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nicht erzielt wird, fühlen wir uns schnell als Versager. Wir haben Angst, nicht anerkannt zu werden, und versuchen, dieses Gefühl zu vermeiden. »Was könnte die Umwelt wohl über mich denken?«, so die bange Frage, die wir uns dann stellen. Bis zu einem gewissen Grad ist dieses Verhalten auch nicht verwerflich, denn es motiviert zuweilen, uns noch mehr anzustrengen. Auf der anderen Seite gilt:

      !

       Das übermäßige Streben nach Perfektion führt selten zu mehr Glück.

      Ich musste diese Erfahrung bereits in meiner Jugend machen. Zu meiner Zeit spielten wir Jugendlichen regelmäßig auf dem Dorfplatz Fußball. Mindestens einmal pro Woche trafen wir uns, um auf Tore zu spielen, die wir uns selbst zusammengebastelt haben. Zu Beginn wurden die Mannschaften gebildet. Zwei Personen beginnen nacheinander, Jugendliche für ihr Team auszuwählen. Erst der eine, dann der andere. Ich gebe zu, ich gehörte nicht gerade zu den brillantesten Fußballern, ich hatte zwei linke Füße, und darum blieb ich immer (fast) bis zum Schluss stehen, weil mich niemand in seinem Team haben wollte. Der Ball tat in den wenigsten Fällen das, was ich wollte. Wie du dir sicher vorstellen kannst, war es kein prickelndes Gefühl, immer als einer der Letzten übrigzubleiben, es förderte nicht gerade mein Selbstwertgefühl. Da so gut wie alle Jugendlichen in dieser Zeit im Fußballverein spielten, fügte ich mich dem Gruppenzwang und meldete mich ebenfalls an. Meine Position war – na ja, ich wurde Ersatzspieler. Der Trainer war wohl der Meinung, dass ich auf dieser Position am besten aufgehoben wäre. Eines Tages aber fiel unser Torwart aus. Als Ersatzspieler sollte ich diese Position einnehmen. Und ich war echt gut. Ich konnte mit der ein oder anderen Parade derart überzeugen, dass mich der Trainer in der nächsten Zeit ins Torwarttraining integrierte. Ich übte jede freie Minute. Ich verbesserte mich stetig, sodass ich sogar den Stammtorwart schnell von seiner Position verdrängen konnte. Ich wurde zur Kreisauswahl angemeldet und avancierte zum besten Torwart in unserem Kreis. An einem Wochenende wurde ich in einem Turnier zum besten Torwart ausgezeichnet. Aber seltsam, zufrieden mit mir war ich trotzdem nicht. Natürlich war es ein tolles Gefühl, eine solche Auszeichnung zu bekommen, aber ein richtiges Glücksgefühl stellte sich bei mir nicht ein. Ich dachte immer noch, ich sei nicht gut genug, ich müsse besser sein. Trotz meiner Erfolge quälten mich erhebliche Versagensängste. Ich konnte meine Erfolge nicht wirklich annehmen. Ich galt zwar als der beste Torwart des Kreises, war jedoch trotzdem nicht wirklich glücklich.

      Ich erkläre mir mein Verhalten so, dass ich mir aufgrund meiner Erfahrungen als Ersatzspieler nicht vorstellen konnte, wegen meiner Leistungen akzeptiert zu werden. »Das kann doch eigentlich gar nicht sein, dass die Kollegen der Meinung sind, ich sei ein guter Keeper. Ich muss also noch bessere Leistungen zeigen!« So hat sich bei mir, zumindest als Fußballer, nach und nach eine perfektionistische Haltung aufgebaut, die mir zum Teil im Weg stand, aber auf jeden Fall dazu geführt hat, dass ich mich nie so richtig zugehörig gefühlt habe und als Torwart nie wahrhaftige Glücksgefühle entfalten konnte.

      Das heißt: Bei mir hat letztendlich die Gesellschaft – in diesem Fall die Gruppe meiner Fußballkameraden und des entsprechenden sportlichen Umfeldes – dazu beigetragen, dass sich perfektionistische Züge entwickeln konnten, und zwar mit dem Ziel, Anerkennung zu erhalten und mich einer Gruppe zugehörig fühlen zu können. Dazu möchte ich dir weiter unten weitere Beispiele geben.

      Angetrieben durch Fernsehsendungen wie Let’s dance und vergleichbare Sendungen reicht das einfache Tanzen heutzutage oft nicht mehr aus, um andere Menschen zu überzeugen. Um in der Gesellschaft angesehen zu werden, musst du einen perfekten Tanz aufs Parkett legen. Der Spaß und die Freude am Tanzen rücken in den Hintergrund, der Leistungsdruck nimmt zu. Beim Sport reichen der Spaß und der Unterhaltungswert ebenfalls nicht mehr aus; wem es um Lob und Anerkennung geht, der muss eine Spitzenleistung erbringen. Wer dazu nicht bereit ist oder dies nicht bieten kann – nicht jeder ist zu Spitzenleistungen im Sport fähig –, der leidet darunter und kann keine Gefühle der Zufriedenheit oder gar des Glücks entwickeln. Wenn wir nur damit beschäftigt sind, was die Gesellschaft über uns denkt, und uns ständig fragen, ob und wie wir Anerkennung erfahren können, ohne uns darauf zu konzentrieren, was uns Freude bereitet, dann verhindern wir dadurch geradezu Glücksgefühle. Was dann passieren kann, musste ich in der eigenen Familie erleben.

      Als mein Sohn 17 Jahre alt war, entschloss er sich, eine Tanzschule zu besuchen. Er wollte alle klassischen Tänze erlernen. Er hatte rasch eine gute Partnerin gefunden und beide wurden so gut, dass die Tanzschule sie für kleinere Wettkämpfe anmelden wollte. Dazu mussten sie immer und immer wieder die gleichen Techniken und Figuren einüben. Mein Sohn und seine Tanzpartnerin wollten sich jedoch weiterentwickeln, sie wollten neue Figuren und Tänze erlernen, statt die Tänze, die sie ohnehin beherrschten, immer weiter zu perfektionieren. Klar, das ist die Voraussetzung, um an Wettkämpfen erfolgreich teilzunehmen. Aber: Es ging ihnen nicht darum, einige wenige Tänze perfekt zu beherrschen, sondern sich möglichst vielseitig und abwechslungsreich bewegen zu können. Die Tanzschule hingegen war auf ihr Image und ihr Ansehen fixiert. Sie wollte mit guten Platzierungen glänzen. Mein Sohn und seine Tanzpartnerin verloren mit der Zeit die Lust und hörten mit der Tanzerei dann ganz auf. Schade, denn sie waren sehr gut und hätten mit Lust und Freude sicher noch eine Menge erreichen können. Der Perfektionsdruck, den die Tanzschule ausübte, hat dazu geführt, dass ein talentiertes Paar das Tanzen beendet hat.

      Klar ist, dass dieser Perfektionsdruck auch im beruflichen Umfeld eine Rolle spielt.

       In meiner Zeit als Vertriebsleiter in der Softwarebranche hatte ich eine Zeit lang auch das Entwicklungsteam zu verantworten. Es gab bei meiner Übernahme der Abteilung jedoch keine Testabteilung (die man in einem solchen Unternehmen hätte erwarten können). Jeder Fehler, der in der Entwicklung passierte, wirkte sich unmittelbar beim Kunden aus und belastete den Support. Dies führte zu einem enormen Druck bei den Entwicklern. Sobald ein Fehler in der Praxis auftrat, wurden die Entwickler gleich von allen Seiten kritisiert. Um Fehler zu vermeiden, hielten sie sich extrem lange an einem Ticket (einer Entwicklung) auf. Sie wollten Kritik vermeiden, was jedoch dazu führte, dass es immer weniger Innovationen gab. Denn jeder Entwickler vermied es, Anregungen und Änderungen einzubringen, es hätte ja die Fehlerquote erhöhen können. Um Anerkennung von einem Umfeld zu erhalten, das eine Null-Fehler-Toleranz favorisierte, wurde der Druck immer größer, perfekt zu agieren. So wurde nach und nach jegliche Kreativität erstickt, weil die Entwickler sich einfach nicht mehr trauten, auch einmal einen Fehler zu machen. Und eine Entwicklungsabteilung ohne Kreativität … nun ja …

      Ich höre schon die Kritiker, dass dies doch gut so sei, es sei doch richtig, Fehler zu vermeiden! Auf der einen Seite ist das tatsächlich richtig. In diesem Bereich kommt es jedoch auch auf Umsetzungsgeschwindigkeit und Innovation an. Erst nachdem ich dann eine Testabteilung eingerichtet hatte, konnten wir alles miteinander verknüpfen: Innovation, Genauigkeit und Umsetzungsgeschwindigkeit. Der Druck auf den einzelnen Entwickler verringerte sich, er traute sich wieder, auch kreativ und innovativ zu agieren.

       Nimm dir Zeit zum Nachdenken

      Es gibt familiäre und gesellschaftliche Einflüsse, die unser Verhalten in Bezug auf die Perfektion beeinflussen. Prägungen, die du in deinem Leben erfahren hast, lassen sich aber oft auch verändern. Das ist nicht immer ganz einfach, aber es geht. Darum beschäftige dich bitte mit den folgenden Fragen:

      •Was verstehst du unter Perfektionismus?

      •(Wann) Leidest du unter Perfektionismus?

      •In welchen Situationen profitierst du von dieser Haltung?

      •Welche familiären und gesellschaftlichen Prägungen könnten »deinen« Perfektionismus beeinflusst haben? Beschreibe diese Beeinflussungen möglichst konkret.

      •Welche Möglichkeiten kannst du wie nutzen, um dich von deinen Prägungen zu befreien?

       Sich selbst wertschätzen

      Vielleicht kennst du selbst Beispiele aus deinem auch gesellschaftlichen Umfeld, die belegen, wie kontraproduktiv das übermäßige Streben nach Perfektion sein kann. Ich komme

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