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Das ist die Grundlage unserer Existenz. Und zwar noch bevor wir überhaupt wissen, was Vertrauen ist oder wie es ausgesprochen wird. Uns bleibt überhaupt nichts anderes übrig, als in unserer Verletzlichkeit darauf zu vertrauen, dass für uns gesorgt wird. Dass man sich um uns kümmert und unsere Bedürfnisse erfüllt. Selbst dann, wenn wir sie momentan nur durch unartikulierte Lautäußerung kundtun können. Sonst sterben wir.

      Im Gegensatz zu anderen Säugetierarten sind wir kurz nach unserer Geburt noch nicht in der Lage, auf eigenen Beinen zu stehen und halbwegs autonom zurechtzukommen. Um soweit zu sein, müssten wir noch etwa ein Jahr länger im Mutterleib verbringen; erst dann wären wir groß genug und bereit für den aufrechten Gang. Aber das machen selbst die aufopferungsbereiteste Mutter und das gebärfreudigste Becken der Welt nicht mit. Deshalb müssen wir also leider mitten in unserem halbfertigen Entwicklungsprozess geboren werden, weil wir ansonsten schlicht zu schwergewichtig für den Absprung durch den natürlichen Vertriebsweg wären. Und daher muss sich an die frühe Geburt noch eine umfangreiche Phase der Brutpflege anschließen, und auch danach sind wir mit unserer Entwicklung ja längst noch nicht fertig. Vielmehr müssen wir durch Erziehung und Schule mühsam einsehen, dass wir nicht der Mittelpunkt der Welt sind und dem anderen nicht einfach im Sandkasten die Schaufel wegnehmen dürfen.

      Darüber hinaus müssen wir voller Mühe lernen, dass wir nicht alles haben können, was wir gern hätten. Und schon gar nicht immer gleich auf der Stelle. Vielmehr besteht unsere nächste Entwicklungsaufgabe darin zu verstehen, dass wir unsere Wünsche nicht immer sofort erfüllt bekommen und manche Ziele erst auf einem mühevollen Weg mit einem langen Atem erreichen können. Das kindliche »Lustprinzip« (»Ich will alles, gleich jetzt sofort!«) wird, wenn bei uns alles gut läuft, vom »Realitätsprinzip« (»Vor den Erfolg haben die Götter den Schweiß gesetzt!«) abgelöst. Davon hat Sigmund Freud schon vor über hundert Jahren berichtet. Für diesen Entwicklungsschritt brauchen wir allerdings eine gehörige Portion Zuversicht und positive Kontrollüberzeugung, dass wir unsere Ziele auch mit Geduld und Zielstrebigkeit erreichen können. Wir müssen einsehen, dass es durchaus sinnvoll sein kann, wenn wir die kurzfristige Bedürfnisbefriedigung zugunsten eines späteren, noch attraktiveren Ziels vertagen. Sehr hilfreich und positiv verstärkend ist es für uns, wenn wir schon die eine oder andere erfolgreiche Erfahrung mit dieser Strategie gemacht haben. Selbst der gelegentliche Misserfolg vermag uns dabei nicht unbedingt vom Kurs abzubringen. Nein, ganz im Gegenteil. Manchmal werden wir dadurch sogar erst recht angespornt, weil ein Erfolg nur dann als solcher erlebt wird, wenn er mit einer entsprechenden Anstrengung verbunden war. Zu oft sollten wir allerdings auch nicht scheitern, weil der positiv verstärkende Effekt ansonsten in Frustration und Resignation umschlagen kann. Oder wie der frühere Bundeskanzler und Friedensnobelpreisträger Willy Brandt es ausdrückte: »Niederlagen stählen. Aber nur, wenn es nicht zu viele sind!«

      Vertrauen spielt für uns in unserem Entwicklungsprozess also eine zentrale Rolle. Nicht nur als Menschenjunges, sondern auch auf unserem gesamten weiteren Entwicklungsweg. Vertrauen zu müssen, vertrauen zu wollen und gleichzeitig in der Ambivalenz zu stecken, ob wir auch wirklich vertrauen können. Auch wenn wir uns schon längst aus kindlicher Abhängigkeit herausentwickelt haben, bleibt für uns immer eine wichtige Frage, ob unser Vertrauen nicht doch enttäuscht wird. Das nimmt weiterhin Einfluss auf uns und unser Selbstwertgefühl, auch wenn es später nicht mehr so existenzbedrohend wie am Anfang sein mag. Menschen sind soziale Wesen. Wir sind voneinander abhängig und allein auf uns gestellt nicht überlebensfähig. Deshalb brauchen wir Vertrauen, Zuversicht und die anderen Menschen um uns herum.

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       Insofern liegt es wohl in der Natur des Menschen, an eine (noch) bessere Zukunft oder manchmal sogar an Wunder glauben zu wollen. Allerdings macht uns das dann wiederum sehr anfällig für allerlei Psychotricks.

       Täter und Opfer: Die geheime Anziehungskraft von Psychotricks

      Die Faszination von Psychotricks hat verschiedene Seiten. Da ist zunächst die Seite der Täter. Diejenigen, die psychologische Winkelzüge anwenden, um die eigene Machtposition auszubauen, um andere Menschen für die eigenen Interessen einzusetzen. Im schlimmsten Fall, um sie abhängig und klein zu halten. Macht über andere haben bedeutet, in einer überlegenen Position zu sein. Und das kann das eigene Selbstwertgefühl ganz schön aufwerten. Die Anfälligkeit für Psychotricks begleitet uns schon durch den gesamten Lauf der Menschheitsgeschichte. Solange es die Menschheit gibt, gab es auch immer Vertreter dieser Gattung, die mit List und Tücke versucht haben, sich einen Vorteil zu ergaunern. Und zwar im Wesentlichen dadurch, dass sie andere, meist weniger listige Ableger der eigenen Spezies übers Ohr gehauen haben. Mit mehr oder weniger subtilen Methoden; je nachdem, wie es dabei um die eigene Intelligenz und die des Gegenübers bestellt war.

      Die Geschichte ist voll von Betrügereien an der Menschheit. Da gab es etwa den geheimnisvollen reisenden Heiler, der sein »Wunderelixier« gegen allerlei Gebrechen auf mittelalterlichen Märkten der gutgläubigen Dorfgemeinschaft verkaufte (übrigens großartig verkörpert von Borat-Darsteller Sacha Baron Cohen in der Verfilmung des Musicals »Sweeney Todd – The Demon Barber of Fleet Street« mit Johnny Depp und Helena Bonham Carter in den Hauptrollen). Dieser Heiler – das ist der Vorgänger des zwielichtigen Gebrauchtwagenverkäufers oder Staubsaugervertreters.

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       Das Unbekannte, das Verheißungs- und Geheimnisvolle, das Vielleicht-doch-Mögliche, das Verbotene: All das übt auf uns bis heute seine ungebrochene Anziehungskraft aus.

      Es macht uns als Menschen gleichermaßen außergewöhnlich und anfällig. Diese Offenheit für Neues hat uns im positiven Sinne ja erst zu dem werden lassen, was uns so einzigartig macht. Nämlich zu einer außerordentlichen Spezies, die von unstillbarer Neugier, von Pioniergeist und Zuversicht getrieben ist. Die bestrebt ist, sich selbst sowie ihre Umwelt immer weiter zu entdecken, zu hinterfragen und weiterzuentwickeln. Viele große Erfinder und Entdecker mussten am Anfang ihres Weges den Mut haben, das bis dahin unmöglich Geglaubte infrage zu stellen. Sonst gäbe es vermutlich viele Errungenschaften des digitalen Zeitalters nicht. Ohne Zweifel und Visionen wäre die Erde vermutlich in unserer Wahrnehmung noch immer eine Scheibe und der Mittelpunkt des Universums. Dabei spielt es den Tricksern in die Hände, dass wir uns auch gern einmal verführen lassen und das glauben, was wir glauben wollen.

      Außerdem fällt es uns anscheinend leichter etwas zu glauben, was uns von kompetenten Fachleuten oder solchen, die wir dafür halten, glaubhaft vorgetragen wird. Wenn dann auch noch eine bestimmte Art von Autorität ins Spiel kommt, scheint dem Irrsinn Tür und Tor geöffnet zu sein. Dann stolpern wir erst im Nachhinein über Äußerungen wie: »Die Titanic ist unsinkbar, liebe Passagiere. Macht euch um die wenigen Rettungsboote und das bisschen Eisberg keine Sorgen.«

      Der Staatsratsvorsitzende der DDR, Walter Ulbricht, verkündete auf einer Pressekonferenz in Ost-Berlin am 15. Juni 1961: »Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten.« Das war glatt gelogen, denn begonnen wurde der Mauerbau dann schon etwa zwei Monate später, im August 1961. Oder denken Sie nur an die Berichte über Saddam Husseins vermeintliche Giftgasanlagen und Massenvernichtungswaffen im Irak, mit denen der Golfkrieg 2003 vom Zaun gebrochen wurde – und die dann hinterher keiner gefunden hat.

      Allerdings sind wir keineswegs immer nur das arme Opfer, das wieder einmal den hinterhältigen Machenschaften fieser Manipulatoren auf den Leim gegangen ist. Oft genug sind wir auch Täter, indem wir selbst versuchen zu manipulieren und zu tricksen, um uns einen Vorteil zu verschaffen. Vielleicht tun wir dies sogar, ohne uns dessen bewusst zu sein. Die Übergänge von der wohlwollenden Auslegung bestimmter Aussagen zu unseren eigenen Gunsten bis hin zum handfesten Betrug in der Hoffnung, dass es keiner merkt und wir ungestraft in den Genuss der verbotenen Früchte kommen, sind fließend. Da ist es letztlich ganz gleichgültig, ob es um die wohlwollende Interpretation der eigenen Steuererklärung oder die Strategie Ihres Rechtsanwalts vor Gericht geht.

      Menschen in Führungspositionen müssen jedoch neben den Wünschen des Einzelnen

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