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ich die Welt neu erobern wollte, wenn ich ein neues Produkt schnell neu einführen müsste, dann würde ich nicht gerade meinen Freund von oben um Hilfe bitten. Bis er gestartet wäre, wäre der Markt wahrscheinlich schon von der Konkurrenz besetzt. Bis er alle Möglichkeiten abgewogen und alle Gefahren ausgeschlossen hätte, wäre der Zug längst abgefahren. Im Vergleich zu ihm bin ich in vielen Situationen genau das Gegenteil: Allzu oft agiere ich zu schnell, zu ungenau und zu oberflächlich. In einigen Situationen wäre es von Vorteil, wenn ich detailgenauer vorgehen würde, mehr Augenmerk auf die Feinheiten legen würde. Ich bin eher ein Anpacker, ein Macher, ein Sprinter. Sicherlich wäre ich bei der Einführung eines neuen Produkts immer dann der Richtige, wenn etwas schnell und zuverlässig umgesetzt werden müsste. Wenn es aber darum geht, die Strukturen, die Pläne ordentlich und sauber bis ins Detail auszuarbeiten, wenn es also um Präzision und Details geht, dann wäre er der Richtige und ich eher fehl am Platz. Entscheidend jedoch ist: Beide Verhaltensweisen und Eigenschaftsausprägungen haben ihre Daseinsberechtigung. Im Grunde brauchen wir uns sogar gegenseitig. Er braucht jemanden, der antreibt und voranschreitet, der schnell ins Handeln kommt. Und ich brauche jemanden, der hinter mir aufräumt und die Detailarbeit übernimmt. Wir würden uns also hervorragend ergänzen.

      Neurotische Perfektionisten sind oft nicht in der Lage, sich über Ergebnisse zu freuen, sie glauben immer, dass es noch besser geht, dass die eigene Leistung nicht ausreicht. Sie erkennen ihre eigene Arbeit nicht an. Sie empfinden keine positiven Emotionen, wenn ein Etappenziel erreicht wurde. Sie schaffen es einfach nicht, ein gutes Ergebnis zu akzeptieren. Dies gilt für sie selbst, aber auch für andere. Im Beispiel meines Freundes ist es nicht so: Er erkennt seine Leistung an, er freut sich über das Erreichte und kann sich über positive Ergebnisse freuen. Und er findet die Grenze, wann es dann mit der Genauigkeit auch mal genug ist (zumindest meistens).

       Nimm dir Zeit zum Nachdenken

      Es bleibt wiederum die Frage zu beantworten, wo der gesunde und konstruktive Perfektionismus anfängt – und wo der neurotische Perfektionismus. Was fällt noch in den Bereich des wichtigen Strebens nach Qualität und was zählt schon zum destruktiven, weil blockierenden Verstricken ins Detail? Wiederum gilt: Der Unterschied ist fließend, es gibt keine klare Grenze. Beschäftige dich darum bitte mit den folgenden Fragen:

      •Stellt sich bei dir nach dem Erreichen eines Ziels ein Zufriedenheitsgefühl ein?

      •Empfindest du ein Gefühl von Stolz, wenn du etwas erreicht hast?

      •Bist du jemand, der immer alles selbst machen möchte, weil es niemanden gibt, der es dir gut genug macht?

      •Verstrickst du dich häufig so sehr ins Detail, dass du den Blick für das große Ganze verlierst?

      •Kannst du Situationen, bei denen es um notwendige Genauigkeit geht, von denen unterscheiden, bei denen Detailarbeit kontraproduktiv ist?

       Was glaubst du nach der Beschäftigung mit diesen Fragen? Ist dein Perfektionismus eher konstruktiv oder eher destruktiv geprägt?

       Ursachen für übermäßigen Perfektionismus

      Nur wenn du die Ursache für ein Verhalten erkannt hast, kannst du Veränderungen durchführen und Wachstum erleben. Wenn du weißt, dass du zu perfektionistisch bist, oder eben das Gegenteil. Wenn du die Gründe für dein Verhalten analysiert und erkannt hast, dann kannst du einschätzen, inwieweit sich dein Verhalten negativ auf dein Leben auswirkt. Wo du dich selbst bremst, wo du Leistung oder Glück durch dein eigenes Verhalten verhinderst. Erst jetzt kannst du den nächsten Schritt gehen und Veränderungen anstreben.

      Veränderungen bezüglich deines perfektionistischen Verhaltens sind durchaus möglich. Denn wie du dich verhältst, ist nur zu einem Teil in deinen Genen verankert und vorherbestimmt. Auf der Seite http://eis-coaching.com heißt es zum Thema »Perfektionismus«: »Sowohl der psychologische Faktor ›Neurotizismus‹ als auch die ›Gewissenhaftigkeit‹, die beide mit dem Perfektionismus zusammenhängen, sind zu etwa 50 Prozent genetisch determiniert. So kann eine gewisse Neigung zum Perfektionismus angeboren sein. Eine Zwillingsstudie von Federica Tozzi von 2004 stellte einen moderaten genetischen Effekt heraus. Zweitens wird Perfektionismus durch Umwelteinflüsse, also in erster Linie durch die Erziehung und die Peers, beeinflusst. So kann er durch ein Verhalten der Eltern, das zum einen hohe Standards setzt und zum anderen zu wenig Wärme und Akzeptanz schenkt, verstärkt werden. Auf der dritten Ebene ist perfektionistisches Verhalten auch ein angstvolles Vermeiden, gegen oder für das man sich entscheiden kann.« (http://eis-coaching.com/mindset-alles-eine-frage-der-einstellung/perfektionismus)

      Nun bin ich kein Wissenschaftler. Aber ich verstehe, dass der Hang zum Perfektionismus zum Teil in uns angelegt sein kann, wir ihn aber auch beeinflussen können. Wir sind ihm also nicht vollends ausgeliefert. Natürlich werden wir in der Kindheit sehr geprägt, hier liegen Ursachen für unser Verhalten in Bezug auf Perfektion. Da diese Prägungen jedoch nicht in den Genen verankert sind, kannst du sie beeinflussen und verändern. Das ist zwar schwierig, aber durchaus möglich. Vielleicht gelingt es dir durch die nachfolgenden Ausführungen, in deine Vergangenheit zu schauen und die Ursachen für dein Verhalten zu erkennen. Sobald dir die Ursachen bewusster sind und du einschätzen kannst, warum du dich in bestimmten Situationen so verhältst, wie du dich verhältst, kannst du Veränderungen anstreben. Jede Veränderung ist ein Prozess, der nur in Gang kommt, wenn du auf der einen Seite die Ursachen für ein Verhalten kennst und auf der anderen Seite einen Grund hast, eine Veränderung anzustreben.

       Der Einfluss der Eltern

      Wir adaptieren das Verhalten unserer Eltern und des näheren Umfeldes. Das entdeckte der kanadische Psychologe Albert Bandura bereits im Jahr 1965 bei Experimenten mit Kindern. Er fand dabei heraus, dass diese nicht nur durch die Konsequenzen ihres eigenen Verhaltens lernen, sondern vor allem durch die Beobachtung und Nachahmung der Eltern. Darum dürfen wir vermuten, dass wir auch in Bezug auf Perfektionismus von unseren Eltern geprägt werden und oft deren Präferenzen übernehmen. Wenn ich mir mein Umfeld und das meiner Eltern ansehe, kann ich dies definitiv bestätigen. Meine Freunde und Bekannten zeigen oft gut erkennbar ähnliches Verhalten wie ihre Eltern. Natürlich nicht immer, jedoch auffallend häufig.

      Hinzu kommt eine weitere Beobachtung: Wenn Kinder körperliche oder seelische Misshandlungen durch Eltern erfahren haben, dann kann es bereits aus dem Grunde zu einer verstärkten Neigung zur neurotischen Perfektion kommen, auch wenn die Eltern nicht besonders perfektionistisch veranlagt sind. Die in diesem Fall beim Kind entstehenden übermäßig perfekten Verhaltenszüge entstehen nicht durch Adaption, sondern dienen der Vermeidung negativer Konsequenzen. Um körperliche oder seelische Misshandlungen zu vermeiden, wird versucht, möglichst keine Fehler zu machen. In dem Fall sorgt eine negative Erfahrung für die Stärkung des neurotischen Perfektionismus.

      Das Verhalten der Eltern ist also wesentlicher Bestandteil unseres eigenen Verhaltens im Umgang mit Perfektion. Es sind jedoch vor allem Prägungen, die wir im Laufe unseres Lebens korrigieren und verändern können.

       »Das Unperfekte macht die perfekte Schönheit.«

      Lothar Hüther (*1965), Schlosser, Konstrukteur, Betriebsrat

       Der Einfluss der Gesellschaft und äußerer Umstände

      Eine weitere nicht zu unterschätzende Ursache für übermäßigen Perfektionismus liegt in unserer Gesellschaft begründet. Wir Menschen sind soziale Wesen und brauchen die Gemeinschaft und ein Gefühl, das Zugehörigkeitsgefühl. Unser Handeln wird geprägt durch den Wunsch nach Freundschaft, Zuwendung, Geborgenheit und Liebe. Die Angst, ausgeschlossen zu werden, Zurückweisung zu erfahren und nicht anerkannt zu werden, fördert das Streben nach Perfektionismus. Wir trachten

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