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Neuer Terrorismus – Reale Bedrohung oder konstruiertes Forschungsparadigma?. Julia Klein
Читать онлайн.Название Neuer Terrorismus – Reale Bedrohung oder konstruiertes Forschungsparadigma?
Год выпуска 0
isbn 9783828875524
Автор произведения Julia Klein
Жанр Социология
Серия Wissenschaftliche Beiträge aus dem Tectum Verlag: Sozialwissenschaften
Издательство Bookwire
Erst seit einer Reihe an medial wirkungsvollen Anschlägen7, die mit dem Anschlag auf die französische Satirezeitschrift Charlie Hebdo im Jahr 2015 begonnen haben, steht der Begriff des Neuen Terrorismus wieder im Mittelpunkt der Öffentlichkeit. In einem Online Artikel von CNN „Paris Attack: The New Terror“ wird Daniel Benjamin zitiert. Er ist einer der Autoren, die Anfang der neunziger Jahre in dem Diskurs um den Neuen Terrorismus noch vor Bruce Hoffman auf die zukünftigen Gefahren von Massenvernichtungswaffen hingewiesen hatten. Er beschreibt in diesem Artikel den Gebrauch von Sturmgewehren als Teil der „evolution of terrorism“.8 Obwohl die Anschläge in Paris eben nicht den Eigenschaften des Neuen Terrorismus entsprechen, lässt sich eine ähnliche Rhetorik und ein damit verbundener Aktionismus wie nach den Anschlägen des 11. September 2001 erkennen. Auffällig ist der Zusammenhang zwischen dem Ausmaß der Aufmerksamkeit für ein einzelnes Ereignis und der Verkündung einer evolutionären Veränderung des Terrorismus bzw. dem Verhalten der terroristischen Organisationen. Aber auch die Flexibilität, mit der der Begriff eingesetzt wird und situationsabhängig in veränderter Gestalt auftaucht, lässt Zweifel aufkommen, ob es sich beim Neuen Terrorismus um ein empirisch nachweisbares Phänomen handelt oder doch nur um die gezielte Rhetorik einzelner Akteure und die subjektive Wahrnehmung der Bevölkerung.
Diese Zweifel an der Existenz des Forschungsparadigmas müssen auch aufgrund von gegenseitigen Abhängigkeiten zwischen wissenschaftlichen und politischen Institutionen erhoben werden: Die Politik ist auf die Erkenntnisse und Auswertungen von Think Tanks angewiesen, um ihre Strategien zu optimieren, und die wissenschaftlichen Einrichtungen sind zum Teil auf die Finanzierung aus staatlichen Aufträgen angewiesen, um ihre Forschung weiter betreiben zu können.9 Besonders der RAND Corporation wird von einigen Autoren unterstellt, im Sinne einiger politischer Akteure gezielt das Forschungsparadigma eines Neuen Terrorismus im wissenschaftlichen, medialen und politischen Diskurs zu fördern.10
Dieser Vorwurf einer gegenseitigen Abhängigkeit macht eine kritische Betrachtung vermeintlich wissenschaftlicher Erkenntnisse nötig, um die Objektivität der Ergebnisse zu überprüfen und zum anderen den Nutzen für politische Entscheider sicherzustellen. Zwar gibt es seit Anfang der neunziger Jahre, und vor allem seit dem 11. September 2001, einen umfassenden wissenschaftlichen Diskurs über die Existenz und Ausgestaltung eines „Neuen Terrorismus“, es gibt jedoch bis heute keine umfassende empirische Untersuchung, die die tatsächliche Entwicklung aller erwähnten Eigenschaften des „Neuen Terrorismus“ bei terroristischen Organisationen bestätigt oder widerlegt. Daraus resultiert das Erkenntnisinteresse der vorliegenden Dissertation: Herauszufinden, ob sich die Eigenschaften terroristischer Organisationen und terroristischer Anschläge quantitativ und qualitativ in einem Maß verändert haben, dass es gerechtfertigt erscheint, einen neuen Begriff in den wissenschaftliche Diskurs einzubringen, der die Entwicklung des Terrorismus in eine Zeit „davor“ und eine Zeit „danach“ teilt. Dabei wird vor allem dem Vorwurf einiger Autoren Rechnung getragen, die Akteuren mit einem besonderen Interesse eine gezielte Etablierung des Forschungsparadigmas unterstellen. Die vorliegende Arbeit erhebt den Anspruch, diese Forschungslücke einer fehlenden empirischen Untersuchung zu schließen, indem sie die tatsächlichen Entwicklungen im Verhalten terroristischer Organisationen mit den Eigenschaften aus dem Begriff des Neuen Terrorismus in einer Auswertung empirischer Daten vergleicht.
1.2 Forschungsziel und Fragestellung
Der vorliegenden Arbeit liegt im Zusammenhang mit dem wissenschaftlichen, medialen und politischen Diskurs um den Neuen Terrorismus eine Vermutung zugrunde, die eine genauere Betrachtung des Begriffs notwendig erscheinen lässt.
Seit Beginn der neunziger Jahre hat es keine wesentlichen Veränderungen im Verhalten von terroristischen Organisationen gegeben, die zu einer erhöhten Bedrohungslage und somit zu einem Handlungsdruck im Bereich der Terrorismusbekämpfung geführt haben, wie es das Forschungsparadigma des Neuen Terrorismus darlegt.
Aus dieser Vermutung lässt sich eine übergreifenden Fragestellungen ableiten, die aus theoretischen und empirischen Erkenntnissen heraus im Laufe der Arbeit beantwortet werden sollen. Die übergeordnete Fragestellung befasst sich mit der Existenz des Neuen Terrorismus und somit konkret mit dem Verhalten terroristischer Organisationen:
Gibt oder gab es einen „Neuen Terrorismus“?
In einem ersten Schritt stellt sich die Frage nach der Entwicklung des wissenschaftlichen, medialen und politischen Diskurses, der den Untersuchungsgegenstand „Neuer Terrorismus“ für den Fortgang der Arbeit definiert. Hierzu ergeben sich folgende Leitfragen, die im theoretischen Teil der Arbeit beantworten werden:
L1. Welche Akteure sind an dem Diskurs um den Neuen Terrorismus beteiligt?
L2. Welche Veränderungen, bzw. Eigenschaften von Anschlägen und im Verhalten terroristischer Organisationen fassen die Akteure unter dem Begriff „Neuer Terrorismus“ zusammen?
L3. Welche Begründungen werden für die Veränderung im Verhalten terroristischer Organisationen angeführt?
Demgegenüber steht die tatsächliche Entwicklung im Verhalten der terroristischen Organisationen. Im empirischen Teil der Untersuchung werden dazu folgende Fragestellungen zu beantworten sein:
F1. Welche Veränderung im Verhalten terroristischer Organisationen hat es seit 1993 gegeben, bezogen auf die Eigenschaften, die im wissenschaftlichen Diskurs als die Eigenschaften des Neuen Terrorismus beschrieben werden?
F2. Wie stark sind diese Veränderungen?
F3. Wie neu sind die Eigenschaften?
Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, die tatsächlichen Entwicklungen im Verhalten terroristischer Organisationen mit den Eigenschaften aus dem Begriff des Neuen Terrorismus in einer empirischen Datenauswertung zu vergleichen.
1.3 Forschungsstand
Eine Forschungslücke besteht zum einem in fehlenden umfassenden empirischen Belegen zu den Eigenschaften des Neuen Terrorismus, die den Paradigmenwechsel in dem wissenschaftlichen Diskurs rechtfertigen würden. Zum anderen werden