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überlastet. Am besten, Sie machen Termine mit mir ab. Ich bin für die Organisation zuständig.«

      »Aber ich soll hier doch unterrichten«, sagt Stephanie.

      »Ach, Sie sind die neue Deutschlehrerin!«, sagt die Frau. »Wissen Sie was, kommen Sie in einer halben Stunde wieder, und dann erledigen wir die Formalitäten.«

      Stephanie fällt ein Stein vom Herzen. Ihr kommt ein Satz aus ihrem Portugiesischunterricht in den Sinn: Quem não arrisca, não petisca. Das Wagnis hat sich also gelohnt, alles klappt. Ihrem Lissabonner Abenteuer steht nichts mehr im Wege.

       Was ist hier schiefgelaufen?

      Stephanie ist davon ausgegangen, dass in der Tat alles abgemacht war und sie ihren Vorstellungstermin haben würde. Sie hat die E-Mail ausgedruckt und sich darauf verlassen, dass es alles so wird wie besprochen. In Deutschland hätte das auch geklappt. Aber in Portugal ist es üblich, dass Termine noch mal bestätigt werden, besonders wenn der Termin lange nach der Korrespondenz liegt.

      Liegt ein langer Zeitraum zwischen Abmachung und Termin, und es gibt keine Bestätigung, kann es gut sein, dass der andere davon ausgeht, dass der Termin nicht stattfindet.

       Was können Sie besser machen?

      Bei einer Hotelreservierung kann man heutzutage davon ausgehen, dass es klappt. Aber bei allen anderen Terminen ist es gut, sie ein oder zwei Tage vorher noch mal zu bestätigen, egal ob es sich um geschäftliche oder private Termine handelt. Die Bestätigung kann per E-Mail oder telefonisch geschehen. Danach wissen alle Beteiligten, dass der Termin auch wirklich eingehalten wird, dass alle Beteiligten dran denken und dass nichts dazwischen gekommen ist.

      Die Anrede mit »senhora« und dem Nachnamen ist in Portugal nicht üblich. Frauen werden mit dem Vornamen angesprochen, die Anrede und Titel vorgestellt.

      Auf keinen Fall sollte man gleich duzen, das ist in Portugal unüblich. Junge Leute sind eine Ausnahme. Aber ansonsten: erst mal siezen.

       ANREDE IN PORTUGAL

      In Portugal wird viel mehr gesiezt als in Deutschland. Man duzt sich innerhalb der Familie und mit guten Freunden, eventuell auch im Job.

      Noch bis vor Kurzem haben Kinder oft sogar ihre Eltern gesiezt. Das ist heute in den jungen Familien aber nicht mehr üblich.

      Beim Siezen gibt es zwei Formen: die formelle Anrede in der dritten Person, bei der als Ansprache der Name, der Titel oder auch die Berufsbezeichnung verwendet wird, und das etwas weniger formelle você, das sich mehr und mehr durchsetzt. Bis vor Kurzem galt es in der gehobenen Mittelschicht aber noch als eher proletarisch und ungehobelt. Heute wird es jedoch oft verwendet, nicht zuletzt durch den Einfluss der brasilianischen Telenovelas, in denen das você eine übliche Anrede ist. (Dort wiederum gibt es kaum ein Du.)

      Doutor wird jeder genannt, der ein Studium abgeschlossen hat, diese Anrede ist also nicht an einen Doktortitel gebunden.

      Männer werden entweder mit ihrem Vor- oder Nachnamen angeredet, dem ein senhor vorangestellt wird. Für einen Architekten namens Miguel Moreira sind also folgende Anreden möglich: Miguel für Freunde und Familie, senhor Miguel, senhor Moreira, doutor Miguel, doutor Moreira, senhor arquiteto oder senhor doutor, wenn man ihn siezt.

      Frauen werden grundsätzlich mit dem Vornamen angeredet. Bei jüngeren Frauen wird oft auch menina (»Mädchen«) vorangestellt.

      Die Chefin der Sprachenschule heißt Maria Sofia Costa, und damit kann die Anrede wie folgt lauten: Sofia für Freunde und Familie, dona Sofia, senhora professora, senhora doutora, doutora Sofia, menina professora oder menina doutora.

      Viele Portugiesen haben mehrere Vor- und Nachnamen. Das portugiesische Gesetz begrenzt die Anzahl der Namen auf zwei Vornamen und vier Nachnamen, die sich aus den Nachnamen der Mutter und/oder des Vaters zusammensetzen. Möglich sind auch Nachnamen der Vorfahren.

      Im normalen Leben sind die meisten unter einem Vornamen und einem Nachnamen bekannt. Pedro Miguel Santos Moreira kann also unter Pedro Santos, Pedro Moreira, Miguel Santos oder Miguel Moreira bekannt sein.

      Schüler reden ihre Lehrerin mit senhora professora an.

      Anrede und Titel werden in der direkten Rede ausgeschrieben und klein geschrieben. In der indirekten Rede wird die Anrede zu Sr. und Sra. abgekürzt, und der Doktortitel wird zu Dr. und Dra., jeweils großgeschrieben.

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       SOL DE INVERNO, TARDE SAI E CEDO VAI

      Das erste Zimmer ist ein Reinfall. Der Typ, der Alex das Zimmer zeigt, ist vielleicht so um die vierzig. Er ist nicht der Vermieter, sondern selber Mieter in der Wohnung. Er trägt eine dicke Strickjacke und einen Schal. Fehlen nur noch die Handschuhe, denkt Alex. Das Zimmer ist kalt, feucht, riecht muffig und soll 140 Euro im Monat kosten. Alex hat es durch einen Aushang gefunden. Solche Aushänge für Zimmer, die an Studenten vermietet werden, gibt es in der ganzen Stadt. Die Zettel hängen im Supermarkt, in der Uni, in den Fenstern der Häuser, in denen die Zimmer vermietet werden, oder als Tafel mit einer aufgemalten Telefonnummer, an der Wand eines Hauses.

      Eigentlich gefällt Alex die Gegend gut. Es ist ein altes Haus direkt am Fischmarkt. Hier wohnt er seit seiner Ankunft, in einem Hostel mit Blick auf den Kanal und einer Kneipe im Haus, wo man abends Bier trinken kann. Im Hostel herrscht eine lockere Atmosphäre und man trifft Leute aus aller Welt. Aber zum Studieren ist es nicht das richtige Ambiente, zu viel Ablenkung, zu viele neue Leute, und auf Dauer auch zu teuer.

      Der Fischmarkt heißt natürlich nicht Fischmarkt, sondern Praça do Peixe, und in der Tat steht hier in der Mitte des Platzes eine Markthalle, in der vormittags frischer Fisch verkauft wird. Aber abends und bis spät in die Nacht wird hier gefeiert. Ein Strom von Studenten, Einheimischen und Touristen zieht von Lokal zu Lokal. Es gibt Restaurants in verschiedenen Preisklassen. Es gibt Pastelarias und Kneipen mit dunklem Interieur, die an englische Pubs erinnern. In einem Jugendstilgebäude befindet sich die Casa de Chá, wo man im Innenhof abends Caipirinhas trinken kann. Am Wochenende auch oft mit Livemusik. Hier hat Alex vor zwei Tagen Tiago kennengelernt, der ihn am Wochenende zum Surfen mitnehmen will. Die Praça do Peixe ist das Vergnügungsviertel von Aveiro. Alex hätte nichts dagegen, hier zu wohnen.

      Aber das Zimmer ... Es liegt im ersten Stock, ist klein und altmodisch. Alleine die dunklen Möbel! Es ist günstig, aber trotzdem ... Außerdem riecht es ein bisschen nach – ja, was ist das ... Moder?

      »Die Zimmer hier am Wasser sind alle feucht«, sagt der Typ. »Das ist einfach so, das liegt am Klima.«

      »Gibt es eine Heizung?«, fragt Alex.

      »In Aveiro muss man nicht heizen«, entgegnet der Mann. »Wir sind hier am Meer, da ist es nicht so kalt.«

      »Also ich finde es schon kalt«, sagt Alex. Er ist es von Deutschland gewohnt, drinnen einfach in T-Shirt und kurzen Hosen rumzulaufen. Er sieht sich um. Oben in einer Zimmerecke ist ein schwarzer Fleck. Das wird Schimmel sein, und die Fenster haben keine doppelten Scheiben.

      »Da war ja selbst mein Zimmer in der WG in Sankt Pauli besser isoliert«, rutscht ihm raus.

      Der Typ mit dem Schal sagt dazu nichts.

      »Ich meine ja nur, in Deutschland ist das anders, da würde es das nicht geben«, sagt Alex als Entschuldigung.

      Eigentlich dachte Alex, dass er hier in Portugal auch in einer WG wohnen würde. Er hatte sich darauf gefreut, Leute in seinem Alter kennenzulernen. Aber WGs, wie er sie aus Deutschland kennt, gibt es hier anscheinend nicht. Studenten mieten meistens ein möbliertes Zimmer

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