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Der Dreißigjährige Krieg. Ricarda Huch
Читать онлайн.Название Der Dreißigjährige Krieg
Год выпуска 0
isbn 9783962818555
Автор произведения Ricarda Huch
Жанр Документальная литература
Серия Sachbücher bei Null Papier
Издательство Bookwire
Diese Niederlage Rußworms ermutigte seine italienischen Feinde, und selbst unter seinen früheren Anhängern waren manche, die es ihm jetzt verdachten, dass er, dessen Laufbahn von Gewalttätigkeiten keineswegs frei war, einen Kameraden hatte richten wollen. Es war an einem warmen Sommerabend im Jahre 1605, als er, von einer Audienz beim Kaiser heimkehrend, an einer Straßenecke auf Francesco Belgiojoso stieß, der, festlich in Weiß gekleidet, im Begriffe schien, eine Gesellschaft aufzusuchen. Zwischen ihnen entspann sich ein Wortwechsel und Kampf, in dessen Verlaufe Belgiojoso von einem Diener Rußworms erstochen wurde; ob der Italiener, wie Rußworm behauptete, ihm aufgelauert hatte, um ihn zu überfallen, und er in der Notwehr sich befunden hatte, ließ sich zunächst nicht feststellen. Da es nicht das erste Mal war, dass Rußworm einen Gegner im angeblichen Zweikampf getötet hatte, rechnete er auch diesmal mit Sicherheit darauf, dass die Untersuchung unterdrückt werden oder nur zu einer leicht zu ertragenden Scheinstrafe führen würde.
Indessen das gefängnisartige Zimmer, in dem er verwahrt, und die Rücksichtslosigkeit, mit der er behandelt wurde, machten ihn stutzig, und vollends als er die vielen Anklagepunkte las, die die Grundlage eines gegen ihn eingeleiteten Prozesses bilden sollten, erschrak er und begriff, dass es auf seinen Untergang abgesehen war. Er wurde da nicht nur beschuldigt, den Belgiojoso getötet, sondern auch den Herzog von Mercoeur und den Grafen Solms ermordet zu haben, die seinem Ehrgeiz im Wege gewesen wären, ja er sollte den schmählichen Ausgang eines Feldzuges gegen die Türken verschuldet haben, den der junge Erzherzog Ferdinand in so unzureichender Weise geführt hatte, dass Rußworm, als er zu seiner Hilfe herbeieilte, das unglückliche Ende nicht mehr abwenden konnte. In dieser Bedrängnis wusste Rußworm keinen Mann von Einfluss am Hofe, der für ihn hätte wirken wollen, nur auf die Gnade des Kaisers hoffte er; zuweilen jedoch fiel ihm dessen blasses Gesicht und seine furchtsame Haltung von jenem Tage ein, wo er ihn wegen Bastas Vollmacht befragt hatte, und dann wurde ihm bange zumute. Sollte es wahr sein, was Graf Kinsky, den er als einen evangelischen Böhmen verachtete, gesagt haben sollte, dass die heilige kaiserliche Majestät ein hohles Binsenrohr und ein feiger, zweizüngiger Lügner sei? Er verscheuchte den Gedanken und sprach sich selbst Zuversicht ein; wenn er nur zu ihm gelassen würde, dachte er, würde er Rudolf wie sonst für sich gewinnen.
Unter der Dienerschaft des Kaisers war einer, der Ofenheizer Blahel, der Rußworm anhing, und diesem gelang es, sich mit dem Gefangenen in Verbindung zu setzen. Blahel hatte früher des Kaisers Vertrauen besessen, aber in der letzten Zeit, klagte er, sei er von Philipp Lang verleumdet und verdrängt worden. In dem düsteren Stübchen, das Rußworm nicht verlassen durfte, saß der geängstigte Mensch und weinte, seit Tagen sei es ihm nicht möglich gewesen, allein mit dem Kaiser zu sprechen, Lang sei der Schwarzen Kunst mächtig und habe den alten Herrn behext. Er könnte entsetzliche Dinge von Lang sagen, wenn er es sich getrauen dürfte; auch Rußworms Schicksal wäre in seiner Hand, und Rußworm hätte einen großen Fehler begangen, dass er sich nicht Langs Gunst zu erwerben versucht hätte. Nein, sagte Rußworm, mit den Zähnen knirschend, Lang sei ein schnöder Jude und ehrloser Mensch, vor dem erniedrige er sich nicht, lieber wolle er sterben. Ach, sagte Blahel, warum er sich so aufblasen wolle? Selbst der Erzbischof von Prag, der Herr von Lamberg, hätte Lang seinen größten Beförderer genannt und ihn ganz untertänig zu seiner Konsekration eingeladen; und der Erzherzog Matthias hätte erst kürzlich einen Brief an ihn geschrieben, in dem er ihn seinen insonders hochvertrauten, vielgeliebten Herrn und Freund genannt hätte. »Wenn ich ihn sähe«, sagte Rußworm, »würde ich ihm ins Gesicht speien.«
»Es ist nun auch doch zu spät«, sagte Blahel, »er hasst Euch so, dass ein Sack voll Goldstücke ihm nicht Euren Kopf aufwägen würde.«
Ein Vetter Rußworms, der sich dem Kaiser zu Füßen werfen wollte, wurde nicht vorgelassen, und ein anderer Versuch, der zu seiner Rettung unternommen werden sollte, verschlimmerte nur seine Lage. Seit nämlich im Reiche die Frage, wer Rudolfs Nachfolger werden sollte, besprochen wurde, zogen einige evangelische Fürsten in Betracht, ob Maximilian, der Herzog von Bayern, sich dazu schicken und bereit finden lassen würde. Sie berechneten, dass dadurch Bayern für immer von Österreich getrennt und die katholische Partei gespalten würde; nur fragte es sich, ob Maximilian, der das durchschauen musste, für einen so gewagten Schritt zu gewinnen wäre. Auf vorsichtige Andeutungen antwortete der Herzog ausweichend und dachte bei sich, dass er die stachelige Krone nur dann nicht ausschlagen würde, wenn er dabei von österreichischer Seite keine Gefahr liefe. Er tat einige unvorgreifliche Schritte, indem er Rußworm, den ruhmvollen Feldherrn und Günstling des Kaisers, mit dessen Bewilligung in seinen Dienst nahm und indem er einen Gesandten nach Paris schickte, der insgeheim zu erforschen hatte, wie seine Bewerbung etwa aufgenommen werden würde. Der Kaiser war es wohl zufrieden, einen so mächtigen und angesehenen Reichsfürsten gegen seinen Bruder ausspielen zu können, andererseits erfüllte ihn die Anmaßung des Bayernherzogs, der ihm überhaupt nicht geheuer war, doch mit Widerwillen, und seine Fürbitte zugunsten