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die Landebahn hinaus. Aus den Hangars schwebten Lastencontainer herab. Primas hob den Kopf und schnüffelte, obwohl der nächste Container noch fast fünfzig Meter entfernt war.

      »Was ist los?«, fragte Tosen erstaunt. »Wenn du auf diese Entfernung etwas aufspürst, dann muss der Container bis oben hin voll sein mit verbotener Ware.«

      »He, Bruke!«, rief eine bekannte Stimme hinter ihm.

      Er drehte sich in der Überzeugung um, dass Formier gekommen sei, um ihn von der Ladung der XIN-I abzulenken, und er war entschlossen, sich um keinen Preis weglocken zu lassen.

      Formier reichte ihm eine kleine Metallkapsel. »Das wurde eben für dich abgegeben. Ein Junge soll es gebracht haben.«

      Der Kollege ging weiter, ohne sich um ihn zu kümmern.

      Tosen zögerte lange, bis er die Kapsel öffnete. Er fand einen positronisch versiegelten Brief darin, wollte ihn wieder in die Tasche schieben und ihn später lesen, doch die Neugierde gewann die Oberhand. Also kehrte er ins Büro zurück und schob den Brief ins Lesegerät. Eine zierliche Handschrift wurde projiziert.

      »Irgendwie haben sie herausgefunden, wo ich bin. Bitte, hilf mir. S-L.«

      Bruke Tosen meldete sich bei seinem Vorgesetzten und bat ihn, den Dienst für heute sofort beenden zu dürfen. Er erhielt die Erlaubnis und stürmte aufs Dach des Gebäudes, auf dem stets mehrere Taxigleiter standen. Er startete eine der Maschinen und brachte sie innerhalb weniger Sekunden auf Höchstgeschwindigkeit.

      Ein Springer lässt sich nichts wegnehmen, ging es ihm durch den Kopf.

      Der Tag war klar, ein leuchtend blauer Himmel spannte sich über dem Land. Tosen konnte die Vulkane sehen, die auf einigen Inseln dem Kontinent vorgelagert waren.

      Bruke sah plötzlich größte Schwierigkeiten für sich, falls Sintha-Lee etwas zugestoßen war. Er hatte den Bungalow gemietet. Er hatte Schwierigkeiten nicht nur mit dem Springer, sondern auch mit den Kollegen gehabt.

      Ihm wurde übel bei dem Gedanken, was geschehen würde, wenn ein Verdacht auf ihn fiel. Alle standen aufseiten Xingars, der ihnen ein ansehnliches Bestechungsgeld bezahlte.

      Das Haus stand über einem Steilhang. Von hier reichte der Blick weit übers Meer. Tosen landete auf der Rückseite. Eine Kunststoffkuppel hob sich aus dem Boden, stülpte sich über den Gleiter und öffnete gleichzeitig einen Durchgang zum Haus. Während er ausstieg, geriet er in eine Strahlendusche, die alle Schadstoffe der Atmosphäre beseitigte. Bruke nahm das Atemschutzfilter ab und warf es in den Gleiter. Jämmerlich heulend schloss sich Primas ihm an.

      Er betrat das Gebäude und stieß die Tür zum Salon auf. Sintha-Lee lag bäuchlings vor dem wandbreiten Fenster, die Arme zu beiden Seiten ausgestreckt. Ihr aufgelöstes Haar sah aus wie ein Bündel von Blutfäden.

      Als er neben ihr niederkniete, räusperte sich jemand hinter ihm. Tosen fuhr herum und sah Olof Xingar und zwei weitere Springer. Ihr erster Schlag traf ihn, ohne dass er sich wehren konnte. Er wurde quer durch den Raum gewirbelt und hatte Schwierigkeiten, wieder auf die Beine zu kommen, bevor Olof sich erneut auf ihn stürzte. Diesen Angreifern hatte er wenig entgegenzusetzen.

      Eine feuchte Schnauze stieß ihn immer wieder an, und eine Zunge leckte über seine Nase. Benommen sehnte er sich nach nichts anderem, als weiterhin im Dämmerzustand zu bleiben und die Entspannung zu genießen. Die Zunge ließ ihn nicht in Ruhe, bis er die Augen öffnete.

      Bruke Tosen wollte sich aufrichten, sank aber gleich wieder zurück. Es schien nicht eine Stelle an seinem Körper zu geben, die nicht schmerzte.

      Offenbar lag er unter einem Steilhang aus schwarzem Gestein, der sich neben ihm in den Himmel wölbte. Tosen hob den rechten Arm und schob den Kopf des Halkonen zurück. Dabei merkte er, dass er kein Atemschutzfilter trug.

      Er sah sich um, weil er hoffte, den Filter in seiner Reichweite zu finden. Doch um ihn herum gab es nur schwarzes Gestein und einige Farne.

      Hastig legte er die Hände über Mund und Nase, bis ihm klar wurde, dass er damit die Schadstoffe nicht abhalten konnte. Er hatte keine Ahnung, wie lange er schon in der Wildnis lag, erst Minuten oder schlimmstenfalls schon Stunden. Das Armband hatten ihm die Springer abgenommen, er konnte also nicht um Hilfe rufen oder sich wenigstens orientieren.

      Tosen stemmte sich an einem Felsen ab und kam wenigstens auf die Knie. Mochten die Springer glauben, dass er tot sei oder so gut wie tot, weil die atmosphärischen Gifte ihm den Rest geben würden, wenn er nicht bald in ärztliche Behandlung kam, er gab nicht auf.

      War Sintha-Lee tot oder ebenfalls in der Wildnis ausgesetzt?

      Er war sicher, dass Xingar und seine Sippe sich früher oder später zu Herrschern über das Handelskontor von Jarvith-Jarv aufschwingen würden, wenn er ihnen nicht in die Arme fiel.

      Er befand sich in einer gut hundert Meter tiefen Schlucht. Nach Süden hin stieg sie bis zu einem Vulkankegel an, dorthin durfte er sich keinesfalls wenden.

      Primas fiepte und lief nach Nordwesten. Schon nach wenigen Metern hielt der Halkone inne und wandte sich um.

      Bruke folgte dem Tier, auch wenn ihm jeder schnelle Schritt Höllenqualen bereitete.

      Als er sich etwa einen Kilometer weit durch das unwegsame Gelände vorangekämpft hatte, fiel der Boden unvermittelt steil ab. Ein blühendes Tal öffnete sich. Leuchtend rote Bäume wuchsen inmitten von Nadelwäldern, und auf freien Flächen wucherte übermannshohes Gras. Gigantische Pflanzenfresser schoben sich träge hindurch. Über ihnen kreisten Raubvögel. Tosen wusste, dass es ein tödliches Unternehmen war, sich unbewaffnet auf eine solche Ebene zu wagen.

      »Es hat keinen Sinn«, sagte er zu Primas, der ihn ungeduldig anblickte. »Wenn ich da hinuntergehe, werde ich umkommen.«

      Allerdings durfte er auch nicht in den Bergen bleiben. Der bebende Untergrund kündigte einen Vulkanausbruch in größter Nähe an. Womöglich schon sehr bald würden sich glühende Lavamassen durch die Schlucht über die Ebene ergießen.

      Zu spät registrierte Tosen das Summen einer Stechlibelle, da bohrte sich ihr Rüssel bereits in seinen Nacken. Er schlug nach dem Insekt, reagierte jedoch viel zu langsam. Das Gift befand sich da bereits in seiner Blutbahn.

      Strahlenförmig breitete sich der Schmerz von seinem Nacken über den Körper aus. Stöhnend taumelte Bruke einige Schritte weit, dann brach er zusammen.

      Es ist dunkel!, war sein erster Gedanke, als er die Augen aufschlug. Über sich sah er den Erdnussmond von Jarvith-Jarv.

      Bruke Tosen wunderte sich darüber, dass er noch lebte. Jemand musste ihm ein Gegengift injiziert haben.

      Er hörte Schritte näher kommen. Licht flammte neben ihm auf. Geblendet schloss er die Augen wieder. »Sintha-Lee?«, formulierte er mühsam. Eine Hand streifte über seine Wange, als ob sie ihm Leben vermittelte.

      Die Frau hatte ihn gerettet. Er lächelte, als sie ihm Wasser auf die Lippen träufelte, und es gelang ihm, sich ein wenig zu entspannen.

      »Ich muss zum Arzt«, sagte er schwerfällig. »Sintha-Lee, bitte, ich muss nach Jarvon.«

      Sie antwortete nicht, sondern schob ihm ihre Hände unter die Schultern und half ihm auf. Müdigkeit und Erschöpfung erlaubten ihm nur, die Augen kurz zu öffnen. Er sah, dass er vor dem Gleiter stand, mit dem Sintha-Lee gekommen war. Sie hatte aus den hinteren Sitzen eine Liege gemacht, um ihn bequemer transportieren zu können. Dankbar lächelnd ließ er sich auf die Polster fallen und schlief fast augenblicklich ein.

      Als er erwachte, befand sich der Gleiter bereits im Luftraum über Jarvon. Tosen drehte den Kopf. Er wollte Sintha-Lees Namen rufen, aber nur ein Stöhnen kam über seine Lippen. Nicht die Springerin hatte ihn gerettet, sondern Amby Törn.

      »Du hattest Glück«, sagte der Mediziner. »Ich habe bisher niemanden erlebt, der unter solchen Bedingungen durchgekommen ist.«

      Bruke Tosen spürte die Hochdruckinjektion.

      »Du brauchst wenigstens zwei Wochen Ruhe,

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