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glaubte, noch niemals einem so anmutigen Mädchen begegnet zu sein.

      Und nicht nur die Anmut, die Schönheit verzauberten.

      Dieses Geschöpf besaß Esprit, es besaß Humor und…

      »Träumen Sie, Doktor?« fragte in sein Sinnen hinein, Jasmine.

      Sie trug jetzt ein viel zu großes Kleid, das sie sich aber mit Hilfe eines Schals anmutig um den zarten Körper drapiert hatte.

      »Jetzt gibt’s nichts zu träumen. Es gibt hier vielerlei zu erledigen!« Jasmines Hand wies rundum.

      Man stand in einem großen Schuppen, in den man von den verschiedensten Seiten hier vor dem Wasser geflüchtete Menschen geborgen hatte. Ein paar Rote-Kreuz-Schwestern hatten ihren Dienst aufgenommen.

      »Wie kommen Sie denn dazu, daß Sie Doktor zu mir sagen?« fragte Harald Brockdorff.

      »Na!« Jasmine lachte. »Sie sind doch schon ein paarmal mit Doktor angesprochen worden. Ich bin ja nicht taub. Und zudem«, Jasmine lachte nun ein wenig spitzbübisch, als sie sich leicht gegen Harald Brockdorff verneigte, »ich bin eine halbe Kollegin!«

      »Wie? Was?«

      Der Mann staunte.

      »Haben Sie etwas dagegen, daß ich etliche Semester Medizin studiert habe?« Jasmine legte die kleine Hand auf des Mannes ein wenig knochige Finger.

      Wie weich diese Männerhände waren, wie unbewußt zärtlich!

      »Brockdorff!« stellte der Mann sich vor, aber nicht um einer gesellschaftlichen Pflicht nachzukommen, sondern um nun auch seinem Gegenüber den Namen zu entlocken.

      »Jasmine Rasmussen!« Jasmine reagierte wie beabsichtigt. »Bestandenes Physikum und schon etwas weiter. Augenblicklich an einer Doktorarbeit festgebissen. Na, und nebenbei noch Tänzerin.«

      Tänzerin!

      Ah, daher diese unwiderstehliche Anmut.

      »Ich habe noch nie…«

      Harald Brockdorff wollte zu philosophieren beginnen.

      Jasmine aber schnitt ihm das Wort ab.

      »Später, alles später, lieber Doktor. Vorab sollten wir einmal den anderen helfen, die schlimmer weggekommen sind als mit einer Ohnmacht. Und dann… ein Telefon muß es doch geben. Die Kinder, der Kater…«

      »Für den Sie Ihr Leben eingesetzt haben!« erklärte Dr. Harald Brockdorff mit einem unmißverständlichen Tadel in der Stimme.

      »Die Kinder lieben ihn. Ja, wo sind sie überhaupt, der Stoffel und das Vronli? Ich muß unbedingt ihren Vater benachrichtigen.«

      Jasmine schaute sich um.

      Da hockten sie in einer Ecke des Schuppens dicht beisammen: Stoffel, den Arm um Julius geschlungen, und das Vronli, das in seinem Schoß eine Puppe mit einem sehr bunten Kleidchen wiegte. Oder war es ein Hampelmann?

      Jasmine neigte sich über die Kinder.

      »Schön, daß wir wieder im Trocknen sitzen nach all dem Schrecken, wie?« Sie streichelte Vroni über die golden schimmernden Locken.

      »Du!« Stoffel zupfte Jasmine plötzlich am Ärmel des viel zu großen Kleides. »Du, das unser Julius lebt, das haben wir nur dir zu verdanken!«

      Jasmine streichelte nun auch über das dunkle Haar des stämmigen Jungen.

      »Schön, schön. Sag danke! Ich nehm’s an. Aber nun wollen wir dem Papa doch mal Nachricht zukommen lassen, wo ihr geblieben seid. Er wird sich Sorgen machen.«

      »Papa macht sich keine Sorgen«, erklärte da Vronli sehr ernsthaft. »Papa macht sich Sorgen um seine holzgeschnitzten Madonnen und um diese… na, wie heißt das Zeug doch?«

      »Um Ikone«, half Stoffel der Schwester.

      »Um uns macht Papa sich keine Sorgen!«

      Jasmines Hände zuckten unwillkürlich zurück. Nur ihre dunklen Augen, in denen jetzt wieder die gewohnten Lichtfunken zu tanzen schienen, streichelten die Kinder weiter; auch den Kater Julius, für den sie tatsächlich ihr Leben eingesetzt hatte, wie ihr erst jetzt bewußt wurde.

      »Na, trotzdem! Anrufen müssen wir zu Hause. Schon wegen eures Fahrers!«

      Jasmine erinnerte sich jäh des livrierten Mannes mit der furchtbaren Angst in den Augen.

      »Ja, Waschkewitz, der hat sicher Angst um uns!«

      »Na, also!« Jasmine atmete erleichtert auf.

      Und dann stand sie wenige Minuten später mit Dr. Harald Brockdorff, den beiden Kindern und dem Kater, der sich jetzt wesentlich wohler fühlte als in den eiskalten, schlammigen Fluten, am Apparat.

      Dr. Harald Brockdorff hatte es übernommen, das Telefongespräch zu führen.

      »Ja, die Kinder!« sagte er am Apparat. »Sie sind geborgen. Es fehlt ihnen nichts. Eine junge Medizinstudentin hat sie gerettet. Ja, ich bin Arzt und werde die Kinder, wenn das Wasser sich etwas verlaufen hat, zu Ihnen bringen.«

      Schluß.

      Dr. Harald Brockdorff hängte den Hörer ein.

      »Eine Frauenstimme«, sagte er, während er auf seine kleinen Schutzbefohlenen schaute.

      »Frau Franzen«, erläuterte Stoffel. Er fühlte, daß man nun etliche Aufklärungen von ihm erwartete.

      »Frau Franzen macht den Haushalt. Sie macht alles!« fügte Vronli hinzu.

      »So, alles!« Jasmine räusperte sich. »Aber auf euch paßt sie doch wohl nicht ausreichend auf.«

      »Wieso?« Stoffel stellte sich jetzt breitbeinig vor Jasmine auf.

      »Na, mit eurem Waschkewitz hätte sie euch doch wohl heute nachmittag nicht wegfahren lassen sollen!«

      »Hast du gewußt, daß die Flut so steigen würde?«

      Jasmine gab sich geschlagen.

      »Ich werde jetzt abgelöst«, erklärte in diesem Augenblick Dr. Harald Brockdorff. »Ich habe meinen Wagen hier in der Nähe. Ich denke, ich fahre euch nach Hause. Und Sie, Fräulein Kollegin in spe, natürlich auch!«

      Der Mann lachte.

      Jasmine schaute auf.

      Das Haar des Mannes war jetzt getrocknet. Es leuchtete wie Gold. Fast ein Märchenprinz! durchfuhr es die kleine Jasmine, die tanzte und doch Menschen heilen wollte.

      Vielleicht… mein Märchenprinz?

      Sehr zart und dennoch fest und beherrschend fühlte sie sich in diesem Augenblick an der Schulter berührt.

      »Jetzt träumen Sie, Fräulein Doktor in spe!«

      War die Flut gesunken? Hatte der Sturm nachgelassen? Oder was war sonst geschehen?

      Plötzlich fühlte Jasmine sich beschützt. Sie spürte, daß neben ihr ein Mann stand, der sein Ziel kannte und es erreichen würde.

      *

      Dr. Harald Brockdorffs dunkler Wagen hielt vor der schloßähnlichen Villa auf der Elbchaussee, in der Michail von Bassarow wohnte. Dieser Michail Bassarow, Vater von Stoffel und Vronli, ließ sich durch eine Hausdame vertreten.

      »Ich bringe euch selber ins Haus!« Jasmine störte es nicht, daß sie noch immer das viel zu weite Kleid trug.

      Weiß sie, daß nichts sie entstellen kann: durchfuhr es den Mann, der am Steuer zurückblieb, während das Mädchen mit den Kindern den großen Vorgarten durchquerte. Weiß diese kleine Doktorin in spe überhaupt, wie schön sie ist, wie sie die Sinne erregt? Ja, sogar meine Sinne, die ich bislang kaum gespürt habe. Denn ich habe immer nur daran gedacht, ein Ziel zu erreichen. Ein Ziel, dem ich alles opferte. Vor allem die Liebe.

      Habe ich überhaupt schon jemals geliebt, ich, Dr. Harald Brockdorff, zweiunddreißig Jahre

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