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Abständen haben wir Bilanz gezogen: Haben wir die richtigen Inhalte behandelt, können die Gespräche dem Mentee eine Hilfe sein, wie fühlen sich Mentee und Mentor in der Gesprächssituation, welche Erwartungen sind unerfüllt …? Das Ende der Mentoring-Beziehung haben wir jeweils verbindlich verabredet, um beiden Beteiligten die Möglichkeit zu geben, loszulassen. In nachfolgenden Kontakten habe ich es vermieden, in die Mentorenrolle und damit verbundene Verhaltensmuster zurückzufallen.

      Werdegang im Fokus

      Die Gespräche mit meinen Mentees, die alle bereits in einer Führungsaufgabe waren oder sich auf die Übernahme einer Führungsaufgabe vorbereiteten, befassten sich im Schwerpunkt mit der Ausgestaltung des beruflichen Werdegangs. Die Bandbreite der von mir wahrgenommenen Eigenbilder der Gesprächspartner zeigte sich dabei so bunt wie das Leben: von großen Selbstzweifeln über eine unbestimmte Entschlossenheit bis hin zu einem überzeugten Zutrauen bezüglich der eigenen Eignung. Durch aktives Zuhören und Empathie gelang es mir, einen Zugang zu den Gesprächspartnern zu finden und so die relevanten Fragen gemeinsam und vertraulich zu betrachten, beispielsweise:

      • Wie gehe ich mit meiner Enttäuschung um, wenn ein anderer die Vorgesetztenstelle bekommt, um die ich mich beworben habe?

      • Was kann ich tun, wenn ich feststelle, dass meine KollegInnen deutlich mehr verdienen als ich?

      • Manchmal fühle ich mich mit meiner öffentlichen Darstellung unwohl. Was kann ich tun, um mehr Sicherheit zu erlangen?

      • Gestern noch Kollege, heute Vorgesetzter: Werde ich akzeptiert?

      • Wie sage ich »Nein«, ohne das Verhältnis zum Fragenden zu beschweren?

      • Warum fällt es mir schwer, mir zuzugestehen, Fehler machen zu können?

      Die entwickelten Antworten auf diese Fragen waren so individuell wie die dahinterstehenden Zusammenhänge. Sie waren das Ergebnis eines Dialogs, der meine Erfahrungswelt mit den Welten der Mentees immer wieder ein Stück weit zusammenwachsen ließ. Bei der Ableitung von Strategien achtete ich stets darauf, den Szenarien mehrere Handlungsoptionen gegenüberzustellen. Ein besonderes Anliegen war mir, dass die Mentees sich in ausreichendem Maße um sich selbst sorgen und die Gefahren andauernder Überbelastungen gegebenenfalls frühzeitig wahrnehmen.

      Mitunter zeichnen sich in den Mentoring-Gesprächen relevante Veränderungen im unmittelbaren Arbeitsumfeld der Mentees ab. Die Auswirkungen geplanter Reorganisationen, Aufgabenumverteilungen oder die Einbindung des Mentees in relevante Projekte lassen dann den ursprünglich abgestimmten Themenkatalog in den Hintergrund treten. Statt schrittweiser Karriereplanentwicklung gilt es nun, sich neu zu orientieren und zu positionieren. Mit meinen eigenen Restrukturierungserfahrungen im Gepäck habe ich in solchen Situationen gemeinsam mit dem Mentee Strategien zur Begrenzung persönlicher Beeinträchtigung erarbeitet. Genauso wichtig war es mir, auch die Chancen für den Mentee zu benennen, die solchen Veränderungsprozessen regelmäßig innewohnen.

      Gerade in Phasen von Verunsicherung können die MentorInnen durch das Wahrnehmen und Erklären von Verhaltensmustern zu einer Stabilisierung des Mentees beitragen und etwaige Überreaktionen vermeiden helfen. Aufeinander einzugehen und gemeinsam Strategien zu entwickeln macht das Mentoring lebendig und gibt diesem anspruchsvollen Instrument die besondere, individuelle Note.

      In vielen Gesprächen mit Mentees geht es um das Themenfeld innerbetrieblicher Konflikte. Zunächst stehen die Wahrnehmung von Konflikten und deren Anerkennung im Vordergrund. Gerade wenn Mentees erste Führungsverantwortung übernommen haben oder kurz davorstehen, sehen sie sich mit Situationen konfrontiert, in denen sie plötzlich zum Feindbild ihrer Mitarbeiter werden. Darüber hinaus wird von ihnen erwartet, die Interessen ihres Verantwortungsbereichs zu vertreten und dafür gegebenenfalls auf Konfrontationskurs zu gehen. Eine Hilfestellung in der Konflikthandhabung kann es sein, wenn die MentorInnen die Mentees anregen, den Konflikt nicht nur aus der Sicht eines Beteiligten zu betrachten. Die in den Konflikt involvierten Parteien, deren Interessen sowie auch mutmaßliche Profiteure des Konflikts zu benennen weitet den Blick und vermag den Weg für kreative Lösungen zu bereiten. Ergänzend ist die Anleitung zu einem wertschätzenden Kommunikations- und Konfliktverhalten, das sich an den Interessen der Konfliktbeteiligten ausrichtet und die spezifische Unternehmenskultur berücksichtigt, ein wichtiger Beitrag zur persönlichen Weiterentwicklung der Mentees.

      Fazit

      Lassen sich Mentor und Mentee darauf ein, die eigenen Erfahrungen und Wertvorstellungen auf Augenhöhe auszutauschen, ergeben sich für beide Beteiligten beste Voraussetzungen für persönliches Wachstum. Mich begeistern die Vielfalt der Themen, die vertrauensvolle Offenheit und die Intensität in den Begegnungen.

      Während die Einbindung der Mentees in dieser Rolle wohl einmalig bleiben und Spuren hinterlassen dürfte, stellt sich bei den MentorInnen die Frage: Wie viel Mentoring geht? Sicher können MentorInnen im Zeitablauf mehrmals eine solche Aufgabe übernehmen und damit auch eine gewisse Routine aufbauen. Ich halte eine parallele Tätigkeit in mehr als einer Verbindung wie auch zeitlich eng aneinandergereihte Mentorings dagegen für problematisch, will man die Exklusivität nicht der Gefahr einer gewissen Beliebigkeit aussetzen.

      So ist Mentoring für mich ein wertvolles Instrument, die Entwicklung individuell bestimmter Führungsnachwuchskräfte gezielt zu fördern – und damit für mich als Mentor jedes Mal neu eine Herausforderung, die ich gerne annehme. Denn es gibt mir die Chance, im Verständnis der Notwendigkeit eines lebenslangen Lernens meinen Horizont nicht kleiner werden zu lassen …

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      Nicht jedes Programm, das als »Mentoring« beschrieben wird, ist tatsächlich ein Mentoring-Programm. Und nicht für jede Problemstellung ist Mentoring das richtige Instrument. Um unter der Vielzahl von Personalentwicklungsmaßnahmen die richtige Wahl zu treffen, müssen Zielgruppe und Ziele sorgfältig geklärt werden. Die Implementierung einer ungeeigneten Maßnahme führt zu hohen Kosten, eventuell Frustration der TeilnehmerInnen und Enttäuschung bei der Projektgruppe.

      Die Anwendung der Qualitätsmerkmale der Deutschen Gesellschaft für Mentoring ist eine gute Orientierung für die Durchführung eigener Programme. Es ist Unternehmen, die eigene Mentoring-Programme durchführen, möglich, diese Programme zertifizieren zu lassen. Alternativ ist eine professionelle Begleitung von Mentoring-Programmen durch DGM-zertifizierte Unternehmen garantiert. Mentoring-Anbieter, die nach den Qualitätsstandards der DGM arbeiten, und weitere Informationen bezüglich der Zertifizierung finden Sie unter: www.dg-mentoring.de.

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      Das Matching: Wie aus zwei Personen ein Tandem wird

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      Nach der grundsätzlichen Entscheidung für ein Mentoring-Programm und für die Zielgruppe, nach dem Auswahlprozess und den Interviews mit den Mentees und MentorInnen kommt es zu dem Punkt, von dem primär der Erfolg (oder Misserfolg) des Programms abhängt: zum Matching der Tandems. Da es sich um eine elementar wichtige Aufgabe für die Projektgruppe handelt, stellen wir ausführlich die wichtigsten Voraussetzungen und »Stolpersteine« vor, bevor wir die Mentoring-Programme selbst näher beleuchten.

      Die Vorbereitung des Mentoring-Programms und das Kennenlernen der Tandems sind mit dem Bau eines Schiffes und dem Zeitpunkt, zu dem es zu Wasser gelassen wird, vergleichbar. Der Plan war prima, das Schiff liegt in der sicheren, trockenen Halle und sieht gut aus. Ist während der Bauphase ein Fehler passiert, wird dies erst bemerkt, wenn das Schiff im Wasser ist. Lässt es sich leicht manövrieren? Dringt irgendwo Wasser ein? Damit es nicht zu solchen Problemen kommt, ist es entscheidend, im Vorfeld alles mehrfach und aus verschiedenen Blickwinkeln zu prüfen: Ist das Schiff für die eigenen Bedürfnisse geeignet? Steht eine Weltumseglung auf dem Plan oder bleibe ich auf der Alster? Bin ich alleine oder gibt es eine

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