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Ein Herz für mich allein. Marie Louise Fischer
Читать онлайн.Название Ein Herz für mich allein
Год выпуска 0
isbn 9788711718681
Автор произведения Marie Louise Fischer
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Frau Bürger nahm einen Schluck Kaffee, fügte hinzu: »Aber denkt bitte immer daran … eure zukünftige Arbeitsstätte muß von hier aus täglich zu erreichen sein, verstanden? Bildet euch nur ja nicht ein, daß ihr nun erwachsen seid, um in die Welt hinauszuziehen. Wunschträume wie möblierte Zimmer oder dergleichen sind schon gestrichen!«
Bernd zögerte sein Frühstück so lange wie möglich hinaus, nur um die Schwestern zu ärgern. Er machte erst Schluß, als die Mutter endlich ein Machtwort sprach. In fliegender Eile deckten Bettina und Ursel den Tisch ab. Nie hatten sie so schnell gespült, abgetrocknet und aufgeräumt. Dann setzten sie sich zusammen, mit Papier und Bleistift bewaffnet, an den Wohnzimmertisch, nahmen sich den Zeitungsteil mit den Stellenangeboten heraus. Bernd schaute ihnen dabei über die Schultern.
Ursel schubste ihn mit dem Ellbogen zurück. »Hast du wirklich nichts Besseres zu tun, als uns bei der Arbeit zu stören?« fragte sie schnippisch.
»Bestimmt nicht!« Bernd lachte. »Ich hab’ mir gedacht, bei euch kann ich was lernen!«
»Wenn du nicht sofort abhaust, rufe ich Mutter!«
»Na, na, na … man nicht so giftig!« Bernd schwang sich rittlings auf einen Stuhl, schlug die Arme über der Lehne zusammen, legte sein Kinn darauf, betrachtete die Schwestern amüsiert.
»Laß ihn doch, Ursel«, sagte Bettina besänftigend, »den wirst du nicht ändern.« Sie zog die Zeitung etwas näher zu sich hin, blätterte um. »Lehrstellen kommen sicher ziemlich zuletzt … da, siehst du, hier sind sie schon!« Sie tippte mit dem Bleistift auf eine bestimmte Anzeige. »Hier … da wäre schon was für uns!« Sie las: »Kaufmännische Lehrlinge, in Klammern: auch weiblich, intelligent und anpassungsfähig, für chemisches Industriewerk gesucht …« Bettina unterbrach sich. »Zu blöd … es steht nicht drin, wo das Industriewerk liegt … na, ich denke, wir schreiben auf alle Fälle mal dorthin. Was meinst du, Ursel?«
Ursel zuckte schweigend die Achseln.
Bettina bemerkte nicht die aufkommende Verstimmung der Schwester. Sie studierte eifrig weiter die Stellenangebote, machte sich Notizen, gab Kommentare dazu. »So«, sagte sie endlich, »fünfzehn habe ich gefunden, die für uns in Frage kommen … bitte, überzeug dich selber, Ursel. Ich hab’ sie alle angestrichen. Eins klingt verlockender als das andere. Aber fünfzehn Angebote mit handgeschriebenem Lebenslauf loszuschicken, das scheint mir doch ein bißchen happig, wie? Wäre es nicht besser, wir würden noch mal sortieren?«
»Wie du willst«, sagte Ursel kurz angebunden.
Jetzt erst wurde Bettina aufmerksam. »Sag mal, was ist eigentlich los mit dir, Ursel? Habe ich dir wieder was getan?«
»Nichts. Gar nichts. Wie kommst du darauf?« sagte Ursel, aber ihre Stimme klang durchaus nicht überzeugend
»Du hast das gnädige Fräulein verletzt, Bettina«, spottete Bernd, zog die Augenbrauen hoch und säuselte affektiert: »Ich bin sehr enttäuscht von dir, meine Liebe … etwas mehr Takt dürfte ich doch wohl erwarten.«
»Aber … ich weiß gar nichts«, sagte Bettina verwirrt, »das ist doch alles Quatsch, Ursel. Oder habe ich wirklich wieder etwas falsch gemacht? Bist du mir böse, weil ich die Angebote vorgelesen habe? Bitte, hier ist die Zeitung … überzeug dich selber, ich wollte dir doch nur Arbeit ersparen.«
Ursel schwieg und biß sich auf die Lippen. Sie machte keine Anstalten, einen Blick in die Zeitung zu werfen. Bernd grinste unverschämt.
»Bitte, geh raus, Bernd!« sagte Bettina ärgerlich. »Laß uns allein! Du störst uns wirklich. Begreifst du das denn nicht?«
Bernd grinste noch breiter und rührte sich nicht von der Stelle.
Bettina übersah ihn und wandte sich an Ursel. »Bitte«, sagte sie, »bitte, hilf mir doch jetzt. Wir müssen die Angebote ’raussuchen, an die wir wirklich schreiben wollen … ich kann das nicht allein entscheiden … wirklich nicht, Ursel, Wir dürfen doch nicht …«
Endlich tat Ursel den Mund auf. »Wir … wieso sagst du dauernd … wir? Bildest du dir etwa ein, ich hätte Lust, meine Bewerbungen mit dir gemeinsam loszuschicken?«
»Ja, aber … Ursel … nein, jetzt versteh ich dich nicht«, sagte Bettina hilflos.
»Dann muß ich mich deutlicher ausdrücken!« Ursel beugte sich vor. »Ich habe nicht die geringste Lust, mit dir im gleichen Betrieb zu arbeiten, daß du es nur weißt. Ich habe es satt, hinter dir zurückzustehen. Ich will endlich mein eigenes Leben leben. Schließlich sind wir ja keine siamesischen Zwillinge … oder?«
»Natürlich, Ursel, wenn du das so siehst«, sagte Bettina, »aber das hindert uns doch nicht daran … wir können uns doch bei derselben Firma bewerben, nicht wahr? Wahrscheinlich nehmen sie ja doch nur einen von uns.«
»Sehr richtig. Und zwar dich! Und damit rechnest du doch wohl, wie?«
»Ursel … nein … aber wie kannst du …«
»Tu doch nicht so scheinheilig, ich bitte dich. Du weißt genau, daß dein Zeugnis besser ist als meines … und du weißt auch genau, daß du hübscher bist. Ich habe neben dir überhaupt keine Chance. Du hältst mich wohl für einen Idioten, daß ich das nicht begreife!«
»Ich halte dich für einen Idioten, daß du dir so was einredest!« Jetzt wurde auch Bettina heftig. »Du mit deinen blöden Komplexen … langsam habe ich aber wirklich genug davon! Ich habe keine Lust, mich dauernd mit dir herumzuzanken, Ursel … wirklich nicht. Weshalb regst du dich so auf? Wenn du dich nicht bei den gleichen Firmen wie ich bewerben willst … dann teilen wir die Angebote doch einfach auf … es sind ja genug da.«
»Eine glänzende Idee«, sagte Ursel wild. »Du die guten, und ich die schlechten. So was konnte auch nur dir einfallen, Bettina!« Sie schob ihren Stuhl zurück und sprang auf. »Danke. Vielen Dank für deine Almosen.«
Ursel drehte sich auf dem Absatz um und wollte aus dem Zimmer rennen, stieß dabei in der Wohnungstür fast mit der Mutter zusammen, die den kleinen Heiner, fest in eine Decke gewickelt, auf dem Arm trug.
»Was ist hier los?« fragte Frau Bürger erstaunt. »Zankt ihr euch etwa? Hier geblieben Ursel! Ich will wissen, was vorgeht!« Sie bettete den kleinen Heiner sanft auf der Couch.
»Das Übliche, Mutter«, sagte Bernd voller Schadenfreude, »die beiden liegen sich mal wieder in den Haaren … Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die Schönste im ganzen Land!«
»Dich habe ich nicht gefragt, Bernd«, sagte Frau Bürger unwillig. »Lauf bitte nach oben und hol Heiners Märchenbuch herunter. Und überhaupt, du könntest jetzt ein bißchen mit deinem kleinen Bruder spielen. Das ist eine entschieden bessere Beschäftigung, als deine Schwestern gegeneinander aufzuhetzen.«
Bernd erhob sich und tippte sich, mit der Miene einer beleidigten Unschuld, gegen die Brust: »Ich? Ich hätte sie aufgehetzt? Nein, das ist nun wirklich das Neueste. Jetzt soll ich auch noch schuld dran sein, daß diese beiden Zimtzicken sich nicht vertragen können … na, Pustekuchen!« Er schlenderte hocherhobenen Hauptes aus dem Zimmer.
»Was war nun wirklich los?« fragte Frau Bürger die Mädchen.
Ursel und Bettina wechselten einen Blick. Bettina preßte die Lippen zusammen, sie wollte die Schwester nicht anschwärzen. Ursel zupfte nervös an ihrem Pullover herum.
»Na … wird’s bald?«
Ursel gab sich einen Ruck: »Es ist nur so, Mutter«, sagte sie, »ich will mich nicht mit Bettina zusammen bewerben … du weißt schon, warum. Ich will es nicht! Ich …«
Frau Bürger unterbrach ihre Tochter. »So etwas Dummes«, sagte sie und schlug sich mit der Hand vor die Stirn. »Jetzt hätte ich’s doch bald vergessen … ganz gut, daß ihr mich daran erinnert. Du kannst dich noch gar nicht bewerben,