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Der Schuh. Gabriela Bock
Читать онлайн.Название Der Schuh
Год выпуска 0
isbn 9783947167913
Автор произведения Gabriela Bock
Жанр Триллеры
Издательство Автор
»Glaub mir, ich bin okay«, sagte ich.
»Ich habe dich gesehen. In der Nacht. Du wurdest von zwei Männern zu einem Auto geführt. Du sahst mich an und riefst mir zu: Hau bloß ab hier!«
»Ich habe so was gedacht, aber nie gesagt. Ich habe weder gerufen noch geschrien, noch sonst was«, stellte ich entsetzt klar.
»Du hast laut gerufen.«
Ich kam gar nicht darüber weg. Hatte ich so unter Schock gestanden, dass ich davon nichts mehr wusste? Es war mir unbegreiflich.
»Du kannst dir alles von der Seele reden.«
Robert nahm mich sanft in die Arme, ich legte meinen Kopf auf seine Brust.
»Aber vorher muss ich dir etwas sagen, Emi. Ich liebe dich über alles, aber ich bin nicht der Mann, mit dem du …«
Ich hielt meinen Finger auf seinen Mund.
»Ich weiß«, sagte ich.
Ich hatte nicht geglaubt, dass es mir so schwerfallen würde, ihm alles zu erzählen.
»Ich verstehe es immer noch nicht«, sagte ich. »Wieso machen ganz normale Männer so was?«
»Sie wollen, dass du dich so fühlst, wie du dich gefühlt hast und wie du dich fühlen musst, um das zu überstehen. Sie wollen, dass dir alles egal ist, weil du glaubst, etwas völlig Schlechtes getan zu haben. Und dann, wenn sie dich von deiner Familie weggelotst haben und du an der Nadel hängst, dann holen sie dich großzügig aus dem Dreck. Großer Retter kümmert sich um kleine, gestrauchelte Prostituierte, die er selber erschaffen hat.«
»Ich glaube manchmal, für so einen Mist erschaffen worden zu sein«, hörte ich mich sagen.
Robert lachte. »Wenn ich nicht so ein blöder Idiot wäre, würde ich viele Kinder mit dir bekommen und immer bei dir bleiben. Ich kann mir nichts Schöneres vorstellen.« Jetzt wirkte er bedrückt. »Meine wahre Passion muss ich wohl einsam in der Hölle ausleben, wie es sich als Sohn des Satans gehört.«
»Eigentlich ist es ja dramatisch mit uns«, meinte ich.
»Gut, dass wir den Schluss des Dramas nicht kennen!«, sagte Robert.
Ich nahm ihn an die Hand. Nachdem wir uns versichert hatten, dass Niclas noch schlief, liefen wir ein Stück durch den Wald, das Auto mit Niclas im Blick, bis zu der kleinen Lichtung. Menschen hatten ihre Gartenabfälle hier entsorgt und damit die Lichtung zu einem Wunderwerk der Natur gemacht. Die Vegetation hob sich hier von dem übrigen Wald ab. Wilde Rosen, Birken und das unterschiedlichste Buschwerk um-grenzten das hohe, mit Kissen aus Moos durchsetzte Gras. Wir wären gern noch dort geblieben, aber wegen Niclas liefen wir zurück. Robert lief leichtfüßig und elastisch, beinah lautlos durch den Wald. Wir blieben stehen, weil ich in eine Dorne getreten war.
»Kannst du dir vorstellen, dass ich früher immer im Wald gespielt habe? Ganz allein. Ich habe gespielt, ich muss vor der Polizei flüchten, weil ich...!« Er stockte. »Weil ich meinen Vater ermordet hatte.«
Er sah so wirr aus, dass ich mich gezwungen fühlte, etwas zu erwidern. Er sollte sich nicht schlecht fühlen. Er hatte immer so viel Verständnis für mich.
»Ich habe was Ähnliches gemacht. Mit einer Freundin. Auch so ein armes Einzelkind wie ich. Wir haben von zu Hause abhauen gespielt. Wir benutzten sogar eine Stoppuhr, um schneller zu werden als die Erwachsenen, die uns verfolgen würden. Wir bildeten uns ein, sie wären mit Mannschaften und Hunden hinter uns her. Ich wollte immer frei sein.«
Ich wusste, Robert war unheimlich ausdauernd und zäh, auch wenn man ihm das nicht auf Anhieb ansah. Paul hatte mal von einer gemeinsamen Kanutour berichtet, dass Robert eine Ausdauer wie eine Maschine hätte und der zäheste Bursche wäre, der ihm jemals untergekommen war.
»Wie findest du meine Cousine?«, fragte ich.
»Mit ihr muss dringend was passieren. Ich sage dir doch, solche selbstgefälligen, selbst total unzulänglichen Drecksäcke wie dein Onkel und mein Vater, die merken gar nicht, wie breit die Schneise der Verwüstung ist, die sie hinterlassen. Da kannst du nur wegrennen, oder…!«
Er streckte seine linke Faust vor, den Zeigefinger nach vorn und den Daumen nach oben.
»Halte dich morgen Nachmittag mal bereit. Ich will dir was zeigen. So eine kleine Demonstration. Was zum Abgewöhnen«, sagte Robert, als er mich, Niclas und die Hunde hinter unserem Haus rausschmiss und mit dem Käfer weiterfuhr.
Kapitel 7
Am nächsten Tag war es unheimlich heiß, tropische Temperaturen. Niclas planschte mit Franziska im Freibad und ich war gerade beim Wäscheaufhängen, als Robert kam.
»Soll ich mich umziehen?«, fragte ich.
»Nicht für den Zweck!«, sagte Robert.
Wir fuhren durch eine wunderschöne Landschaft, bis nach Holzminden. Vor einer zartrosa gestrichenen Villa hielten wir an. Mir fielen sofort die Löwenköpfe auf, die auf beiden Seiten neben der runden, ausladenden Treppe postiert waren. Sie waren aus rosa Granit und hatten ein hämisches Grinsen im Gesicht.
»Geschmacksache, ich würde mir solche Tiere nicht vor meine Bude stellen«, meinte ich zu Robert. Als ich merkte, dass er mich die Treppen hochführte, ärgerte ich mich über meine schäbige Aufmachung. Ich trug ein schwarzes, kurzes Leinenkleid, dazu ausgeleierte Sandalen.
»Was wird das?«, fragte ich.
»Ich sagte dir doch, eine Demonstration«, sagte er. »Egal, was passiert, nimm es locker.«
Robert klingelte an der Tür und eine ältere, ernst dreinblickende Frau öffnete.
»Guten Tag, Herr Robert, wie schön, dass Sie auch mal wieder den Weg zu ihrer Großmutter finden. Die alte Dame erwartet Sie im Speisezimmer. Weiß sie von der Begleitung, die Sie mitgebracht haben?«
»Ich hatte es ihr am Telefon mitgeteilt.«
Mir war unwohl, als ich den Geruch des Hauses einsog und das Gefühl bekam, mich in einer Kathedrale zu befinden. Die alte Frau saß im Esszimmer, auf einem der zwölf Stühle, die um den runden, aus dunklem, poliertem Holz bestehenden Esstisch herumstanden. Ihre schlohweißen Haare trug sie exakt und kunstvoll hochgesteckt. Sie blickte an mir vorbei und nickte Robert zu, ohne ihre Mimik zu verändern. Sie kann nicht aufstehen, um ihren Enkel zu begrüßen, dachte ich. Die Ärmste kann nicht. Ich bekam Mitleid mit der alten Frau und ging auf sie zu, die Hand ausgestreckt, um sie zu begrüßen. Sie sprach auf Französisch auf mich ein und wies mir mit Handzeichen einen Platz zu, weit von sich entfernt. Dann winkte sie Robert zu sich. Der gab ihr die Hand. Sie sprachen Französisch miteinander. Robert wurde ein Platz in ihrer Nähe zugewiesen. Es gab keinen Begrüßungskuss, keine Umarmung. Auch Robert machte keine Anstalten. Ihre Krähenaugen wirkten dunkel und kalt und ich dachte an Helga und Konstantin. Die waren ein Beispiel dafür, wie warm und herzlich braune Augen sonst dreinblicken konnten.
»Tee?«
Robert goss ihr aus einer schlichten Kanne Tee in die Tasse, die vor ihr auf dem Tisch stand. Er verzichtete darauf, sich selber etwas einzugießen, als er bemerkte, dass keine dritte Tasse auf dem Tisch stand. Robert und diese unsympathische Person sprachen weiterhin Französisch miteinander. Wie unhöflich,