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haben uns immer gewünscht, eine große Familie zu haben, und wir finden es herrlich. Wir müssen uns dafür selber auch manche Einschränkungen auferlegen. Aber was macht das schon! Menschen, die man lieb hat, sind wichtiger als ein Fernsehapparat oder ein Pelzmantel, nicht wahr?“

      „Fernsehen ist aber auch prima, Mutter“, sagte Susebill, „gestern nachmittag bei Gunhild Hopmann …“

      „Kindskopf“, sagte Frau Meixner und lachte, „als ob sich so ein technisches Ding überhaupt mit etwas Lebendigem vergleichen ließe!“ Als sie Susebills unglückliches Gesicht sah, fügte sie rasch hinzu: „Warte nur, Kind … Wenn wir eines Tages so weit sind, daß wir uns einen Fernsehapparat leisten können, werde ich bestimmt nicht dagegen sein. Vielleicht ist es wirklich ganz nett. Aber vorläufig sind andere Dinge wichtiger. Zum Beispiel unser Haus. Wenn wir erst ein eigenes Haus haben, wird dir manches besser gefallen. Jeder von euch wird ein eigenes Zimmer haben … auch Thomas und Theo … Wir werden nicht mehr mitten in der lauten Stadt wohnen, sondern draußen, wo die Luft rein ist. Ihr werdet den ganzen Tag im Garten sein können, wenn die Sonne scheint … Ich werde Gemüse ziehen, Radieschen und Blumen … Ach, Susebill, es wird herrlich werden.“

      „Werden wir dann auch in eine andere Schule kommen?“

      „Ja, sicher. Jeden Tag in die Stadt zu fahren, wäre ja viel zu umständlich.“

      „Das ist gut“, sagte Susebill mit einem Seufzer der Genugtuung. „Dann werden die in meiner neuen Klasse wenigstens eine Zeitlang nicht wissen, daß ich die abgelegten Kleider von meinen großen Schwestern tragen muß.“

      „Sparen müssen ist keine Schande.“

      „Nein, aber langweilig. Ach, Mutter, es muß phantastisch sein, viel Geld zu haben … Warum hast du bloß keinen reichen Mann geheiratet?“

      Frau Meixner lachte. „Weil ich deinen Vater geliebt habe. Außerdem ist er gar nicht arm, sondern ein gut verdienender Tierarzt. Wir würden uns viel mehr gönnen können, wenn ihr nicht so teuer wäret.“

      Susebill zog sich das abgelegte blaue Kleid von Stefanie über den Kopf. „Wenn ich erst erwachsen bin und verheiratet, wünsche ich mir bestimmt nur zwei Kinder. Dann ist Schluß.“

      „Du meinst wohl, da hätten wir auch tun sollen, ja? Dann denk einmal nach. Du bist die vierte. Wenn wir uns nicht viele Kinder gewünscht hätten, schwämmst du jetzt noch in Abrahams Wurstkessel.“

      Jetzt mußte auch Susebill lachen. „Na, da hätte ich wenigstens keine Kleidersorgen“, sagte sie und knöpfte das Kleid vorne zu. „Wird es mir stehen?“ fragte sie und drehte sich, daß der weite Rock wie eine blaue Glocke um ihre Beine schwang.

      „Wunderbar, Mädel!“ Frau Meixner begann abzustekken. „In der Taille sollte es enger sein … Hier an den Schultern lasse ich ein wenig raus … Wenn ich einen großen Kragen draufsetze, wird kein Mensch merken, daß es nur umgearbeitet ist.“

      „Hoffentlich nicht“, sagte Susebill. Aber sie betrachtete sich doch mit Wohlgefallen in dem hohen Spiegel. Das Kleid stand ihr viel besser als Stefanie und Andrea, fand sie insgeheim. Ich bin eben doch die Hübscheste, dachte sie, sprach es aber wohlweislich nicht aus.

      Ihre Mutter hatte meist für dergleichen Feststellungen sehr wenig Verständnis.

      Gemischte Gefühle

      Die Praxis von Dr. Hans Meixner lag im selben Stockwerk des großen Mietshauses wie die Wohnung seiner Familie. Aber den Kindern war es nur ausnahmsweise erlaubt, den Vater während der Arbeit aufzusuchen. Eine Ausnahme machte Andrea, die Älteste. Sie besaß viel Geschick im Umgang mit kranken Tieren und durfte sogar manchmal helfen, wenn Fräulein Hülsner, die Sprechstundenhilfe, krank oder beim Friseur war. Andrea wollte später Tiermedizin studieren wie der Vater.

      Sonst sahen die Kinder die vierbeinigen und geflügelten Patienten nur im Treppenhaus. Kranke Hunde, Katzen, Schildkröten, Eidechsen und Igel wurden zu Dr. Meixner gebracht, Goldhamster und Meerschweinchen, Kanarienvögel, Papageien, Wellensittiche, Raben und zahme Amseln, und einmal sogar ein kleiner Löwe. Manche Tiere wirkten ganz munter, aber den meisten sah man schon von weitem an, daß sie krank waren – Fell und Federn waren glanzlos, die Augen trübe, einige waren bandagiert oder hatten einen Ausschlag.

      Als Susebill eines Mittags früher als gewöhnlich aus der Schule kam, traf sie unten im Haustor mit einer alten Dame zusammen, die sich vergeblich bemühte, ihren schönen grauen Scotchterrier an der Leine nach oben zu zerren. Der Hund wollte einfach nicht.

      Susebill blieb stehen. „Hat er Angst?“ fragte sie interessiert.

      Die alte Dame nickte. „Ja. Mecki hat Ohrenzwang. Sieh nur, wie er immerzu den Kopf schüttelt. Es tut furchtbar weh, sobald man nur in die Nähe des Ohres kommt, und der Tierarzt muß ihn doch berühren, sonst kann er ihn ja nicht behandeln.“

      Susebill hockte sich in die Knie. „Nun hör mal gut zu, Mecki“, sagte sie schmeichelnd, „du bist doch ein großer vernünftiger Hund … Willst du denn krank sein? Nein, bestimmt nicht. Dann mußt du jetzt aber auch tapfer sein. Der Tierdoktor da oben ist mein Vater, weißt du, und der tut keinem Tier weh … Jedenfalls nicht mehr, als unbedingt notwendig ist. Also komm, Mecki … komm!“

      Sie erhob sich und ging langsam voraus, und Mecki, wahrscheinlich angenehm beruhigt von dem freundlichen Ton ihrer Stimme, folgte ihr tatsächlich. Im zweiten Stock blieb Susebill stehen, machte einen Knicks und sagte zu der alten Dame: „So, da wären wir …“ Sie wies mit dem Kopf auf die Wohnungstür. „Ich muß jetzt hier rein …“

      „Bitte, liebes Kind, bitte … könntest du uns nicht noch ins Wartezimmer begleiten?“ fragte die alte Dame. „Und könntest du nicht mit deinem Vater sprechen, daß er Mecki gleich drannimmt? Er wird sonst immer nervöser.“

      Tatsächlich zerrte Mecki schon wieder heftig an seinem Halsband und schüttelte den Kopf in geradezu beängstigender Weise.

      Susebill runzelte die Stirn. „Will mal sehen, was sich machen läßt“, sagte sie gnädig und öffnete die Tür zu dem kleinen Vorraum. „Gehen Sie bitte nicht ins Wartezimmer, ich will meinen Vater fragen …“ Sie zögerte einen Augenblick, dann drückte sie entschlossen die Klinke nieder und öffnete die Tür zum Behandlungszimmer.

      „Du Rüpel! Du Rüpel! Scher dich hinaus!“ schrie eine grobe schnarrende Stimme.

      Vor Schreck wäre Susebill wirklich beinahe wieder zurückgesprungen. Dann erkannte sie, daß die aufgebrachte Stimme keinem Menschen gehörte, sondern einem weißen Kakadu mit einem prächtigen blauen Schopf.

      Dr. Meixner lachte, als er ihr Gesicht sah. „Geschieht dir ganz recht“, sagte er, „du weißt genau, daß ich Überfälle in meinen geheiligten Räumen nicht liebe!“

      „Aber ich wollte doch nur …“, begann Susebill verdattert.

      „Rüpel! Rüpel!“ schrie der Kakadu böse.

      Ein älterer Herr, offensichtlich der Besitzer des komischen Vogels, warf ein großes wollenes Tuch über den goldglänzenden Käfig. „Ich fürchte, ich muß mich für Josefines Grobheit entschuldigen“, sagte er, „sie gebraucht immer diese schrecklichen Worte, wenn sie fremde Menschen sieht.“

      „Kann sie auch andere? Ich meine, kann sie auch nett reden?“ fragte Susebill interessiert.

      „O ja, natürlich!“ sagte ihr Besitzer stolz, lüftete das wollene Tuch und bat zärtlich: „Bitte, Josefine, sag mal was Liebes!“

      „Süßer Liebling!“ schnarrte der Kakadu prompt, aber es klang genauso aufgebracht wie sein früheres „Rüpel“.

      Susebill lachte, und Dr. Meixner gab dem älteren Herrn rasch ein Rezept, das er aufgeschrieben hatte. „Hier, davon geben Sie Josefine bitte täglich dreimal drei Tropfen, am besten auf Zucker, dann merkt sie kaum etwas davon … Sie schmecken nicht gerade glänzend, aber sie muß sie nehmen.“

      „Danke, Herr Doktor, vielen Dank …“ Der ältere Herr

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