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mit dieser Motivausprägung kennen in der Regel beide Pole und leben das Motiv in unterschiedlichen Lebensbereichen und Situationen verschieden aus. Die Bezeichnung »Durchschnitt« bezieht sich auch auf die Verteilung dieser Motivausprägung in der Vergleichsgruppe, in der 68 Prozent eine Lebensmotivausprägung in diesem Bereich besitzen.

      Der rechte Bereich »hoch« stellt die Spanne zwischen +0,8 und +2,0 und damit die stark ausgeprägten Motive dar. Zieht man die Auswertung der repräsentativen Vergleichsgruppe heran, zeigt sich: Nur 16 Prozent zeigen hier eine so starke Ausprägung. Liegt das Motiv über +1,7, so sind es sogar nur noch 3 Prozent der Bevölkerung.

      Der linke Bereich ist mit »niedrig« überschrieben: Liegt die Ausprägung zwischen - 0,8 und - 2,0, ist das Motiv gering ausgeprägt. Das bedeutet, dass man nach dem Gegenteil des Motivs strebt – wer wie Bastian Beispiel (siehe Abb. 1) ein niedrig ausgeprägtes Unabhängigkeitsmotiv besitzt, hat das Bedürfnis, die Zugehörigkeit zu einem Team, Konsens und emotionale Verbundenheit mit anderen zu leben. Analog zu einer hohen Ausprägung besitzen nur 16 Prozent der Vergleichsgruppe eine niedrige Ausprägung, einen Wert von - 1,7 oder weniger weisen nur 3 Prozent der Bevölkerung auf.

      Die Bipolarität der Lebensmotive

      Die unterschiedlichen Ausprägungen eines Lebensmotivs geben an, wie oft und wie stark man das Bedürfnis verspürt, das durch das jeweilige Motiv ausgedrückt wird. Das Lebensmotiv Macht steht beispielsweise für die Eigeninitiative in der Entscheidungsfindung. Bei einer niedrigen Ausprägung wird man seltener Impulse für eigene Entscheidungen verspüren, bei einer hohen Ausprägung deutlich häufiger Entscheidungen treffen und Lösungen finden wollen. Liegt eine durchschnittliche Ausprägung vor, wird man in Abhängigkeit von der Situation selbst den Impuls zur Entscheidung verspüren oder sich lieber an den Entscheidungen anderer orientieren. Je höher bzw. je niedriger ein Lebensmotiv ausgeprägt ist, desto stärker dominiert die jeweilige Motivation gegenüber dem gegenteiligen Bedürfnis (siehe Abb. 2).

      Überträgt man diese Bipolarität nun auf alle 16 Motive, wird deutlich, wie unterschiedlich und einzigartig jedes Reiss Profile ist. Es ergeben sich mehr als eine Million mögliche Motivkonstellationen. Damit ist jedes Reiss Profile so individuell wie ein Fingerabdruck.

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      Abb. 1: Reiss Profile von Bastian Beispiel

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      Abb. 2: Bipolarität des Lebensmotivs Macht

      Gütekriterien

      Die Theorie der 16 Lebensmotive ist eine der wenigen Persönlichkeitstheorien, die testtheoretisch vollständig empirisch überprüft wurde. Die Testtheorie untersucht vor allem die Gütekriterien Validität und Reliabilität. Die Validität gibt an, ob der Test auch tatsächlich das Persönlichkeitsmerkmal misst, das er zu messen vorgibt. Für alle 16 Skalen des Reiss Profiles wurden hohe Validitätswerte ermittelt (vgl. Reiss 2008, 25 f.). Die Reliabilität gibt an, wie genau das Instrument misst. Kriterien hierfür sind beispielsweise die vierwöchige Test-Retest-Reliabilität sowie die interne Konsistenz der Fragen, also inwiefern die Probanden Fragen zu ein und demselben Motiv ähnlich beantworten. Die Test-Retest-Reliabilität des Instruments liegt im Durchschnitt bei .83, ebenso wie die durchschnittliche interne Konsistenz. Mit diesen hohen Reliabilitäts- und Validitätswerten hebt sich das Reiss Profile positiv von anderen gängigen Instrumenten ab. Zudem zeichnet sich das Reiss Profile durch eine geringe soziale Erwünschtheit aus. Diese bezeichnet die Tendenz von Probanden, falsche Antworten zu geben, um einen positiven Eindruck zu vermitteln. Dieses Verhalten tritt beim Reiss Profile nur in etwa 3 Prozent aller Fälle und damit äußerst selten auf.

      Test-Versionen

      Es existiert in Deutschland auch eine Business-Version des Reiss Profiles, bei der die Fragen zur Sexualität, die das Erosmotiv definieren, durch Fragen zur Schönheit ersetzt werden. Außerdem wird das Motiv Ehre in Ziel- / Zweckorientierung sowie das Motiv Unabhängigkeit in Teamorientierung umbenannt. Das Motiv Schönheit ist in dieser Form testtheoretisch nicht validiert, während die Motive Ziel- / Zweckorientierung und Teamorientierung in ihrer Kernbotschaft unberührt bleiben: Lediglich die Pole der niedrigen und hohen Ausprägung sind gedreht. Die Beiträge in diesem Buch beziehen sich je nach der im Praxisfall verwendeten Version des Reiss Profiles auf die Business- oder auf die Original-Version des Instruments.

      Die 16 Lebensmotive

      ∎ Macht: Dieses Lebensmotiv steht für den Wunsch nach Einfluss, Führung, Kontrolle und Dominanz. Menschen mit einem hoch ausgeprägten Machtmotiv übernehmen gerne Verantwortung. Sie suchen Herausforderungen, sind ehrgeizig und überzeugungsfähig. Sie treffen gerne Entscheidungen, die Mitarbeiter oder Prozesse beeinflussen, und übernehmen gerne Führungspositionen. Wer hingegen ein niedriges Machtmotiv besitzt, ist eher personen- und dienstleistungsorientiert. Er operiert lieber im Hintergrund und fühlt sich mit Verantwortung weniger wohl. Er lässt sich gern anleiten. Menschen mit einem niedrig ausgeprägten Machtmotiv fühlen sich häufig dort wohl, wo der Servicegedanke im Vordergrund steht.

      ∎ Unabhängigkeit (Business-Version: Teamorientierung): Unabhängigkeit meint das Streben nach Freiheit und Autonomie. Menschen mit einem hoch ausgeprägten Unabhängigkeitsmotiv leben gerne eigenverantwortlich und sind ungern auf andere angewiesen. Nach dem Motto »Verlass dich auf andere und du bist verlassen« erreichen sie ihre Ziele am liebsten allein und bringen Privates nur selten zur Sprache. Auf der anderen Seite werden Personen mit einem gering ausgeprägten Bedürfnis nach Unabhängigkeit durch Gemeinsamkeit motiviert. Für sie gilt: »Lieber gemeinsam als einsam«, denn sie haben ein starkes Streben nach emotionaler Verbundenheit und sind gerne Teil eines Teams. In der Business-Version des Reiss Profiles wird dieses Lebensmotiv Teamorientierung genannt. Die inhaltliche Aussage ist gleich, aber die Pole sind gedreht: Eine hohe Ausprägung des Motivs Teamorientierung beschreibt den Wunsch nach Gemeinschaft und Konsens, während eine niedrige Ausprägung das Bedürfnis nach Unabhängigkeit ausdrückt.

      ∎ Neugier: Neugier steht für Wissbegierde und den Wunsch, etwas über die Welt und sich selbst zu erfahren. Dabei überwiegt bei einem hoch ausgeprägten Neugiermotiv die Lust am Lernen an sich. Im Vordergrund steht der Wunsch nach kognitiven Herausforderungen und danach, den Dingen auf den Grund zu gehen. Im Vergleich dazu wertet jemand mit einem niedrigen Neugiermotiv Wissen als Mittel zum Zweck. Nach dem Credo »Just do it« erlebt er sich als handlungsorientierten Umsetzer mit gesundem Menschenverstand.

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      Abb. 3: Arbeitsblatt zur Reiss-Profile-Selbsteinschätzung

      ∎ Anerkennung: Das Anerkennungsmotiv sagt aus, ob eine Person ihre Selbstsicherheit eher vom Feedback anderer oder aus sich selbst heraus bezieht. Ist das Anerkennungsmotiv hoch ausgeprägt, wird das Selbstbild dieses Menschen stark durch andere definiert, sodass nach positivem Feedback gesucht und negative Kritik vermieden wird. Menschen mit einem niedrig ausgeprägten Anerkennungsmotiv beschreiben sich hingegen als selbstsicher und kritikfähig. Sie werten Fehler als Quelle des Lernens und wirken nach außen sehr direkt und manchmal auch unsensibel.

      ∎ Ordnung: Das Motiv Ordnung beschreibt das Streben nach Struktur, guter Organisation, Planung sowie Sauberkeit und Hygiene.

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