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Projekt Phoenix. Kevin Behr
Читать онлайн.Название Projekt Phoenix
Год выпуска 0
isbn 9783958751774
Автор произведения Kevin Behr
Жанр Зарубежная деловая литература
Издательство Bookwire
Ich erkläre: »Die kritische Ressource ist Brent, der vollständig mit dem Beheben des Payroll-Fehlers beschäftigt war, von dem wir ja alle wissen. Das war ein komplett unvorhersehbarer Notfall, den wir aber ganz offensichtlich lösen mussten. Jeder weiß, wie wichtig Phoenix ist, und wir tun alles, was möglich ist, damit sich Brent darauf konzentrieren kann.«
»Vielen Dank für Ihre ausgesprochen kreative Erklärung, Bill«, ätzt Sarah. »Das eigentliche Problem ist hier doch, dass Ihre Leute anscheinend nicht erkennen, wie wichtig Phoenix für die Firma ist. Unsere Konkurrenz fegt uns vom Markt. Sie haben alle die Werbung über ihre neuen Services gesehen und gehört. Sie sind innovativer – sowohl in den Filialen als auch online. Sie haben schon einige unserer wichtigsten Partner abgeworben, und unser Vertrieb bekommt langsam Panik. Ich bin nicht der Typ für ›Ich habe es doch gesagt‹, aber ihre neuesten Produktankündigungen zeigen, warum wir nicht so weitermachen können, als ob nichts geschehen wäre.«
Sie fährt fort: »Bill, damit wir unseren Marktanteil wieder erhöhen können, müssen wir Phoenix ausliefern. Aber aus irgendeinem Grund sorgen Sie und Ihr Team nur für Verzögerung. Vielleicht sind Ihre Prioritäten nicht richtig gesetzt? Oder vielleicht sind Sie es ja nicht gewohnt, solch ein wichtiges Projekt zu unterstützen?«
Trotz meiner mentalen Vorbereitung merke ich, wie ich wütend werde. Vielleicht liegt es an der herablassenden Art und Weise, wie sie Steve nachplappert. Oder dass sie mich während ihrer Gardinenpredigt nicht angesehen hat, sondern Steve, um zu sehen, wie er reagiert. Oder dass sie mich mehr oder weniger als desinteressiert und inkompetent bezeichnet hat.
Alle halten die Luft an, während ich mich dazu zwinge, tief durchzuatmen.
Mein Ärger löst sich wieder auf. Das alles sind nur politische Spielchen. Die mag ich nicht, aber ich muss damit klarkommen. Bei den Marines war ich mit meiner Karriere schon fast durch, als ich doch noch zum Staff Sergeant befördert wurde. Man wird dort kein Unteroffizier, wenn man die politischen Spielchen nicht beherrscht.
»Interessant«, sage ich zu Sarah, »erzählen Sie mir, was wichtiger ist: unsere Arbeiter zu bezahlen oder die Phoenix-Aufgaben zu erledigen? Steve hat mich aufgefordert, das Payroll-Problem zu lösen. Hätten Sie das anders als Steve priorisiert?«
Als ich Steve erwähne, ändert sich Sarahs Gesichtsausdruck. »Nun, wenn die IT das Problem gar nicht erst verursacht hätte, müssten Sie nicht Ihre Zusagen uns gegenüber in den Wind schießen. Ich glaube, wir können uns auf Sie und Ihr Team nicht verlassen.«
Ich nicke langsam, nehme aber den Fehdehandschuh nicht auf. »Dann bin ich auf Vorschläge von Ihnen gespannt, Sarah.«
Sie sieht mich an, dann Steve. Offensichtlich merkt sie, hier nicht mehr punkten zu können, denn sie rollt nur mit den Augen. Ich sehe, wie Wes angesichts dieser Diskussion ungläubig den Kopf schüttelt und unerwartet ruhig bleibt.
Sarah fährt fort: »Wir haben über 20 Millionen Dollar für Phoenix ausgegeben und sind nahezu zwei Jahre zu spät. Wir müssen endlich liefern.« Mit einem Blick auf Chris fragt sie: »Angesichts der Verzögerungen durch Bills Gruppe – wann können wir frühestens live gehen?«
Chris schaut von seinen Papieren hoch. »Ich habe mir das angeschaut, nachdem wir letzte Woche darüber geredet haben. Wenn wir bei einigen Punkten Gas geben und wenn die virtualisierte Umgebung von Bills Team wie gewünscht läuft, können wir Freitag in einer Woche produktiv gehen.«
Ich starre Chris an. Er hat sich einfach ein Datum aus den Fingern gesogen, ohne dabei all die Dinge zu berücksichtigen, die vor dem Deployment noch getan werden müssen.
Ich habe einen plötzlichen Flashback. Bei den Marines hatten wir für die oberen Unteroffiziere ein Ritual. Wir tranken Bier und schauten Star Wars: Die Rückkehr der Jedi-Ritter. Immer dann, wenn Admiral Ackbar rief: »Das ist eine Falle!«, brüllten wir vor Lachen und spulten zurück.
Dieses Mal lache ich nicht.
»Moment mal,« greift Wes ein und schlägt mit der Hand auf den Tisch. »Was wollen Sie uns da anhängen? Wir haben vor gerade einmal zwei Wochen von den Spezifikationen für das Phoenix-Deployment erfahren. Ihre Leute haben uns immer noch nicht erzählt, was für eine Infrastruktur wir brauchen, daher können wir noch nicht einmal die notwendigen Server und Netzwerkgeräte bestellen. Und ganz nebenbei – die Lieferanten haben schon angekündigt, dass die Lieferzeit mindestens drei Wochen betragen wird!«
Er wendet sich nun an Chris und sagt ärgerlich: »Außerdem habe ich gehört, dass die Performance eures Codes so unterirdisch ist, dass wir die schnellsten und besten Geräte brauchen, die der Markt zu bieten hat. Eure Anforderung ist, 250 Transaktionen pro Sekunde zu unterstützen, und ihr schafft zurzeit nicht einmal vier! Wir werden so viel Hardware brauchen, dass ein eigenes Rack nötig sein wird, und vermutlich müssen wir auch noch einen Aufschlag zahlen, damit wir die ganze Hardware rechtzeitig bekommen. Wer weiß, wie sich das auf unser Budget auswirkt.«
Chris will antworten, aber Wes ist gerade in Fahrt. »Wir haben noch keine konkrete Spezifikation, wie die Produktions- und Testsysteme konfiguriert werden sollen. Oh, braucht ihr keine Testumgebung mehr? Ihr habt doch euren Code noch gar nicht richtig getestet, denn dann würde der Zeitrahmen ganz gesprengt werden!«
Mir sinkt das Herz in die Hose, als mir die Konsequenzen bewusst werden. Den Film habe ich schon mal gesehen. Die Handlung ist einfach: Sie nehmen ein dringendes Projekt mit einem festen Liefertermin, der nicht verschoben werden kann, weil der Wall Street oder dem Kunden Versprechungen gemacht wurden. Dann fügen Sie einen Haufen Entwickler hinzu, die die gesamte verfügbare Zeit ausnutzen und kein Fitzelchen Zeit mehr für Tests oder eine ordentliche Auslieferung lassen. Und weil niemand den Auslieferungstermin anpassen will, müssen alle, die nach der Entwicklung noch mit dem Projekt zu tun haben, ihre Aufgaben in ausgesprochen kurzer Zeit erledigen, um im Zeitrahmen zu bleiben.
Die Ergebnisse sind nie schön. Normalerweise ist das Softwareprodukt so instabil und unbenutzbar, dass selbst die Leute, die danach geschrien haben, der Meinung sind, die Auslieferung wäre überflüssig gewesen. Und es sind immer die Leute von IT Operations, die nächtelang aufbleiben, die Server stündlich durchstarten, um den gruseligen Code zu kompensieren, und all die anderen Heldentaten vollbringen, um vor dem Rest der Welt zu verbergen, wie schlecht es eigentlich um das Produkt aussieht.
»Leute, ich verstehe den Wunsch, Phoenix so schnell wie möglich in den Produktivbetrieb zu bringen«, sage ich so ruhig wie möglich zu Steve und Chris. »Aber ausgehend von dem, was wir gerade von Wes gehört haben, ist es meiner Meinung nach viel zu früh für ein Deployment. Wir wissen weder, was für Equipment wir brauchen, um die Performanceziele zu erreichen, noch sind irgendwelche Kapazitätstests gelaufen, um unsere Schätzungen zu untermauern. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass wir eine adäquate Dokumentation vorliegen haben, um dieses Ding produktiv einzusetzen, geschweige denn, alles zu monitoren und zu sichern.«
So überzeugend wie möglich fahre ich fort: »Nichts wäre mir lieber, als Phoenix endlich am Markt zu haben, aber wenn die User Experience zu schlecht ist, vergraulen wir unsere Kunden, und sie gehen zur Konkurrenz.«
Ich wende mich Chris zu. »Ihr könnt uns nicht einfach den Kram über den Zaun werfen und euch dann gegenseitig ein High five geben, um euch dazu zu gratulieren, dass ihr die Deadline geschafft habt. Wes erzählt uns gerade, dass der Kram vermutlich in tausend Teile zersplittert sein wird, und dann sind es meine Leute, die nächtelang und am Wochenende arbeiten müssen, damit er wieder zusammengepuzzelt wird.«
Chris reagiert gereizt. »Erzähl mir nicht diesen Mist mit ›über den Zaun werfen‹. Wir haben euch zu unseren Architektur- und Planungs-Meetings eingeladen, aber ich kann an einer Hand abzählen, wie oft dann auch jemand gekommen ist. Meist müssen wir Tage oder sogar Wochen warten, bis wir von euch das bekommen, was wir brauchen!«
Dann hält er seine Hände hoch, so als ob alles außer Kontrolle sei. »Schaut, ich würde auch gerne mehr Zeit haben. Aber von Anfang an wusste jeder, dass die Deadline fix sein würde. Das war eine Businessentscheidung, die wir gemeinsam getroffen haben.«