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Bündel. Zuerst waren sie nur wie dunkle Punkte gewesen, aber jetzt wurden sie größer und größer. Ihre Träger sah man nicht, aber die Erzählerin jubelte, sich selber unterbrechend, doch: »Sie kommen, schaut, wie viel Heu sie haben. Es ist das erste des Jahres.«

      »Bis sie da sind, erzähle noch ein wenig, Vroni, es ist alles schön, was du sagst,« schmeichelte Binia. Selbst der blöde Sebi nickte.

      Vroni, das sah man ihren glänzenden Augen an, war im Zug:

      »Das dauerte lange, lange Zeit. Die Menschen kamen auf die Welt und starben, niemand wußte mehr etwas anderes, als daß die heligen Wasser Jahr um Jahr Segen und Fruchtbarkeit spendeten. Unterdessen betrieben die Venediger den Bergbau, sie lebten üppig und in Freuden, das fröhliche Leben ging im Bären nie aus. Die von St. Peter wurden durch den Wein, den sie an den Bergen von Hospel pflanzten und den Knappen verkauften, sehr reich. Allein es kam die Zeit, wo die Bergleute alles Holz, das an den Thalseiten wuchs, für ihre Feuer abgeschlagen hatten, und wegen der Lawinen und Steinschläge wuchs das neue nur langsam nach. Der Holzmangel war groß. Der Wald der Wildleute aber, der so nahe am Schmelzwerk lag, stand in Schönheit und Pracht. Da boten die Venediger denen von St. Peter so viel lötiges Silber, als sie in sieben Wochen gewannen, wenn sie diesen Wald schlagen dürfen. Da man schon lange keinen Wildmann mehr gesehen hatte und die Leute glaubten, die Wildleute seien gestorben oder fortgewandert, so verkauften sie den Forst, der nicht ihnen gehörte, und die Venediger schlugen ihn. Manchmal, wenn die Bergknappen die Axt in einen der Bäume hackten, erscholl aber aus dem Wald ein Klagen, wie wenn Kinder weinen würden, und aus den Gebüschen hörte man das Geräusch der fliehenden Wildleute. Als die Knappen die Axt an die älteste Arve legten, überpurzelte der mächtige Baum, es klirrte, wie wenn im Boden eine Kette reißen würde, und ein Wildmannli, das erschreckt forteilte, rief:

      'Untrü, Untrü, du machst großes Weh,

      »Das war der letzte Wildmann.«

      Vroni brach ab. Die Wildheuer, der Vater, die Mutter und Josi, mit ihren Lasten waren herangekommen. Sie warfen ihre Bündel ab, streiften die weißleinenen Kapuzen zurück, die ihre Köpfe vor dem Heustaub schützten, und wuschen sich am Brunnen, der neben der Hütte summt, die erhitzten Gesichter und die Hände.

      Vroni, die fast den ganzen Tag einsam gewesen war, begrüßte die Ankömmlinge mit lebhafter Freude, aber sie dauerte nur einen Augenblick. Warum zog sich die Stirne des Vaters so finster zusammen, als er Binias ansichtig wurde, was war das für ein fremder, schmerzlicher Zug, der über das braune Gesicht bis in den blonden Bart hineinzuckte?

      Plötzlich schrie er wie aus wilder Qual heraus Binia an: »Fort mit dir, du Schlechthundekind!«

      Die Erschrockene und Verwirrte, die das böse Wort wie ein Blitz aus heiterem Himmel traf, stand einen Augenblick fassungslos, dann flüchtete sie so schnell wie eine Gemse. Hinter ihr drein Eusebi, der aber weit zurückblieb.

      Fränzi und die Kinder standen verdutzt; erschreckt, vorwurfsvoll sagte die Frau: »Seppi, Seppi! bist du letzköpfig geworden? Die Binia hat dir ja nichts gethan!«

      Der verstörte Mann gab keine Antwort, er setzte sich auf den Dengelstein, mit verbissener Wut begann er die Sicheln zu rüsten, als ob sie in Stücke gehen müssen.

      Fränzi ging beleidigt ins Haus, Vroni standen die hellen Thränen der Kränkung in den Augen, Josi machte sich mit dem Heu zu schaffen, damit seine tiefe Verlegenheit nicht zu auffällig sei.

      »Vater, der Garde hat gesagt, Ihr sollt heute abend noch zu ihm kommen!« wagte Vroni schüchtern zu melden.

      Da schnob Seppi Blatter: »Hole der, welcher hinkt, den Garden mit dem Presi!«

      Weinend lief Vroni davon. Mutter und Kinder verstanden den Vater nicht mehr. Den ganzen Tag war er einsilbig gewesen und hatte gebrütet. Und jetzt war er so sinnlos wild, er, der Mann, der sonst immer von stiller Gemütsheiterkeit war und gern einen Scherz machte, wenn ihn die Sorgen nicht zu stark drückten.

      Etwas mußte gestern abend im Bären vorgefallen sein.

      Aber was? — Wenn er es nicht freiwillig sagte, erfuhren es Mutter und Kinder nicht. Das wußten sie schon.

      Als die Haushaltung in der kleinen Stube beim Abendbrot, bei Wegwartekaffee, schwarzem hartem Roggenbrot und Käse, um den Tisch saß, wollte Josi das Gespräch auf die Wildleutlaue bringen, aber da donnerte ihn der Vater mit einem »Halt 's Maul!« an.

      Und als Fränzi sanft mahnte, er möchte doch zum Garden gehen, sagte er ganz traurig: »Ich bin todmüde — gute Nacht, alle zusammen.«

      Beklommen ging der Haushalt zur Ruhe und die harte Tagesarbeit brachte Josi wenigstens bald den Schlaf.

      Er wurde furchtbar daraus geweckt. Ihm war im Traum, als rüttelte der Wind am Haus, als knackte das Schindeldach — er wurde munter — das Getöse dauerte fort, die Balken knarrten, die Ziegen im Stall begannen zu meckern. Im Dorf bellten die Hunde und von weit her hörte er das Vieh plärren. Er schlich sich erschrocken zur Luke, die von seinem Dachgemach ins Freie ging. Der Himmel über den Bergen war sternklar, aber vom Stutz herauf schwebte es wie ein grauer Nebel und die Luft wogte. Feiner Schneestaub begann zu rieseln, die Gegend verfinsterte sich.

      Da wußte er es: Die Wildleutlaue an den Weißen Brettern ist gegangen.

      Jetzt fingen die Glocken zu läuten an, wie es Brauch ist in St. Peter, wenn eine Lawine, ein Gewitter oder ein Brand im Thale wütet. »Betet, betet!« läuteten sie.

      Halb angekleidet stieg Josi in die Stube hinunter.

      Welch ein Anblick! Die Mutter saß totenblaß auf einem Stuhl, vor ihr auf dem Boden kniete, barfuß und nur halb bekleidet, der Vater, das Haupt in ihren Schoß geneigt, seine sehnigen Hände um die ihrigen geschlungen.

      Der gewaltige Mann stöhnte, schluchzte und rang nach Worten, daß es einen Stein hätte erbarmen müssen.

      Vroni saß am Tisch vorgelehnt, durch die Hände, mit denen sie das Gesicht bedeckt hielt, drangen die Thränen, ihre junge Brust bebte vor Leid.

      »Was giebt's?« fragte Josi; als er aber von keiner Seite Antwort erhielt, fingen vor Angst auch ihm die Glieder an zu zittern, die Zähne zu klappern.

      Da kam's aus der Brust des Vaters, als würde ihm das Herz abgedreht und sich im Leib auch eine Lawine lösen:

      »O Fränzi — liebe Fränzi — ich habe es versprochen — ich muß an die Weißen Bretter steigen.«

      Ein Schrei drang aus der Hütte in die Nacht, er kam von Vroni. Die Mutter saß entgeistert, sie hatte willenlos ihre Hände aus denen des Vaters gelöst und strich ihm über den Scheitel. Sie flüsterte immer nur: »Mein armer Seppi — mein armer Seppi! Das also ist's, warum du nicht hast reden können. Gott! Gott!«

      Ihr Streicheln und ihre Worte beruhigten den Knieenden, so daß er, wenn auch nur stoßweise, sprechen konnte.

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