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Niveau. Jonathan Wilson: „Er arbeitete hart an seiner Leistung und widmete sich voll und ganz dem Training, dachte aber auch über das Spiel nach und entwickelte u. a. neue Varianten für den Abwurf von hinten heraus. (…) Auf Dynamos Gastspieltournee (…) wurde er zur Kultfigur.“ Die englische Presse verglich ihn mit der spanischen Torwartlegende Ricardo Zamora.

       Helden in Blau und Weiß

      Bei ihrer Rückkehr in die Heimat wurden die Dynamo-Spieler wie Helden empfangen. Auch die Staatsführung war begeistert von ihren Fußballern. Hastig wurde ein 90 Seiten starkes Büchlein produziert, das Fotos von den Spielen, Autogramme der Spieler, Cartoons und Presseberichte enthielt und reißenden Absatz fand.

      Die Auftritte auf der britischen Insel trugen dazu bei, dass sich die Sicht auf Dynamo veränderte. In den 1930ern war Dynamo als Team der Geheimpolizei nicht besonders beliebt gewesen, die meisten Moskauer bevorzugten Spartak. Dies wandelte sich nun. Manfred Zeller: „Dynamo blieb die Mannschaft des Innenministeriums, aber Radio- und Fernsehübertragungen und auch internationale Erfolge überlagerten diese Zugehörigkeit für die Nachkriegsjugend etwas. Ein Gesprächspartner hat mir etwa erzählt, dass er zu Dynamo hielt, gerade weil die Mehrheit der Kinder seiner Umgebung, in der er sich nicht wohlfühlte, zu Spartak hielt. Der politische Kontext spielt da zunächst einmal gar nicht diese große Rolle.“

      Zellers Interviewpartner gingen in der Regel davon aus, dass sich die Sympathien der Moskauer Fußballanhänger gleichmäßig auf Spartak und Dynamo verteilten. Der Wissenschaftler ergänzt: „Ich bin mir relativ sicher, dass das nur für die Nachkriegszeit gilt und nicht für die Vorkriegszeit, weil es einfach zuvor nicht wirklich einen Grund gab, für dieses Dynamo zu sein, als sich nach der Gründung der sowjetischen Fußballliga 1936 eine erste große Euphorie um Spartak entfachte und Dynamo der von der Geheimpolizei unterstützte Opponent war.“

      *„Das goldene Zeitalter“ wurde am 26. Oktober 1930 in Leningrad aufgeführt. Die Premiere war ein großer Erfolg. Krzysztof Meyer: „Den Künstlern wurden Ovationen bereitet; außerdem musste eine Nummer nach lang anhaltendem Beifall wiederholt werden.“ Bei den Kritikern fiel das Stück indes durch. U. a. wurde der „bourgeoise Stil in den an eine Revue erinnernden Teilen“ bemängelt. „Das goldene Zeitalter“ wurde nur in wenigen anderen Städten aufgeführt und in Leningrad nach einer Saison abgesetzt. Dabei gehörte „Das goldene Zeitalter“ zu den eher opportunistischen Werken Schostakowitschs, der auf einem schmalen Grat wanderte: Der Komponist sah sich immer wieder zur Einordnung gezwungen, wollte aber gleichzeitig seine Kunst nicht korrumpieren lassen.

      *Dynamo ist heute eine gesamtrussische Fitness- und Sportgesellschaft mit Sitz in Moskau. Diese hat Tochtergesellschaften im Ausland, u. a. in Armenien, Weißrussland, Georgien und der Ukraine. Viele der Dynamo-Klubs aus der Zeit der UdSSR sind heute eigenständig. So auch Dynamo Moskau, dessen Präsident seit 2013 der russisch-finnische Oligarch Boris Romanowitsch Rotenberg ist. Mit seinem Bruder Arkadi besitzt Rotenberg die Unternehmensgruppe StroyGazMontazh, die Gazproms Hauptauftragnehmer für den Bau von Öl- und Gasleitungen ist. Außerdem gründeten die Rotenberg-Brüder die SMP-Bank, die bis 2013 in den Kreis der 40 größten Finanzinstitute Russlands aufstieg. Boris Rotenberg gehört zur sogenannten St.-Petersburg-Connection, dem Machtzirkel Wladimir Putins. In der Saison 2015/16 stieg Dynamo erstmals in seiner Geschichte in die Zweitklassigkeit ab.

      *Der Klub der Armee änderte wiederholt seinen Namen: 1928–50 ZDKA (Sportklub des zentralen Hauses der Roten Armee), 1951–56 ZDSA (Sportklub des zentralen Hauses der sowjetischen Armee), 1957–59 ZSKA-MO (Zentraler Sportklub des Ministeriums der Verteidigung, seit 1960 ZSKA (Zentraler Sportklub der Armee).

      *Nach den Vorführungen des Dynamo-Teams waren die Queen’s Park Rangers (London) möglicherweise der erste englische Klub, der das Warmlaufen vor dem Anpfiff eines Spiels praktizierte. Walter Winterbottom, der 1946 erster englischer Nationaltrainer wurde, übernahm von Jakuschin die Taktiktafel. Der Modernisierer wurde dafür in der Heimat aber auch als „Kreidefinger“ verlacht.

      **Nach der England-Tour kannte das Selbstlob kaum Grenzen. Arkadiew behauptete, Dynamos Auftritte hätten dazu geführt, dass man seither im Ausland von der „sowjetischen Schule des Fußballspiels“ spreche. Arkadiew und die sowjetische Presse erweckten den Eindruck, als sei es nur noch eine Frage der Zeit, wann der sowjetische Fußball an der Spitze des Weltfußballs stehen würde.

       KAPITEL 2

       Ein schwieriger Beginn

       Lew Jaschins sportliche Interessen gelten zunächst nicht nur dem Fußball. Als Junge träumt er davon, Schachweltmeister zu werden. Jaschin startet seine Fußballkarriere unter den schwierigen Bedingungen des Krieges und eines von Deutschen verwüsteten Landes. Die Laufbahn des größten Torwarts des 20. Jahrhunderts beginnt holperig. Eigentlich will Jaschin gar nicht ins Tor. Man verbannt ihn dorthin – aufgrund seiner Körpergröße. Gleichzeitig spielt er Eishockey. Als seine Torwartkarriere im Fußball Rückschläge erleidet, richtet er sein Hauptaugenmerk auf das Eishockeytor. Im kleinen Drahtkasten avanciert er zu einem der Besten seines Landes. Erst 1953, da ist Jaschin bereits 24, kann er den großen Alexander Khomich als Dynamos Nummer eins im Fußballtor beerben.

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       Lew Jaschin als Baby.

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       Die Familie Jaschin: Vater Iwan Petrowitsch, Stiefmutter Alexandra, Lew und sein jüngerer Bruder Boris.

       Schach und Fußball

      Lew Jaschin wird am 22. Oktober 1929 in Bogorodskoje geboren, einem Stadtteil im Osten Moskaus. Die Jaschins wohnen hier in der Nähe des Sokolniki-Parks. Es ist eine Industriearbeiterfamilie. Vater Iwan Petrowitsch arbeitet als Schleifer im Flugzeugmotorenwerk „Roter Oktober“, das in Tuschino nördlich von Moskau liegt und zum Militärproduktionskomplex Krasnij Bogatir („Roter Held“) gehört. Als Jaschin sechs ist, stirbt seine Mutter Anna Mitrofanowna an Tuberkolose. Einige Jahre später heiratet der Witwer Alexandra Petrowna, die sich nun um Lew und seinen jüngeren Bruder Boris kümmert.

      Als Halbwüchsiger interessiert sich Jaschin zunächst für Volleyball und Basketball – Sportarten, in denen seine Körpergröße von Vorteil ist. Fußball entwickelt sich erst später zur sportlichen Leidenschaft Nummer eins. Obwohl er 1964 erzählt: „Ich hatte für den Fußball schon immer eine große Schwäche und begann, wie alle Kinder, auf der Wiese und im Hof.“

      Der junge Jaschin hegt zunächst auch ein großes Interesse am Schachspiel. In den 1920ern war Schach zum sowjetischen Volkssport avanciert, aktiv gefördert von der Kommunistischen Partei, der KPdSU. Revolutionsführer Wladimir Iljitsch Lenin hatte erklärt: „Schach ist Gymnastik des Verstands.“ Mit dem Brettspiel soll das intellektuelle Niveau der Bevölkerung angehoben werden. Ab Ende der 1920er wird auch der Schachsport mit Fünfjahressplänen angetrieben. Starke Spieler werden vom Staat bezahlt und können sich so ganz dem Spiel widmen. Bald erfüllt das Spiel nicht nur eine gesellschaftspolitische Funktion. Sowjetische Schacherfolge sollen die Überlegenheit des sozialistischen Systems demonstrieren.

      Der berühmteste Repräsentant der sowjetischen Schachschule ist der russische Jude, Literaturliebhaber und Kommunist Michail Botwinnik aus St. Petersburg, der 1948 erstmals Weltmeister wird. Seine Trainingsmethoden und sein logisch-wissenschaftlicher Spielstil beeinflussen eine ganze Generation von Schachspielern. Die Parteifunktionäre hofieren Botwinnik. Der junge Jaschin ist sein Fan und will den Champion eines Tages beerben. Für sein späteres Torwartspiel, das stark vom Antizipieren geprägt ist, ist die Beschäftigung mit dem Schach womöglich hilfreich:

      Schachspieler müssen die nächsten Züge des Gegners vorausberechnen und ihre Steine zwecks Kontrolle des Raumes entsprechend verschieben. Im Fußball muss der Torwart ebenfalls die Angriffszüge des Gegners antizipieren, seine Vorderleute entsprechend dirigieren und auch seine eigene

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