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Der Dreißigjährige Krieg. Ricarda Huch
Читать онлайн.Название Der Dreißigjährige Krieg
Год выпуска 0
isbn 9783962818555
Автор произведения Ricarda Huch
Жанр Документальная литература
Серия Sachbücher bei Null Papier
Издательство Bookwire
Der Knoten wäre leicht zu lösen, meinte Camerarius, wenn alle protestantisch wären. Dann gäbe es keine geistlichen Fürstentümer mehr, jeder Fürst sei unabhängig vom Papste, Herr im eigenen Lande, und zwischen Fürst und Kaiser herrsche kein Misstrauen mehr.
Jocher wand sich vor Lachen in seinem Stuhle. In den katholischen Ländern, sagte er, herrsche nun einmal mehr Gehorsam, das sei erwiesen. Wo das hinaus wolle, wenn zuletzt ein jeder seine eigene Meinung hätte? Es sei viel besser und einfacher, wenn alle Evangelischen zur alten Kirche zurückkehrten, der Weg zum Stalle zurück sei immer leichter als hinaus. Ob Pfalz nicht den Anfang machen wolle?
Entrüstet sprang Camerarius auf und rief aus, da könne eher der Rhein zurück- und in den Main fließen. Wer einmal die Freiheit geschmeckt habe, begebe sich nicht freiwillig wieder in die Dienstbarkeit.
Ach, sagte Jocher, das sei eine geschwollene Rede. Es sei doch im Grunde einerlei, ob man diesen oder jenen Katechismus1 auswendig lerne. Ein gescheiter Mann denke sich dabei, was er wolle, und inzwischen werde der Pöbel im Zaum gehalten.
»So gemütlich nehmen wir es nicht«, sagte Camerarius ruhiger. »Wenn es sich tun ließe, wäre ich für meine Person es zufrieden; aber es lässt sich nicht tun. Ich fürchte nur, dass wir über diesem Streiten alle in die Servitut Spaniens geraten.«
»Wir nicht«, sagte Jocher breitspurig; sein Herzog hielte die Augen offen. Und wenn er Kaiser würde, täte er es gewiss, um Spanien einen Possen zu spielen.
Im Grunde war es den pfälzischen Räten recht, dass das Projekt an Maximilians Abneigung scheiterte, wenn auch freilich kein anderer Kandidat vorhanden war, zu dem man mehr Vertrauen haben konnte; denn die Bewerbung des Herzogs von Savoyen war vollends eine verfängliche Sache. Als deren Verfechter erschien Graf Mansfeld, vom Turiner Hofe kommend, mit einem gründlichen Memorial, in welchem ausgeführt war, dass das Haus von Savoyen von dem altdeutschen Helden und Fürsten Wittekind abstamme, pures, lauteres deutsches Blut führe und wegen dieser Stammverwandtschaft wohl zur Kaiserwürde im Deutschen Reiche berufen sei; wie er den Katholischen von Haus aus gefällig, auch den Protestanten wegen seiner Feindschaft mit den Jesuiten wert sein müsse, dass er glücklich im Kriege sei und viel Geld habe.
»Ich meine«, sagte Christian von Anhalt, nachdem das Memorial vorgetragen worden war, »wir könnten schließlich auch den Mogul von Persien zum deutschen Kaiser machen. Mir sollte es recht sein, wenn es der Religion und der Freiheit zunutze wäre.« Graf Solms sagte, ein Kaiser deutscher Nation müsse von deutschem Blute sein, und der Herzog von Savoyen sei trotz Wittekind ein Welscher, so gut wie die Habsburger Spanier wären. Camerarius sagte auf Befragen, er halte nicht dafür, dass der Herzog von Savoyen bei der Wahl durchzubringen sei. Er werde den Kurfürsten im Allgemeinen fremd und absonderlich vorkommen. Mansfeld entgegnete ärgerlich, der Herzog sei reich genug, um sich den Kurfürsten vertraut zu machen. Mit Geld, einem Schwert und festem Willen ließe sich leicht ein deutscher Kaiser machen. Freilich müsse man wollen und die Bedenklichkeit fallen lassen. Die Sache blieb aber gleich daran hängen, dass der Herzog ein Land im Reiche zu besitzen wünschte, um etwas Sicheres unter den Füßen zu haben, und dies mit äußerster Vorsicht erwogen werden musste. Man fand, es sei besser, dem Herzog zwar nicht alle Aussicht abzuschneiden, aber auch nichts Bindendes von sich zu geben, sondern ihn mit Verhandlungen hinzuhalten. Wenn man ihn dahin bringen könnte, die gute Sache nur mit Geld zu unterstützen, so wäre das vorzuziehen. Demgemäß wurde wieder eine Gesandtschaft an den Hof von Turin abgeordnet mit dem Auftrage, den Herzog bei guter Gesinnung zu erhalten, ohne aber seinem Ehrgeiz eine Brücke ins Reich zu schlagen.
1 Der Katechismus, Handbuch der Unterweisung in den Grundfragen des christlichen Glaubens. <<<
32.
Um die Gesinnung des Kurfürsten von Sachsen wegen der böhmischen Thronfolge zu erforschen, begab sich Graf Joachim Andreas Schlick, der ein Jugendgespiele Johann Georgs gewesen war, nach Dresden und erlangte auch nach einigen Weiterungen eine Audienz. Der Kurfürst dachte zwar nicht im Ernst daran, die Krone anzunehmen, wollte sie aber auch nicht geradezu ablehnen, einerseits, weil seine Stände größtenteils böhmisch gesinnt waren, sodann, um sich dem Kaiser kostbar zu machen, der in diesem Streite jedenfalls seiner Hilfe bedurfte. Er empfing deshalb den Grafen nicht allzu freundlich, und als dieser sich dreimal bis auf den Boden verneigte und darauf Gott anflehte, einen so großmütigen Herrn wie den Kurfürsten der Welt, dem Reich und der lutherischen Kirche zu erhalten, nickte er nur beiläufig, ohne den Blick von seiner Beschäftigung wegzuwenden. Auf einem vor ihm stehenden Tischlein nämlich lag ein Haufen sauber geputzter Gänseknochen, welche er auseinanderlas, ans Licht hielt und betastete. Nach einer Weile sagte er zu dem bescheiden wartenden Grafen, er gehe damit um, die Gänseknochen zu verwerten, denn bei einem fürstlichen Haushalt, an dem so viele Mäuler zehrten, müsse Sparsamkeit herrschen, davon hänge das Gemeinwohl ab; daran dächten freilich die adligen Herren nicht, die nur daherkämen, um zu fressen und zu saufen, und nicht fragten, woher es komme; ein gewisses Knöchlein, nämlich das Steißbein, werde verpulvert und komme dann in die Apotheke seiner Frau als ein vorzügliches schweißtreibendes Mittel, für die anderen habe er noch keine Verwendung, aber es werde ihm schon etwas einfallen.
Nachdem er die landesväterliche Fürsorge des Kurfürsten gepriesen hatte, sagte Graf Schlick, er habe als Bube auf dem Gänsebrustknochen blasen können, und wenn es der Kurfürst gestatte, wolle er ihm das Stücklein vormachen. »Ei der Tausend«, rief Johann Georg, als Schlick ausgepfiffen hatte, indem er einen erstaunten Blick auf ihn warf, »ich hätte nicht gedacht, dass du ein solcher Teufelskerl wärest«, hieß ihn sich an seine Seite setzen und ihm das Experiment noch einmal gründlich zeigen. Schlick entschuldigte sich errötend, dass er dem Kurfürsten mit einer bescheidenen Kunst aus der Bubenzeit zu dienen sich unterstehe, es würde gar nichts daran sein, wenn der Kurfürst nicht so gnädig und großmütig zuzuhören geruhe. »Ach was, Schlick«, sagte Johann Georg, »eine blinde Henne darf auch einmal ein Körnlein finden, darum bleibt der Gockel doch Gockel«, und lachte über diesen Spaß, dass ihm die Tränen aus den Augen liefen.
Nachdem somit ein vertraulicher Ton angeschlagen war, brachte Schlick