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Der Dreißigjährige Krieg. Ricarda Huch
Читать онлайн.Название Der Dreißigjährige Krieg
Год выпуска 0
isbn 9783962818555
Автор произведения Ricarda Huch
Жанр Документальная литература
Серия Sachbücher bei Null Papier
Издательство Bookwire
Graf Solms, der misstrauischen und düsteren Blicks dabeigestanden hatte, sagte: »Gott verhüte, dass unsere Pfälzer Bauern einmal so den Pflug verließen, um Zigeunern nachzustreunen«, und wendete sich dann gegen Budowa mit der Frage, warum man den Leuten nicht Vieh und Werkzeug gebe, dass sie das Feld wieder bestellen könnten. Er wisse nicht, wem diese gehörten, antwortete Budowa; es gebe Herren, die sich nicht um ihre Untertanen kümmerten, außer dass sie ihnen das Blut auspressten, und die Bauern wären auch so geartet, dass sie verwilderten wie das Vieh, wenn man sie nicht streng in Zucht und Ordnung hielte.
Das werde sich nun alles bessern, sagte Elisabeth; sie möchte aber gar zu gern eine Zigeunerin sehen und sich die Zukunft von ihr auslegen lassen. Sie hätte viel Wunderliches davon gehört und wolle wissen, was daran sei. Ein paar jüngere Hoffräuleins kicherten und unterstützten mit geflüsterten Bitten den Wunsch der Kurfürstin; eine ältere Frau dagegen sagte, man solle Gott nicht versuchen, solcher Vorwitz könne verhängnisvoll werden, wie ihre Mutter selbst erfahren habe. Diese sei in ihrer Jugend am Hofe des Herzogs von Brieg gewesen, der etwas rasch und dem Trunke ergeben, sonst aber ein guter Herr gewesen sei, und sie habe einmal an einer Jagd teilgenommen, als man im Gehölz ein altes Weib angetroffen habe, das im allgemeinen Geschrei gestanden habe, als könne es das Zukünftige weissagen. Der Herzog habe sie angehalten und ihr befohlen, ihm etwas zu prophezeien, und wie er denn grobe Späße geliebt habe, habe er hinzugesetzt, wenn sie ihm nichts Gutes sage, werde er die Hunde auf sie hetzen und ihr bei lebendigem Leibe den Kopf vom Rumpfe sägen lassen. Da habe ihn die Alte fest ins Auge gefasst, mit einem weißen Stäblein sein Bein berührt – denn er habe zu Pferde gesessen – und langsam mit dünner, deutlicher Stimme gesagt: »Bruder, das nächste Glas Wein, das du leerst, wird dein letztes sein.« Der Herzog sei darauf aschenbleich geworden, als ob ihm ohnmächtig würde, sodass das Gefolge ihm beigesprungen wäre, und als man sich dann wieder nach der alten Hexe umgeblickt hätte, sei sie verschwunden gewesen. Von dem Tage an habe der Fürst mehrere Wochen still und eingezogen wie ein Einsiedler gelebt, sodass seine Gemahlin schon Hoffnung gefasst hätte, er werde das Trinken ablegen; aber eines Morgens sei ein froher Mut über ihn gekommen, er habe sich festlich angekleidet und gerufen: »Möge kommen, was da wolle, es muss einmal wieder gesoffen sein!« habe Gesellschaft zu Tische bestellt und sich einen großen Humpen voll Wein bringen lassen. Kaum aber habe er ihn ausgetrunken und niedergesetzt, so sei zum Entsetzen aller Gäste die Farbe in seinem Gesicht erloschen und er tot umgefallen, ohne noch ein Wort zu sagen. Ob dies nun dem Laufe der Natur gemäß oder Zauberei gewesen sei, habe ihre Mutter dahingestellt sein lassen; das alte Weib aber hätte man endlich aufgegriffen und verbrannt.
Die Kurfürstin sagte lachend, um den Fürsten sei es immerhin nicht schade gewesen, und des Grafen Solms Tochter Amalie, ein kleines Fräulein mit klugem, blassem Gesicht, meinte, Leichtgläubigen und Abergläubigen sei leicht prophezeien. Budowa hatte schon Leute ausgeschickt, um eine Zigeunerin auszuspüren, und sie kamen mit einer an, als Elisabeth eben ihr jüngstes Kind an der Brust hielt und Friedrich den Erstgeborenen mit übriggebliebenem Konfekt fütterte; denn inzwischen hatten die Herrschaften das Essen eingenommen. Die Zigeunerin, ein altes, gelbes, schmutziges Weib, kroch, die Augen verdrehend, an die Kurfürstin heran, ließ sich ihre gepuderte und mit vielen großen Ringen besteckte Hand reichen, drehte sie hin und her und betastete sie und rief plötzlich unter verzückten Gebärden aus: »Heil dir, Mutter von Königen! Mutter von großen, mächtigen Königen!« was die Umgebung mit Heilrufen und Händeklatschen erwiderte. Elisabeth errötete vor Vergnügen und ließ ihre Hand der Alten, indem sie ihr bedeutete, noch mehr zu sagen. Diese, die nun kecker geworden war, hielt die weiße Hand dicht unter ihre Augen und sagte schmunzelnd und sich krümmend, sie sehe den Venusgürtel in dieser Hand, den Venusgürtel, in dem sich die Mannsleute fingen. Friedrich und Elisabeth lachten darüber, Graf Solms hingegen runzelte die Brauen, und Budowa suchte dem Auftritt ein Ende zu machen, indem er der Zigeunerin ein Goldstück zuwarf und sie mit sichtlichem Widerwillen hieß, die Hand der Königin fahren zu lassen und sich zu trollen. Das Weib raffte das Geld auf und machte Miene, sich zu entfernen, wobei sie aber einen suchenden Blick in die Runde warf, ob etwa noch jemand ihre Dienste wollte. Dabei blieb ihr Auge auf Budowa haften, und sie sagte, sich aufrichtend, mit der Miene des Schreckens auf ihn deutend: »Wer bist du? Ich sehe einen blutroten Streifen rund um deinen Hals herum!« Der Graf erblasste und griff unwillkürlich nach seinem Halse, während die übrigen ihn erschrocken anstarrten; nur das kurfürstliche Paar lachte, und Elisabeth meinte, er habe wohl eine Liebste, die ihn mit einem roten Schnürlein angebunden habe, um es zuzuziehen, wenn er ihr untreu werden wolle. Ja, er sei der Vettel wahrhaftig ins Garn gegangen, sagte Budowa ärgerlich, er hätte Lust, ihr nachzugehen und ihr das freche Maul zu schließen. Ei was, sagte Friedrich, eine wahrsagende Zigeunerin hätte so viel Redefreiheit wie ein Narr, es müsse ein jeder sehen, mit ihrem Spruch fertig zu werden. Unterdessen