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Immer wenn dein Leben von etwas abhängt, ist eine perfekte Vorbereitung dein Lebensretter.

      Ich möchte nicht den Eindruck erwecken, dass Perfektion an sich etwas Schlechtes ist, sie kann aber auch ins Negative umschlagen. In richtiger Dosierung und an den richtigen Stellen eingesetzt, ist sie sehr erstrebenswert, weil sie Leben retten und zu großen Erfolgen verhelfen kann. Würden wir die Perfektion nicht an den richtigen Stellen einsetzen, wären wir nie zum Mond geflogen, verfügten über die Mobilität einer Schnecke, müssen »Fortschritt« als Fremdwort betrachten und würden wahrscheinlich noch wie im Mittelalter leben. Es ist gut, dass es in bestimmten Bereichen Perfektionisten gibt, Menschen, die ihre Aufgaben eventuell sogar ein wenig zu ernst nehmen. Ja, sie können uns durchaus mit ihrer Penetranz nerven, uns an die Grenzen des Aushaltbaren bringen. Allerdings: Diese Menschen würden sich selbst selten als glücklich bezeichnen, oft leiden sie unter ihrem Perfektionsdrang. Trotzdem kann sich die Allgemeinheit glücklich schätzen, dass es sie gibt.

      Willst du bei der Formel 1 die Chance auf den Weltmeistertitel haben, kommst du an der Perfektion nicht vorbei. Jedes Element, jedes Zahnrad muss perfekt zum anderen passen. Nur so lässt sich das Ziel, mit dem Fahrzeug das Maximum zu erreichen, verwirklichen. Jeder Mechaniker, jeder Monteur, jeder Tester und natürlich der Fahrer müssen alles geben. Es kommt auf jeden Einzelnen an! Der Fahrer fährt die gleichen Runden immer wieder, um das Verhalten seines Fahrzeugs in der Runde, beim Schalten, beim Gasgeben und Bremsen immer weiter zu optimieren. Jeder Handgriff muss bis zur letzten Perfektion sitzen. Wenn du in dieser Position kein perfektionistisches Verhalten an den Tag legst, hast du keine Chance, auch nur einen Blumentopf zu gewinnen.

      Immer dann, wenn es um absolute Topleistung geht, wenn das Leben davon abhängt, Rekorde gebrochen werden sollen und es um lebenswichtige Details geht, ist Perfektion genau richtig am Platz. Aber auch hier ist es wichtig, dass es eine positive Perfektion bleibt, also eine Perfektion, die nicht um ihrer selbst willen geschieht, sondern einem Ziel dient. Wichtig ist, dass du deine Leistung anerkennst und dankbar dafür bist. Dass du das Erreichen von Zielen ganz bewusst wahrnimmst und dich nicht als Versager abstempelst, wenn du gesetzte Vorgaben einmal nicht erfüllst. Die Grenzen dabei sind fließend, es stellt eine wirkliche Herausforderung dar, erkennen zu können, ob ein Ziel nun zu 80, 90 oder 100 Prozent erreicht werden konnte.

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       Auf der einen Seite solltest du nach der absoluten Perfektion streben und dafür kämpfen und auf der anderen Seite Ergebnisse auch anerkennen und zufrieden sein, selbst wenn es immer noch etwas besser geht.

      Gerade in Sportarten wie der Formel 1 wird das absolute, nicht mehr zu toppende Bestergebnis nie erreicht werden können. Denn es wird immer neue Technologien geben, die die Leistungsfähigkeit der Boliden weiter nach vorn treiben. Die Perfektion vom letzten Jahr ist im aktuellen Jahr längst veraltet. Dies zu akzeptieren stellt eine große Herausforderung dar. Nur wenn du akzeptieren kannst, dass das, was du in deinem Verantwortungsbereich, beruflich und privat, im letzten Jahr mit der allergrößten Anstrengung und enormer Einsatzbereitschaft geschafft hast, in diesem Jahr schon nichts mehr zu bedeuten hat, ist es möglich, Glücksgefühle zu entwickeln. Ansonsten wirst du immer einem unerreichbaren Ziel nachjagen.

      Du siehst: Die Frage ist weniger, ob Perfektionismus Glück oder Makel ist. Denn Perfektionismus ist Glück und Makel. An den richtigen Stellen eingesetzt und richtig angewendet ist Perfektionismus Glück und etwas Positives. An den falschen Stellen eingesetzt oder krankhaft angewendet ist Perfektionismus Makel und Verhinderer. Die Kunst liegt darin zu erkennen, wann Perfektion angebracht ist und wann sie eher zum Hindernis wird. Allerdings: Genau diese Einschätzung fällt perfektionistisch veranlagten Menschen sehr schwer. Ihr Streben nach dem Perfekten verstellt ihnen den Blick darauf, wann der Perfektionismus zum Stolperstein wird. Es wäre zu schön, wenn wir einen Schalter hätten, mit dem wir unser Verhalten den Erfordernissen einer Situation angemessen anpassen könnten: Perfektion ein, Perfektion aus. Doch so einfach ist es leider nicht.

       In der Echokammer des Perfektionismus

      Du kennst bereits den Unterschied zwischen natürlichem und neurotischem Perfektionismus. Wenn Perfektionismus neurotisch wird, ist er zweifellos Makel. Denn dann verhindert er, dass ein Mensch ein glückliches Leben führen kann, weil sich nie ein Gefühl der Zufriedenheit einstellen kann. Zu sehr ist er damit beschäftigt, an sich zu zweifeln und nach noch mehr Perfektion zu streben. Krampfhaft und verbissen will er es sich selbst und auch allen anderen recht machen, um noch mehr Anerkennung zu erhalten.

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       Neurotischer Perfektionismus macht Menschen zu Gefangenen in der Echokammer ihres Perfektionismus. Ihre Weltsicht verengt sich, weil sie nur noch mit der Überlegung beschäftigt sind, wie sie etwas noch besser machen können.

      Im Grunde ist der Perfektionist sicher ein liebenswerter Mensch, er glaubt nur nicht an sich selbst. Er hat den Eindruck, nicht liebenswert zu sein, und das führt zu einem Dilemma. Er ist so fest davon überzeugt, dass er sich die Anerkennung und Liebe von anderen erst verdienen muss, dass er nicht bemerkt, wenn er diese Anerkennung und Lieben schon längst erfährt. In der Echokammer seines Perfektionismus stellt er sich vor, dass jene Anerkennung und Liebe allein mit seiner Leistungsfähigkeit in einem Zusammenhang steht. »Je perfekter ich bin, desto größer fällt die Zuneigung aus, die die Menschen mir entgegenbringen!«, so seine unumstößliche Überzeugung. Er fühlt sich nicht wirklich zugehörig und hat den Drang, das Gefühl der Ausgrenzung mit noch stärkerer Leistung bekämpfen zu müssen. Er befindet sich in einem Hamsterrad, aus dem er nicht entfliehen kann.

       Die Tragik des Perfektionisten

      Einer der berühmtesten Perfektionisten war wohl Steve Jobs (Flurry 2017). Er bezeichnete sich selbst mit großem Stolz als Perfektionisten. Sein Erfolg gründete auf seinen Visionen, die er mit aller Macht und zuweilen ohne Rücksicht auf Verluste umsetzen wollte. Seine Visionen waren so lebendig und stark, dass sie alles andere überstrahlten. Als 2001 das iPod der Weltöffentlichkeit präsentiert wurde, hatte es noch sechs Wochen zuvor einen Bildschirm, der aus Plastik bestand. Kurzfristig kam Jobs zu der Überzeugung, dass Plastik zu leicht zu zerkratzen wäre und es daher besser sei, den Bildschirm aus Glas zu fertigen. Du kannst dir vorstellen, welche Schockwelle dies im Unternehmen zur Folge hatte und welcher immense Druck dadurch auf die zuständigen Abteilungen ausgeübt wurde. Jobs waren die Konsequenzen und die Kosten gleichgültig, es ging ihm um seine Vision und sein Streben nach Perfektion. In diesem Fall war das Streben nach Perfektion ein positiver Antreiber, etwas Einzigartiges zu erschaffen.

      Steve Jobs hat mit seinem Perfektionismus ein Imperium aufgebaut und die Welt verändert. Ich bin der festen Überzeugung, er hat die Welt ein Stückchen besser und einfacher gemacht. Aber dafür musste er auch einen Preis bezahlen. Menschlich war er umstritten. Wie er sein Umfeld, seine Mitarbeiter, sein Team behandelte, war sicher nicht vorbildlich. Vermutlich sind viele Fragen zu dem Sinn des Lebens, auf die er wahrscheinlich Antworten gesucht hat, unbeantwortet geblieben. War er wirklich glücklich? Ich glaube nicht. Sein Streben nach immer mehr Perfektion ließ ihn wohl nie zur Ruhe kommen. So geht es vielen Perfektionisten. Sie finden innerlich keine Ruhe, sie finden nicht zu sich selbst, weil sie nie mit sich selbst und mit anderen Menschen zufrieden sind. Darin liegt aus meiner Sicht die Tragik vieler Perfektionisten.

      Auf der einen Seite sind solche Perfektionisten Menschen, ohne deren penetrante Zielstrebigkeit viele Entwicklungen und Fortschritte nicht möglich gewesen wären. Wenn wir uns jedoch berühmte Perfektionisten ansehen, fällt mir niemand ein, der von sich sagen kann bzw. konnte, dass er ein erfülltes Leben gehabt hätte und glücklich gewesen wäre. Ist das aber nicht das, was wir am Ende unseres Lebens von uns sagen sollten? Und sagen möchten? Diese Frage muss letztendlich jeder für sich selbst beantworten. Am Ende musst du für dich entscheiden, ob dir dein Perfektionismus so viel wert ist, dass du bereit bist, dafür auf ein Stück gelebtes Leben zu verzichten. Ich befürchte: Alles Geld, aller Ruhm, aller Einfluss, über das oder den Steve Jobs verfügen konnte, haben ihm letztendlich nicht zu einem erfüllten Leben verhelfen können.

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