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      Über Jahrtausende hatten Menschen wenig Einfluss auf Naturereignisse. Sie waren ihnen ausgeliefert, lösten sie selbst aber nur in geringem Maße durch ihre Handlungen aus. Spuren der Menschheit sehen wir heute noch an vielen Stellen, etwa in Höhlen, wo Menschen ihren Handabdruck als ältestes Symbol einer Anwesenheit hinterlassen haben, der für den Lauf der Welt auf dem Planeten Erde jedoch nicht schädlich war. Je weiter wir bis in die heutige Zeit voranschreiten, desto mehr Hinterlassenschaften, Ruinen und Monumente aus der Vergangenheit sehen wir, aber der eigentliche Angriff auf den Planeten erfolgte erst im Zeitalter der Industrialisierung und der Expansion im Zeitalter von Weltkriegen. Der Gipfel dessen sind bisher die Atombomben, die alles Leben weiträumig vernichten und für lange Zeit schädigen können.

      Ein Schaden gegen Lebewesen und den Planeten kann vielerlei äußerliche Ursachen haben, im Folgenden soll aber nur eine selbst gemachte, menschliche Verursachung mit dem Begriff Nachhaltigkeit fokussiert werden. Stellen wir uns vor, wir Menschen wären Heuschrecken. Wir überfallen alle möglichen Nahrungsquellen und fressen alles auf, was uns in den Weg kommt. Wir tun instinkthaft das, was unser Überleben garantiert und uns zugleich in den eigenen Untergang treibt, denn wenn alles aufgefressen ist, dann bleibt auch für uns nichts übrig. Die Natur gleicht solche Schäden in der Evolution so aus, dass die Heuschrecken Fressfeinde haben. Das begrenzt sie. Allein wir sind keine Heuschrecken, der Mensch hat auf der Erde keine Fressfeinde mehr außer sich selbst. Das bedeutet, Menschen müssen über die Nachhaltigkeit ihrer Handlungen nachdenken, wenn sie so zerstörerisch werden, dass sie unzählige Arten auslöschen, das Klima verändern, die Meeresspiegel ansteigen lassen und viele Effekte auslösen, die das Überleben auf dem Planeten auch für Menschen schwierig werden lassen. Denn in ihrer Kurzsichtigkeit entziehen sich die Menschen die eigenen Lebensgrundlagen.

      Bereits 1962 hat Rachel Carson mit ihrem Buch Silent Spring eine Umweltbewegung ins Leben gerufen. Sie reagierte darauf, dass der Mensch durch den intensiven Gebrauch von Pestiziden ein Sterben der Vögel und anderer Lebewesen einleitete, das programmatisch für die Rücksichtslosigkeit des Umgangs mit der Natur erschien. Seither haben sich die Bedingungen immer weiter verschärft, der Weckruf hat die Menschheit nur bedingt erreicht. Bisher hat es unabhängig vom Menschen schon fünf Zeitalter der Auslöschung, der Vernichtung und des Aussterbens auf der Erde gegeben; das heute vor uns liegende sechste Szenario des Aussterbens ist erstmals menschengemacht. Wir sprechen heute deshalb von einem Zeitalter, das durch seinen Namen an den Menschen geknüpft ist: das Anthropozän (Crutzen 2002). Damit will die wissenschaftliche Forschung eine neue geochronologische Epoche erfassen, in der Menschen zum wichtigsten Einflussfaktor auf die geologischen, biologischen und atmosphärischen Prozesse auf der Erde geworden sind. Das Artensterben, das damit einhergeht, wird deshalb auch als sechste Auslöschung oder Ausrottung (extinction) charakterisiert.

      Kolbert (2015) hat dies für einzelne Arten anschaulich dargestellt, um uns mit der Dimension und Dramatik des Ereignisses zu konfrontieren. Die fünf Auslöschungen, die der heutigen in den vergangenen 600 Millionen Jahren vorausgingen, betrafen beispielsweise vor etwa 65 Millionen Jahren die Dinosaurier. Aber nach allen bisherigen Auslöschungen, die durchaus bis zu etwa 75 Prozent aller Arten betroffen hatten, setzte die Evolution sich fort und gab neuen Arten eine Chance. Allerdings sind die Zeiträume, die eine solche Erneuerung benötigt, aus menschlicher Sicht unendlich lang, und sie kann nur gelingen, wenn die Umwelt sich schnell erholt. Das klimatische und ökologische Fenster, das Leben auf der Erde ermöglicht, hat besondere Bedingungen: eine zum Überleben günstige Temperatur, hinreichend Wasser und Verdunstungs-Regen-Kreisläufe, große Meere, eine günstige Atmosphäre mit Sauerstoff und viele andere förderliche Lebensbedingungen mehr. Solche günstigen Lebensvoraussetzungen sind selbst im Weltall wohl äußerst selten, zumindest soweit Menschen dies erfassen können.

      Verschiedene Expertengremien4 gehen davon aus, dass das sechste Massenaussterben in der Geschichte des Lebens bereits begonnen hat. Nach Paul Crutzen (2002) zeichnet sich das Anthropozän durch folgende Eigenschaften aus (vgl. auch Kolbert 2015, 108):

      

Mehr als alles andere haben Menschen einen Treibhauseffekt durch die Nutzung fossiler Energien ausgelöst, der einen Klimawandel mit offenem Ende auslöst,

      

zwischen einem Drittel und der Hälfte der Erdoberfläche sind durch Menschen umgestaltet und genutzt worden,

      

viele nicht regenerierbare Rohstoffe werden ausgebeutet und stehen in Zukunft nicht mehr zur Verfügung,

      

die meisten der Flüsse der Erde sind gestaut oder umgeleitet worden,

      

Düngemittelpflanzen produzieren mehr Stickstoff, als es natürlich durch das Ökosystem auf der Erde aufgefangen werden kann,

      

die Fischerei entnimmt mehr als ein Drittel der Primärproduktion in den Küstengewässern,

      

Menschen nutzen mehr als die Hälfte des Frischwassers für ihre Bedürfnisse und entziehen es ökologischen Kreisläufen.

      All dies beschränkt neben vielen weiteren Faktoren, die weiter unten genannt werden, den Lebensraum und die Überlebenschancen vieler Arten. Im Mai 2019 wurde der globale Bericht des Weltbiodiversitätsrats der UN-Organisation IPBES (Intergovernmental Platform on Biodiversity and Ecosystem Services) veröffentlicht.5 Aus dieser Studie geht hervor, dass gegenwärtig mehr als eine Million Tier- und Pflanzenarten gefährdet und vom Aussterben bedroht sind. Während es sich bei den anderen fünf Massenauslöschungen aller Wahrscheinlichkeit nach um vulkanische Katastrophen und Einschläge von kosmischen Körpern gehandelt hat, die ursächlich das Klima und die Umweltbedingungen so rasch veränderten, dass sich die Pflanzen- und Tierwelt nicht schnell genug anpassen konnten, gilt für das aktuell einsetzende sechste Szenario des Aussterbens der Mensch als allein verantwortlich. Der IPBES-Bericht fasst die entscheidenden Gründe für das aktuelle Aussterben zusammen. Die hier genannten Gründe beschreiben Auswirkungen in der Reihenfolge des bereits erreichten und der Größe des Ausmaßes:

      

Verlust von Lebensraum; der Mensch hat zunehmend alle Flächen der Erde besiedelt und besetzt,

      

Veränderungen in der Landnutzung; die Agrarindustrie führt zu Monokulturen und vernichtet die Vielfalt nicht nur der freien Natur, sondern auch der landwirtschaftlichen Nutzung,

      

Jagd und Wilderei; das Artensterben wird durch menschliche Interessen beschleunigt,

      

Klimawandel; insbesondere die Treibhausgase führen zur Erderwärmung mit zahlreichen Folgen für das Klima und Artensterben, es ist zu befürchten, dass der Klimawandel recht bald zu einem dominanten Aspekt für den beschleunigten Prozess des Aussterbens werden wird,

      

Umweltgifte sowie das Auftreten von gebietsfremden und invasiven Arten (Neobiota); das menschliche Eingreifen zerstört einerseits die Vielfalt der Arten und fördert andererseits die Wanderung bestimmter Arten mit negativen Effekten für den bisherigen Stand der Evolution.

      Die

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