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warum genau beeinflussen uns die Lebensmotive so stark? Und wo genau setzen Training, Coaching und Beratung mit dem Reiss Profile im Vergleich zu anderen Instrumenten an? Um dies zu verstehen, möchten wir Ihnen eine Metapher an die Hand geben: Stellen Sie sich die menschliche Persönlichkeit als Zwiebel mit mehreren Schichten vor.

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      Abb. 4: Das Zwiebelmodell der menschlichen Persönlichkeit

      Nach dem Modell der Neurologischen Ebenen von Robert Dilts beeinflusst jede Ebene die darüberliegende:

      ∎ 16 Lebensmotive: Die 16 Lebensmotive sind gemäß der Theorie von Steven Reiss der Kern unserer Persönlichkeit, sie bestimmen das »Warum« und das »Wofür« unserer Person. Sie sind das Wertesystem, mit dem wir durch unser Leben navigieren und machen uns zu dem einzigartigen Individuum, das wir sind.

      ∎ Glaubenssätze: Glaubenssätze sind an den von Jeffrey Young entwickelten Schemabegriff angelehnt: »Schemata sind fest verankerte Überzeugungen, die uns selbst und die Welt betreffen […]. Schemata sind für unser Selbstgefühl von zentraler Bedeutung. Gäben wir den Glauben an ein Schema auf, würden wir die Sicherheit opfern, zu wissen, wer wir sind und wie die Welt beschaffen ist« (Young / Klosko 2010, 22). Young geht davon aus, dass unsere Schemata durch unser genetisches Erbe und frühen Umgebungseinfluss ausgebildet werden. Roediger (2009, 17 f.) beschreibt als Grundlage eines Schemas die Erregungsbereitschaft von neuronalen Gruppen, da das Gehirn neue Informationen bevorzugt in bereits angelegte Bahnen ablegt, sodass sich stabile Wahrnehmungs- und Verhaltensgewohnheiten ausbilden. In Anlehnung an Steven Reiss gehen wir jedoch davon aus, dass durch unsere Gene und Erfahrungen in der Kindheit zunächst die Ausprägungen der 16 Lebensmotive bestimmt werden – die dann wiederum die Entwicklung unserer Glaubenssätze prägen (vgl. Reiss 2009, 35 f.). So ist »Ich muss perfekt sein« beispielsweise ein Glaubenssatz, den ein Mensch aus einem hoch ausgeprägten Anerkennungsmotiv heraus für sich entwickeln kann (»überhöhte Standards« nach Young).

      ∎ Wahrnehmung: Die Ebene »Wahrnehmung« lehnt sich an den Begriff »Paradigma« von Steven Covey an. Nach seinem Ansatz ist ein Paradigma ein Bezugsrahmen, der sich allgemein auf die Art bezieht, wie wir die Welt aufnehmen, verstehen und interpretieren. Er vergleicht Paradigmen mit Landkarten: »Wir alle wissen, dass die Landkarte nicht das Land ist. Eine Karte ist einfach eine Erklärung gewisser Aspekte eines Territoriums. Und genau das ist auch ein Paradigma. Es ist eine Theorie, eine Erklärung oder ein Modell von etwas anderem« (Covey 2000, 18). Er sagt weiter: »Wir interpretieren alles, was wir erfahren, anhand dieser mentalen Landkarten. Dabei stellen wir ihre Genauigkeit selten in Frage. Meist sind wir uns nicht einmal bewusst, dass wir sie benutzen. Wir nehmen einfach an, dass die Art, in der wir die Dinge sehen, auch die Art ist, wie sie sind oder wie sie sein sollten« (Covey 2000, 19). Die 16 Lebensmotive und die daraus entwickelten Glaubenssätze wirken wie ein solcher Wahrnehmungsfilter. Stellen Sie sich zur Verdeutlichung folgende Situation vor: Sie haben für Ihre Chefin in langer Arbeit eine Präsentation für den Vorstand vorbereitet. Auf dem Weg in den Feierabend steckt sie den Kopf in Ihr Büro und sagt: »Danke für das Konzept. Inhalt und Aufbau passen, aber an die Grafiken müssen wir morgen nochmal gemeinsam ran.« Worauf konzentriert sich Ihre Aufmerksamkeit? Jemand mit einem hoch ausgeprägten Anerkennungsmotiv und dem Glaubenssatz »Ich muss perfekt sein« hört mit hoher Wahrscheinlichkeit etwas wie »Sie haben nicht einwandfrei gearbeitet« heraus und wird sich an diesem Abend gedanklich noch länger mit der Frage beschäftigen, was an den Grafiken noch nicht zufriedenstellend war. Jemand mit einem gering ausgeprägten Anerkennungsmotiv hingegen wird z. B. einen Glaubenssatz wie »Nur durch Fehler kann ich mich weiterentwickeln« aufgebaut haben. Entsprechend würde er in die Aussage seiner Chefin etwas wie »Sie haben eine gute Grundlage geschaffen – morgen machen wir die Sache perfekt« hineininterpretieren und zufrieden in den Feierabend gehen.

      ∎ Fähigkeiten: Auf dieser Ebene wird das »Wie« der Kompetenzen beschrieben, die wir uns angeeignet haben, um unsere Ziele zu erreichen. Viele andere Persönlichkeitsinstrumente wie z. B. der Strengths Finder der Gallup Organization setzen auf dieser Persönlichkeitsstufe an. Mithilfe eines Fragebogens werden die fünf dominierenden Talent-Leitmotive eines Menschen, die sogenannten Signatur-Talente, offenbart (vgl. Buckingham / Clifton 2007, 23). Diese Talente repräsentieren das Potenzial für verschiedene Stärken wie Anpassungsfähigkeit, Bindungsfähigkeit, Kontaktfreudigkeit oder Wissbegierde. Aber während die Gallup Organization lediglich beschreibt, wo die Stärken eines Menschen liegen, ermöglicht das Reiss Profile einen ganzheitlicheren Blick darauf, warum wir diese Stärken überhaupt besitzen. Denn welchen Sinn hätte es für einen Menschen, beispielsweise eine Stärke in Wissbegierde aufzubauen, wenn er durch ein gering ausgeprägtes Neugiermotiv gar nicht nach Wissen und Wahrheit strebt? Andere Tools, wie z. B. die Verhaltenspräferenzanalyse Insights Discovery oder DISC, gehen einen Schritt weiter und verbinden die Identitätsebene der Fähigkeiten bereits mit der Verhaltensebene: Die Ergebnisse des Testverfahrens geben neben den Stärken auch einen Einblick in die bevorzugten Verhaltensweisen.

      ∎ Verhalten: Die Ebene des Verhaltens beschreibt die Handlungen eines Menschen, die von außen beobachtbar sind. Sie gibt nicht nur eine Antwort auf das »Wann« und »Wo« eines Verhaltens, sondern beschreibt mit einem »Was genau« auch die spezifischen Handlungsschritte. Auch auf dieser Identitätsstufe setzen verschiedene Diagnostik-Instrumente an, wie z. B. der Myers-Briggs-Typindikator (MBTI), der über die vier Funktionen Denken / Fühlen und Sensorik / Intuition sowie die vier Attribute introviertiert / extraviertiert und rational / irrational den Umgang von Menschen mit der Welt beschreibt. Auch hier gehen wir in Anlehnung an die Forschung von Steven Reiss davon aus, dass das beobachtbare Verhalten in den darunterliegenden Persönlichkeitsstufen des Zwiebelmodells begründet ist. Nach der MBTI-Funktion »Fühlen« handelt ein fühlender Typ beispielsweise spontaner als der denkende Typ. Doch er benötigt zunächst einmal eine grundlegende Fähigkeit zu Flexibilität. Diese Kompetenz wird jemand nur dann entwickeln, wenn er auf der Wahrnehmungsebene die Situationen registriert, in denen er Flexibilität leben und von ihr profitieren kann. Die Voraussetzung für diese spezielle »Brille« wiederum ist ein Glaubenssatz wie »Ich muss flexibel sein, um meinen Nutzen zu maximieren«. Dieser Glaubenssatz kann beispielsweise in den gering ausgeprägten Lebensmotiven Ordnung und Ehre angelegt sein.

       ▸Beispiel

      Besitzt ein Mensch ein hoch ausgeprägtes Ordnungsmotiv, strebt er nach Struktur, guter Organisation, Planung sowie Sauberkeit und Hygiene. Bedingt durch dieses Motiv trägt er Glaubenssätze wie »Ich muss alles planen, um erfolgreich zu sein« in sich. Diese Glaubenssätze wiederum beeinflussen seine Wahrnehmung: Er wird beispielsweise im Projektmanagement immer einen sehr guten Blick dafür haben, was nach Plan läuft oder was gerade nicht. Durch die Wichtigkeit, die er Struktur beimisst, wird er auf der Ebene der Fähigkeiten auch die entsprechenden Skills entwickeln, die es ihm ermöglichen, seinen Wunsch nach Organisation im Alltag zu leben, wie z. B. Projekt- und Zeitmanagement-Kompetenz oder Excel-Kenntnisse. Entsprechend lassen sich auf der Verhaltensebene Handlungen wie »ausführliche Excel-Dokumente anlegen« oder »einen Kalender führen« beobachten.

      Motivation und Wille

      Das Zwiebelmodell der Persönlichkeit verdeutlicht, dass wir Ziele auf der Fähigkeiten- und Verhaltensebene am leichtesten erreichen können, wenn sie mit unseren Lebensmotiven vereinbar sind. Diesen Zusammenhang zwischen Motivation und Zielen beschreibt auch Professor Hugo Kehr in seinem Schnittmengenmodell von Motivation und Wille (vgl. Kehr 2009, 17 f.). Er unterscheidet zwischen impliziten Motiven und expliziten Zielen. Implizite Motive sind eher dem emotionalen und unbewussten Bereich zuzuordnen (»Bauch«). Ein implizites Motiv kann beispielsweise ein starkes inneres Bedürfnis danach sein, mit anderen zusammen zu sein. Auf der anderen Seite stehen explizite Ziele, die eher dem rationalen Bereich zuzuordnen sind (»Kopf«). Dieser Bereich umfasst alle Ziele und Absichten, die wir uns bewusst setzen oder die unser Umfeld an uns stellt, wie beispielsweise »befördert werden« oder »ein Projektteam zusammenstellen«.

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      Abb. 5: Das Schnittmengenmodell von Motivation und Wille nach Kehr (2009)

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