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Im Schellenhemd. Nataly von Eschstruth
Читать онлайн.Название Im Schellenhemd
Год выпуска 0
isbn 9788711487327
Автор произведения Nataly von Eschstruth
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Der Burgwart griff Zinkra mit derber Faust unter das Kinn und drehte ihr Antlitz nach dem Mondschein: „Pech und Schwefel über solch schwarze Hexenaugen!“ lachte er, „damit kannst du heute abend Glück machen, du braunes Schätzlein, denn der Vogt ist ein lebensfroher Herr, dessen Hauskreuz bei der edeln Frau von Jossa am Siechbette wachen muss! Da ist er wieder ein lockrer Zeisig wie einst, als er noch auf die Brautschau ging, und hat auch Silbergülden die Fülle, denn unser Ritter ist auf sieben Tage nach dem verhassten Zwingenberg geritten, um einen Tauschhandel briefen zu lassen, und derweil führt der Vogt das Regiment in der Burg.“ — Und der Sprecher fuchtelte mit den Armen durch die Luft und schnalzte fröhlich mit der Zunge: „Da gibt’s lustige Zeiten jetzt, statt Brunnwasser — Gernsheimer Alten — statt Haberbrei — Hirschziemer und speckgebratene Häslein! Denn der Vogt hält’s mit uns, weil der Jossa toll ist und geizig wie sieben alte Krämer, und uns knapp hält jahraus, jahrein, obwohl’s in Scheun’ und Keller von Fässern und Getreide voll liegt und das Wild im Forst sich gegenseitig totdrückt! Aber er lässt lieber die Gebäude zusammenfallen, ehe er einen Nagel drangibt! — Nun ist die Katz aus dem Haus und die Mäuslein tanzen auf Tisch und Bänken umher! Wer wehrt’s uns? Die Jossain liegt schwer darnieder und das Junkerlein? Hehe! Ist noch ein klein Bübchen und freut sich der Kurzweil in der Küche! So wahr ich leb’!“ —
Zinkra lauschte hoch auf bei den Worten des Schliessers, welchen der Wein redselig und mitteilsam gemacht, aber ihr Blick überflog scharf prüfend jeglich Mauerwerk, dazwischen sie hinschritten, als wolle sie genau den Weg kennen, welcher sie einzig zur Freiheit zurückführen konnte. — Zuerst durchschritten sie einen langgestreckten Vorhof, der Barbacan genannt, traten durch ein zweites Tor in einen doppelten Zwinger mit schlechterhaltenen Zinnenmauern und gelangten endlich durch das von einer Pechnase verteidigte innerste Tor in den eigentlichen Schlosshof. — Der Burgmann schien recht zu haben, sein Ritter liess lieber die Mauern zusammenfallen, ehe er einen Nagel einschlagen liess. Wüst und verwahrlost, in den tiefen Schatten der Nacht noch unheimlicher, sah alles aus.
Die Türen hingen in schlotternden Riegeln, das Pflaster war lückenhaft, die Verzierungen an den Wänden lagen niedergebrochen zur Erde.
Im Burghof selber schien es wohnlicher. Drei prachtvolle, hochgewachsene Lindenbäume standen in seiner Mitte, die Wipfel hoch über die Gebäude hebend. Das Herrenhaus, schmal und spitzgieblig, lag dunkel, ebenso die Stallungen und Kammern der Mannen, nur aus der grossen Küche, deren Tor weit offen stand, fiel ein mächtiger, grellflackernder Feuerschein, tönte lautes Gelächter, Gesang und Gejubel schriller Weiberstimmen.
Unter dem Schlot brannte ein loderndes Holzfeuer, welches russige Kessel erhitzte und mit seinen Rauchwolken den Duft eines starken Würzeweins in den Hof hinaus schickte. An langer Holztafel der Nordwand sassen ungefähr zwölf Reisige, zu oberst ein fetter kleiner Mann mit grauem Knebelbart, gebogener Nase und funkelnden Äuglein, einen Federhut schief auf dem Kopf und einen grünfarbenen Mantel über die Schultern geschlagen. —
Neben ihm lag ein langer, spindeldürrer Magister mit rotentzündeten, zusammengekniffenen Augen gegen die Wand zurück, und um den Tisch her liefen die Mägde lachend und schwadronierend, die leeren Kannen am Feuer zu füllen, oder den Eberbraten auf der geschweiften Holzschüssel mit heissem Fett neu zu übergiessen. Der Wein schien bereits seine Wirkung zu tun, die Köpfe waren rot und die Reden laut und schreiend. —
Der Torwart trat zu Tisch und verkündete es wie eine Heldentat, dass er fahrend Volk, so vorhin so herrisch an das Tor geklopft, eingelassen habe, damit sie Kurzweil in der Halle schaffen möchten. Ein beifällig und lärmend Halloh erhob sich, nur der Magister schlug mit seiner knöchernen Faust auf die Tafelplatte und überschrie die weinschweren Stimmen.
„Was unterfängt sich Lambert der Kettenhund! Denkt, weil ihn des Vogtes milde Hand heut aus seinem Torhaus herausgezogen und ihn an unsern Tisch gesetzt, kann er kläffen und bläffen wie ein Herrischer selbst! Führt fahrend Volk herein, als hätte er zu befehlen, nnd ist doch nicht besser wie ein Wetterhahn auf dem Turm, so ein dumm Vieh ist, und’s nur anzuzeigen hat, wenn ein Wind daher gefahren kommt!“ —
„Kettenhund heisset er mich und ein dummes Vieh, dieser Giftmischer und kauderwelsche Hansnarr?“ tobte der Schliesser entgegen, reckte und dehnte mit rollenden Augen seine derbe Gestalt und hob drohend die Faust; der Vogt aber erfasste diese, zwang sie nieder und sprach begütigend:
„Wisse wohl, Lambert, dass ein Kettenhund ein gar getreulich Tier ist, und der Wetterhahn den ganzen Bergfried tief unter sich schaut, — darum brauchst du keinen Eifrer tot zu schlagen. Dass du fahrend Volk einbringst, ist ein nicht gar so übel Ding, denn du hast Lebensart und weisst es wohl, dass die grossen Herren bei Wein und Braten dem Hanswurst die Zahl sieben grad sein lassen!“
„Dennoch hätt’ der Knecht den Vogt fragen müssen!“ zeterte der Magister.
„Selber Knecht ist des Vogts Amadeus oberster Marschall heut und schafft ihm Kurzweil nach seinem Sinn! Darum lasset solch töricht Streiten und du, mein braver Pförtner, walte deines Amts, tu’ die Tür auf und lass uns schauen, welch ein Ungeziefer du von der Landstrass’ aufgelesen!“
„Das will ich gehorsam tun!“ nickte der Torwart mit grollender Stimme, „aber ein Schandbub will ich heissen, wenn ich dem Lateiner nicht noch alle Knochen im Leibe zu Staub zerschlage, Gott straf’ mich der Sünd’!“ und er wandte sich kurz um, nach der Hoftür zurück zu stampfen. Wie ein leibhaftiger Graf oder Herzog war der Vogt Amadeus anzuschauen, als er breitbeinig auf dem Fellsessel sass, die rotgearbeitete Hand auf das Knie stützte, und den Hut so verwogen auf dem linken Ohre trug, dass die verwitterten, ehemals rot gewesenen Hahnenfedern kopfüber in die Luft starrten. Mit leutseligem Schmunzeln blickte er auf Goykos den Zigeuner, welcher seine Klapperhaube ehrerbietig abgezogen hatte, sich ununterbrochen verneigte und in wohlgesetzter Rede sprach: „Vieledler Herr, junger und schöner Herr, reichsfreier, ernsttugendsamer und hochedler Herr Ritter! Eine armselige Kreatur, Goykos der Wunderkünstler, der fernher aus einem Lande kommt, da die Rose von Jericho wächset und die Palmen, davon die Kreuzfahrer euch Wunder erzählt, — neiget vor dir hochedlem Grafen und Herrn das Haupt, und er flehet dich an, wie das jammervolle Gewürm den König Löwe erflehet: Lasse deine Huld gross sein, dass du uns ein fröhlich Narrenspiel allhier in deinem Schlosse gestatten wolltest. Siehe, wir haben schon unsere Künste gezeigt vor Königen, vor Herzögen und Fürsten, aber es war keiner von allen so mächtig und hochlöblich wie du, und darum wollen wir vor dir das Beste zeigen, was wir können!“
Der Burgvogt Amadeus hörte mit eitel Wohlbehagen solche Rede, nickte mit dem Haupt, dass ihm die Hahnenfedern um die Ohren wirbelten, und blickte sich im Kreise seiner Untergebenen um, als kämen ihm wirklich all die Ehren und Titel zu, welche des Zigeuners Ansprache ihm so reichlich verliehen. Sein Marschall Lambert kratzte sich behaglich hinter den Ohren, die Burgmannen kamen sich sämtlich wie hohe Herren vor, weil sich der Goykos auch vor ihnen ehrfurchtsvoll verbeugte, sie seine edlen Wohltäter nannte und um ihre Fürsprache bei dem gnädigen Ritter bat, und die dicke Schaffnerin blähte sich vollends vor Hochmut, weil Zinkra ihr den Saum des Rockes geküsst hatte, wie einer Königin.
Der Vogt schaute noch einen Augenblick voll ernster Würde auf den Gaukler nieder, musterte dessen schönes Weib mit begehrlichem Blicke und sprach mit einer Handbewegung, so hohe Gunst und Herablassung ausdrückte: „Es mag dir eine seltene Ehre sein, Gaukler, vor Herrschaften und würdigen Manns- und Weibspersonen zu spielen, wie du sie jetzt vor dir siehst. — Wirst du uns des Erstaunlichen und Närrischen genug zeigen, so will ich dich belohnen, denn ich kann’s; wirst du aber unsere Langmut durch plumpe Bauernspässe missbrauchen, so lasse ich dich peitschen, denn also ist es ritterliche Hantierung und Sitte in den Burgen der Grossen.“
Ein allgemeines Beifallsmurmeln