Скачать книгу

Sie fuhr zusammen und raffte die Seide über der mädchenhaften Brust. Mit zuckenden Brauen schaute sie hochmütig zur Tür.

      „Wir haben vereinbart, Francesco …“

      „Aber nicht, daß ich kein Recht habe, dich zu sehen!“

      „Du hast versprochen — geschworen —“

      „Alles, Liebste! Nur sehen —“

      „Zu so später Nachtstunde“, sagte sie tonlos bittend, legte dann den Kopf zurück. „Nein, Francesco, ich öffne nicht!“

      Er hatte auf dies Stichwort gewartet. Vom Wein erhitzt, berauscht von Gesprächen mit den Freunden, erotischen Aufschneidereien, wüsten Phantasien, warf er sich plötzlich mit seinem schweren Körper gegen die Tür, die in ihren Angeln krachte. Sein Brüllen dröhnte durch das ganze Haus. Ein Schwall von Worten folgte. Er sei Herr hier. Nicht nur Mann, — Herr! Was sie sich denke? Ob er etwa noch mit Puppen spiele? Er habe nicht einmal als Knabe dazu Lust gehabt. Sie mache ihn lächerlich, ihn, den Grafen Martini! Vor den Domestiken! Ihr liege eben nichts daran, was Dienstboten denken! Sie mache sich gemein mit ihnen, seine Frau! Die Gräfin Martini! Ihm sei es aber nicht gleichgültig! In seinen Adern fließe — —

      Aber da merkt er, daß Marias Hand schon den Riegel zurückgezogen hat.

      Die Kinder sind erwacht von dem Lärm und weinen. Maria steht mitten in dem kalten Raum. Es war keine Zeit, diesen runden Turm mit Geschmack auszustatten, sie wohnt ja nur vorübergehend hier. Ein heftiger Sturm weht durch die schlecht schließenden Fenster und läßt die Vorhänge aufwallen, rüttelt an allen Türen im Hause.

      Wie zerbrochen steht die junge Gräfin, mit schmerzhaft hochgezogenen Brauen, die Augen voll Erstaunen und Armut. So sind die Männer?

      Kalt, frierend, das Unverständliche mit Ekel ablehnend, tritt sie zurück. Er wuchtet ihr nach mit seinem hünenhaften Körper, das Gesicht rot, mit Blicken dem Weib die Hüllen abreißend, sich an vorgefühlter Nacktheit, an ratloser Ablehnung weidend. Seine Hände reißen sie zu sich, betasten sie, ergreifen Besitz.

      Sie stöhnt auf, entwindet sich, entkommt, flüchtet leichtfüßig, wirft Raum zwischen ihn und sich, Abgründe schimmern in ihrem Antlitz, ihr roter kleiner Mund zittert vor Entschlossenheit und Gegenwehr.

      Ernüchtert starrt er. Schmeichelt. Noch fremder ist er ihr als Bettler. Sie entgegnet zornig. Ihre Nase ist schmal, aber die Flügel beben, hohnvoll wird ihre Abweisung. Sie entflieht ihm wieder, weicht aus, — er taumelt über den Fußschemel, sein Zorn raucht aus Schmerz und Mannqual. Er beugt sich vor, ganz nahe ihren bösen, grüngoldenen Augen. Der Hauch ihres jungen Körpers schlägt über ihn. Er sagt furchtbare Worte. Sie sind nie wieder gut zu machen. Er schleift alles durch den Schmutz: Die Liebe der ersten Zeit ihrer Ehe — ihre Kinder — ihre Familie (ein besonders beliebtes Thema) — und dann fliegen Gegenstände durcheinander. Selbst der Sturm über dem Meer verstummt vor dem Toben dieses Rasenden. Seine Stimme überschlägt sich: „Zu zart bist du? Zu zart für die Liebe? Für meine Liebe? Du Heuchlerin! Du Weibsbild! Ja, ich weiß! Ich habe vor dem Kardinal geschworen, dich nicht zu berühren! Aber man hat mich getäuscht! Man hat mich erpreßt! Du warst aus meinem Haus geflohen! Was sollte ich tun? Man hat mir von deiner schwachen Gesundheit vorgeredet! Ecco! Du bist gesund wie der Fisch im Wasser! Du bist schön, blühst, bist jung! Ich, ein Mann, kraftvoll, die Weiber drehen sich nach mir um, ich soll an dir vorbeischleichen wie ein Aussätziger! Ich will nicht! Nein! Ich will nicht!“

      Er schweigt. Wartet auf eine Antwort. Fühlt sich schon besiegt durch ihre unerschütterliche Festigkeit, will parlamentieren. Sie sagt leise:

      „Setze dich, Francesco. Ich will dir antworten. Als ich dich heiratete, sagte meine Mutter: ‚Gehorche deinem Gatten in allen Dingen! In allen!’ — Ich gehorchte. Aber du hast meine Schamhaftigkeit verletzt. Immer wieder. Ich glaubte, die Liebe sei so — —. Aber auch in der Liebe, — dieser Liebe, — gibt es eine Würde. Nicht alles ist erlaubt! Nicht alles Pflicht für die Frau. Das habe ich allmählich begriffen. Hingabe wurde mir zur Marter. Du sagst: Gesetz und Kirche! Du bist der Herr! Ich bin dein Eigen!

      Nein! Francesco. Mag das Gesetz es so wollen: Ich will nicht! Du hast mich wieder zur Rückkehr in dein Haus bewogen, indem du einem Vertrag zugestimmt hast, der mir Sicherheit und Unantastbarkeit durch Eide sicherte.

      Ich ließ dir deine Freiheit. Du willst den Vertrag brechen! Das ist unmännlich! Das macht dich verächtlich!“

      Er schnellt hoch. Er, Martini, Graf Martini, verächtlich!

      „In deiner Familie sind ja die Advokaten zu Hause! Rede nur! Rede! Ich werde handeln! Ich fahre nach Bologna! In einigen Tagen, si! Ich werde die Wohnung dort auflösen. Auflösen! Wir ziehen nach Padua! Nichts mehr von Bologna! Kein Wort mehr! Da wohnt der Herr Papa, der Obermufti! Der Herr Bruder! Die Frau Mama! Man geht täglich mit den Kindern hin. Man hetzt gegen den Aristokraten! Man bringt den Kindern unwürdige Ansichten bei! Man konspiriert in dieser Bürgerstube!

      Schluß! Aus! Ende! Die Wohnung in Bologna wird aufgegeben. Wir ziehen nach Padua: du und ich. Nur du und ich. Sofort nach meiner Rückkehr aus Bologna kommen die. Kinder fort! Jawohl! Ins Internat! Du bist nicht würdig, sie zu erziehen! Schreie! Wüte! Klage an! Der heilige Bischof hilft dir nicht! Auch dein Vater nicht! Kann nicht! Ich bin der Herr! Ich bin der Vater deiner Kinder! Ich habe Freunde! Ich will! Ins Internat kommen sie! Ich will sehen, ob ich dich in Padua nicht zähme, du blasse Lucrezia!“

      Ein höhnisches Lachen, Zuschlagen der Tür.

      Pichi ist vorher schon geflüchtet. Der Graf geht mit dröhnenden Schritten durch die Zimmer. Macht überall Licht. Sieht die junge Köchin Frieda. Den Regenmantel übers Nachthemd geworfen, steht sie da in einem Winkel. Überrascht in ihrer Neugierde, sprachlos vor Schrecken, verlegen sich in den starken Hüften wiegend, lächelnd, mit gespreizten Bewegungen, in komödienhafter Geziertheit, sucht sie die Tür.

      *

      Die Gräfin ist zu ihren Kindern geflüchtet.

      Ninetto, der Kleine, Maria, die Ältere, klammern sich bleich an die heißgeliebte Mutter.

      „Keine Angst! Keine Angst, meine Engelchen“, stammelt die Gräfin. „Ich bin da! Ich kämpfe um euch! Nichts darf euch geschehen! Schlaft still! Schlaft, meine süßen Kleinen!

      Ihre Stimme lullt sie ein. Ihre Augen schließen sich. Sie schlafen. —

      Aber Gräfin Maria schläft nicht. Mit weiten Augen schaut sie ins Dunkel. Horcht auf den Sturm, der wieder eingesetzt hat, macht sich leise frei aus der Umarmung der Kinder. Am Fenster stehend lauscht sie auf das Aufklatschen der Wellen an der Landungstreppe.

      Unendlich traurig ist Venedig im Herbst! Eine weinende Stadt! Venedig ist die einzige Stadt der Welt, die ihr Leid in die Herbstnächte schluchzt — — —

      Am Morgen ist Francesco frühzeitig fort. Maria eilt selbst zur Post und gibt Depeschen auf. Der Tag schleicht bleiern hin.

      „Gnädigste Frau Gräfin,“ sagt Pichi, der Diener, „ich habe alles gehört — ich wollte helfen —! Der Herr Graf hat nicht erst heute nacht den Entschluß gefaßt, nach Padua zu ziehen. Nein! Ich hatte schon längst Auftrag, wenn Sie mit ihm in der Schweiz zur Erholung weilten, die Wohnung in Bologna in aller Stille aufzulösen, die Möbel nach Padua zu schaffen …

      Auch wegen der Kinder verhandelt er schon länger mit Internaten — —“

      „Es ist gut, Pichi! Ich danke Ihnen!“

      „Der Herr Graf darf um Gottes willen nicht erfahren, daß ich …“

      „Keinesfalls, Pichi! Ich danke Ihnen für Ihre Anhänglichkeit.“

      Aber die Ruhe, die Gräfin Maria zur Schau trug, war nicht echt. Die Erklärung des Kammerdieners hatte einen furchtbaren Sturm in ihr wachgerufen. Im ersten Augenblick fühlte sie sich unfähig, etwas zu unternehmen. Wie eine Verratene, wie eine Gefangene ging sie in den Zimmern auf und ab, Selbstgespräche führend. Es war nicht das erstemal, daß Pichi sie über Beschlüsse, ja, über Stimmungen seines Herrn

Скачать книгу