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hervor. »Was verlangst du von mir?«

      Der Fremde bewegte sich nicht. Schwarz stand er in der Nacht, dunkler als sie, dunkler als alles auf Sarlengort.

      »Du wirst mir dienen«, antwortete das dunkle Geschöpf. »Über andere wirst du herrschen, aber mir wirst du dienen. Du wirst mich nicht verraten, denn wenn du mich verrätst, wirst du sterben. Wenn du mir dienst, schenke ich dir das ewige Leben.«

      Im Traum sah er zu seinem Besucher auf, und er wagte nicht, ihm zu glauben. »Das ewige Leben?«, wiederholte er zweifelnd. »Unsterblichkeit? Als Lohn für meine Dienste? Welche Dienste sind so wertvoll, dass man sie mit dem ewigen Leben belohnt?«

      »Es ist Krieg«, sagte der Fremde. »Der Krieg ist schon so alt, dass selbst ich vergessen habe, wann er begonnen hat. Die Mächte der Vernunft ringen mit dem größten Feind, den das Universum hat. Dieser Feind täuscht vor, für die Ordnung und gegen das Chaos zu kämpfen, doch die Ordnung, die dieser Feind meint, ist der Tod für mich und meinesgleichen. Der Feind hat viele Gesichter und trägt viele Namen. Seine Helfer sind Legion und seine Machtmittel schier unbegrenzt. Die Mächte der Vernunft wären schon vor Äonen besiegt worden, hätte der Feind sich nicht selbst geschwächt ... durch die Beschädigung des Moralischen Kodes.«

      Im Traum sah er an dem Fremden vorbei, sah das dunstige Meer und die glasierte Küste, die graue Asche des Landes und die Feuer am Horizont. Im Traum stellte er sich die gleichen Fragen, die er sich damals gestellt hatte: Warum soll ich ihm nicht dienen? Warum soll ich auf Sarlengort bleiben und sterben, wenn ich ewig leben kann? Die Völker von Narzesch werden sich daran erinnern, was wir Träumer ihnen im Lauf unserer zehntausendjährigen Herrschaft angetan haben. Sie werden kommen, um sich zu rächen, jetzt wo die Patrouillen von Wi'n die Macht der Träumer gebrochen haben. Sie werden kommen und eine Welt aus Asche finden, und in der Asche die Türme, und in den Türmen die letzten Sarlengort, unter ihren Träumen begraben ...

      Dennoch fürchtete er sich vor dem Entschluss. Seine Pigmentsensoren – Auge, Ohr und Nase zugleich – wurden stärker durchblutet, als ob die Furcht seine Sinne schärfen wollte, um ihm das zu zeigen, was sich hinter all den Worten verbarg. Er fand, was er erwartet hatte. Eine Drohung. Ungehorsam bedeutet Tod. Zu seiner eigenen Überraschung erleichterte ihn die Drohung. Sie befreite ihn von der Last der eigenen Verantwortung. Der Gehorsam war eine Bürde, die sich leichter tragen ließ.

      »Ich werde dir dienen«, wiederholte er im Traum die Worte von damals. »Ich denke, dass ich ...«

      Schmerz traf ihn wie der Schlag einer stählernen Faust. Wilder körperlicher Schmerz, der ihn aufbrüllen ließ, aber die Welt war verbrannt, und die Träumer in den Türmen schliefen zu fest, um ihn hören zu können. Und das einzige Wesen auf Sarlengort, das ihn hörte, kümmerten seine Schreie nicht.

      »Du wirst dienen, nicht denken«, sagte sein neuer Herr. »Du bist ein Werkzeug; mehr nicht.«

      Er stöhnte. Ruß schwärzte seine weiße Haut; Ascheflocken blendeten seine Pigmentsensoren. Der Schmerz ließ langsam nach, und während der Schmerz abflaute, wuchs Zorn in ihm. Ohnmächtiger Zorn. Ich bin ein Sarlengort!, dachte er. Mein Volk hat zehn Jahrtausende lang über eine ganze Galaxis geherrscht! Niemand hat das Recht, mich so zu behandeln! Niemand ...

      »Du bist mein Werkzeug«, sagte sein Herr. »Und du wirst mein Werkzeug bleiben. Mein wichtigstes Werkzeug, doch trotzdem ein Werkzeug, ein Element. Das Element der Lenkung, der Führer des Dekalogs der Elemente. Du bist nicht das erste Lenkungselement. Vierzehn haben mir vor dir gedient. Bis zu ihrem Tod. Sie starben im Kampf gegen die Mächte der falschen Ordnung, und dieser Tod war sanft; oder sie starben durch meine Hand, weil sie unfähig waren und versagt hatten, und dieser Tod ...«

      »Ich verstehe.«

      »Du verstehst nichts.«

      Im Traum lag er keuchend in der Asche. Ruß verklebte die empfindlichen Pigmentsensoren, und als er den Kopf hob, verwandelte der Rußfilm die Hügel und den weißen Turm im Norden in Schattenrisse. Ganz Sarlengort war ein Schattenland – mit Schatten als Bewohnern. Er dachte an die Schläfer in diesem und den anderen Türmen und an das Schicksal, das sie erwartete. Er sah seinen Herrn an, aber ihm fehlte der Mut, ihn um Hilfe für sein Volk zu bitten. Ein Werkzeug diente und gehorchte; einem Werkzeug wurden keine Bitten gewährt. Er richtete sich mühsam auf.

      »Du brauchst einen Namen«, sagte sein Herr, »einen neuen Namen.«

      »Warum?«, wagte er zu fragen. Instinktiv, in Erwartung einer neuen Schmerzwelle, duckte er sich, doch der Schmerz blieb aus.

      »Weil du von nun an mein Werkzeug bist. Du beginnst erst jetzt zu existieren. Was vorher war, hat es nie gegeben. Es muss so sein.« Etwas wie Belustigung ging von dem Unheimlichen aus. »Nur wer keine Bindungen hat, ist ein perfekter Diener. Nur wer keine eigene Identität, keine Vergangenheit hat, ist ein vollkommenes Werkzeug. Ich werde dir Identität und Vergangenheit nehmen und dir dafür Macht und Unsterblichkeit geben.«

      »Du bist großzügig.«

      »Was ich gebe, kann dir jederzeit genommen werden.«

      Im Traum dachte er über einen neuen Namen nach, wie er vor viertausend Jahren auf Sarlengort nachgedacht hatte, und genau wie damals fand er die Antwort im Brandungsrauschen. Das Meer war tot, aber es rauschte noch.

      »Nenn mich Kazzenkatt«, sagte er. »Kazzenkatt der Träumer.«

      Denn Kazzenkatt, fügte die Brandung mit feuchter, schwerer Stimme hinzu, Kazzenkatt heißt: Ich will leben.

      *

      Mit einem Schrei fuhr er aus dem Schlaf. Einen schrecklichen Moment lang sah er noch die graue Asche und den glasierten Strand von Sarlengort vor sich, dann verblassten die Erinnerungsbilder. Er war wieder in der Wirklichkeit, in der Zentrale der PRIMAT DER VERNUNFT. Die Wände aus grüner Formenergie, der Boden, die Decke, das ganze Schiff – alles schien von innen heraus zu glühen. Wie um die Schatten seiner Träume zu vertreiben.

      Formenergiehände massierten seine verspannte Rückenmuskulatur; aus dem Seitenwulst der Schlafmulde schob sich ein flexibler Schlauch. Automatisch öffnete er den Speisemund und trank gierig den mit belebenden Wirkstoffen versetzten Nährbrei. Während er trank, atmete er über das Luftröhrensystem des Atemhalses reinen Sauerstoff ein.

      Kazzenkatt fühlte sich zerschlagen – wie nach jedem dieser seltsamen Träume, in denen er sich nicht von seinem Körper löste, sondern in den Abgrund seiner Erinnerungen stürzte.

      Keiner seiner Artgenossen auf Sarlengort hatte je derartige Träume gehabt. Ein Traum war stets ein Zerotraum gewesen – das Bewusstsein schüttelte die Fesseln des Körpers ab und konnte in dieser ätherischen Zustandsform die Grenzen von Raum und Zeit überwinden, in Gedankenschnelle Entfernungen zurücklegen, für die sogar das Licht lange Jahre benötigte.

      Auf Sarlengort hatte man nie davon gehört, dass es Träume gab, die in den Kosmos der Innenwelt führten statt in den Kosmos der Außenwelt, und dass im Universum des Unbewussten manchmal größere Gefahren lauerten als im Universum der Sterne und Galaxien.

      Kazzenkatt schob den Nährschlauch zur Seite und horchte mit hellroten Pigmentsensoren in die Leere des Schiffes. Nichts. Nur das fast unhörbare musikalische Wispern der Formenergie. Er gab dem Bordcomputer einen mentalen Befehl. Die Formenergie der Schlafmulde bildete sich um. Die Mulde wuchs zu einem bequemen Sessel; ein weiterer Mentalbefehl, und in der Luft erschien ein unstrukturiertes holografisches Projektionsfeld. Während er unentschlossen das bunte Flackern des Hologramms betrachtete, fiel ihm ein, dass die Innenweltträume kurz nach seinem fünfhundertsten Geburtstag begonnen hatten. Und nun war er über viertausend Jahre alt, obwohl die natürliche Lebensspanne eines Sarlengort nur zweihundert Jahre betrug. Ohne die Zellduschen auf LAGER wäre er schon vor langer Zeit gestorben ...

      Vielleicht, dachte Kazzenkatt, sind diese Träume der Preis der Unsterblichkeit. Vielleicht sind wir Sarlengort dem ewigen Leben psychisch nicht gewachsen. Die Last der Jahre wird drückender und drückender, bis nicht einmal mehr der Zerotraum Erleichterung bringt; was bleibt, sind die Reisen in die Innenwelt ... Ich werde meine Fähigkeit zum Zeroträumen verlieren, dachte Kazzenkatt

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