete sich der Fürst.

      Claus Schröter starrte der hohen, eleganten Gestalt böse nach.

      »Wie der Sybill angesehen hat«, knurrte er, »am liebsten würde ich mir das verbitten.«

      Sybill, die sich inzwischen wieder gefangen hatte, sagte verärgert:

      »Ich bin nicht dein Eigentum, Claus. Ich kann ganz gut allein fertig werden.«

      Sie ließ die beiden stehen und lief in ihr Zimmer hinauf.

      Claus Schröter sah ihr verdutzt nach. Jürgen Bentloh lächelte amüsiert.

      »Siehst du, Claus, Fürst müßte man sein. Sybill ist eine Baronesse. Du vergißt das immer wieder.«

      Claus wurde böse. »Sybill hat nicht den geringsten Adelsdünkel. Das wäre mir schon längst aufgefallen.«

      Er drehte sich um und ging ebenfalls davon.

      Jürgen Bentloh grinste. »Den hat’s ganz schön erwischt. Aber ich habe nicht den Eindruck, daß Sybill sich allzuviel aus ihm macht.«

      *

      Sybill überlegte, ob sie sich noch nachträglich bei dem Fürsten entschuldigen sollte, weil sie sich einfach das Pferd genommen hatte. Ihr war die ganze Angelegenheit entsetzlich peinlich.

      Aber Fürst Degencamp schien das gar nicht zu erwarten. Er empfing am Abend seine Gäste mit strahlender Laune.

      Sie saßen im Jagdzimmer, und sehr bald war eine rege Diskussion im Gange.

      Der Fürst bezauberte alle mit seinem Charme und seiner Liebenswürdigkeit. Nur Sybill benahm sich nach wie vor äußerst reserviert und kühl ihm gegenüber.

      »Ihre reizende Kommilitonin scheint sich nicht recht wohl zu fühlen«, sagte der Fürst halblaut zu Jürgen Bentloh, dem er gerade eine Zigarette aus einem kostbaren Jadekästchen anbot.

      »Sybill meinen Sie, Durchlaucht?« Jürgen Bentloh sah zu Sybill hinüber, die ein bezauberndes erdbeerfarbenes Wollkleid trug.

      »Ja, allerdings – ich muß zugeben, sie ist unwahrscheinlich still heute abend. Das ist eigentlich sonst gar nicht ihre Art. Aber vermutlich erinnert sie alles hier ein wenig an ihr Zuhause. Sie ist ebenfalls auf einem Schloß großgeworden. Nach dem

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