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er sich aufs Bett, schlief aber dann wenigstens sofort ein. Sein Tag war weiß Gott lang gewesen und hatte manches enthalten.

      Früh bekam er Josi nicht zu sehen. Sie hatte sicherlich alle Hände voll Arbeit. Er trieb sich in der näheren Umgebung der Jugendherberge herum und kam pünktlich zum Mittagessen. Die Jungen waren weitergezogen, es gab nur wenige Einzelwanderer. So konnte Josi nach Tisch bei ihm sitzen.

      „Na gut, daß man dich endlich mal hat!“

      „Was hast du den ganzen Vormittag über gemacht?“

      „Mich besonnen.“

      „Ja und? Zu welchem Ergebnis bist du gekommen?“ fragte sie gespannt. Sie hatte ihn genau verstanden.

      „Noch zu keinem endgültigen, Josi. Nur zu einem Entweder-Oder. Ich habe zweierlei an der Hand, wenn man so sagen will. Einmal eine Stelle an einer Landwirtschaftsbank, gut bezahlt, mit Aufstiegsmöglichkeiten, eine sichere Sache für die Zukunft. Daraufhin könnte ich sofort heiraten.“

      „So.“ Josi saß da, bohrte mit dem Daumennagel Rillen in den Holztisch und sah nicht auf. Ihr Haar hing ins Gesicht, so daß er von der Seite nur die Nase ein bißchen herausgucken sah.

      „Und die andere Möglichkeit?“

      „Tja, du sagst ja nicht gleich ‚verrückt‘. Jeder andere würde das sagen, wenn ich diese Stelle neben der in der Landwirtschaftsbank überhaupt in Erwägung ziehe. Aber vielleicht sagst du es doch?“

      „Nun red schon!“

      „Also, du kennst doch den alten Kostewitz, nicht wahr? Der oft bei Helgas Vater war, und in ‚Wild und Hund‘ sind immer Artikel von ihm. Der ist jetzt durch irgend etwas zu Geld gekommen, und da hat er sich ziemlich nahe von zu Hause einen Hof gekauft, einen ziemlich heruntergewirtschafteten, den Hetzenhof, besinnst du dich? Mit allen Weiden und Koppeln. Und dort züchtet er jetzt Haflinger. Er bewirtschaftet den Hof außerdem noch, die Hauptsache ist aber die Pferdezucht, weil Haflinger doch jetzt immer mehr in Mode kommen. Der sucht einen Pferdepfleger und Bereiter, ich kam zufällig mit ihm zusammen, als ich das letztemal daheim war.“

      „Ja und?“ fragte Josi lebhaft. „Habt ihr was verabredet?“

      „Noch nichts Bindendes. Ich sagte ihm, ich würde erst mein Examen machen, was er ziemlich überflüssig fand. Er ist ja überhaupt eine komische Nummer, ein Original.“

      „Ja, aber ein prima Mann. Also du, ich fände das ganz groß auf dem Gestüt.“

      „Gestüt ist übertrieben. Immerhin steht dort der beste Hengst von Süddeutschland, und Stuten hat er auch sehr gute. Was meinst du dazu?“ Es war ein eigener Ton in Leos Stimme, als er die letzten Worte langsam sagte. Josi hörte es genau.

      „Was ich meine?“ Sie zögerte einen Moment, hob den Kopf und sah ihm gerade in die Augen.

      „Mensch, ich würde überhaupt nicht zögern. Haflinger züchten, zureiten, mit Pferden leben – was ist dagegen die Landwirtschaftsbank. Da sitzt du den ganzen Tag im Zimmer und rechnest und schreibst, das ist doch nichts für unsereinen. Wir gehören hinaus aufs Land, zu richtiger, lebendiger Arbeit, ach, und dort! Arbeit mit und an Pferden, wunderbar! Ich wüßte genau, was ich an deiner Stelle täte.“

      „Wirklich, Josi? Hab’ ich dazu Landwirtschaft studiert, daß ich Pferdepfleger und Bereiter werde?“

      „Na, schaden kann es dir auf keinen Fall, daß du den Diplomlandwirt hast. Und nur, weil man studiert hat, in die Stadt zu gehen, meinetwegen auch an eine gut bezahlte Stelle, nein.“

      „Josi, wenn du das so sagst – ach Josi, kleiner Kamerad, mir wird auf einmal ganz leicht ums Herz! Ja, es wäre Unfug. Herrgott noch mal, was ist man manchmal vernagelt und dumm.“

      „Du möchtest also eigentlich lieber zu Kostewitz?“

      „Eigentlich? Tausendmal lieber! Ich dachte nur immer – nun, daß meine Eltern mein Studium bezahlt haben und all das...“

      „Aber das spielt doch keine Rolle dagegen, ob du dich in deinem Beruf wohl fühlst oder nicht! Nein, Leo, wirklich! Und schließlich, lernen tut man überall was, und du kannst nach zehn Jahren ja immer noch woandershin, wenn es dir nicht mehr genügt.“

      „Klar, Josi, klar!“

      „Na also. Außerdem – der Hetzenhof liegt so schön nahe von zu Hause, da können wir leicht einmal heim.“

      „Wir“ – Josi hatte sich verschnappt. Sie wurde dunkelrot vor Schreck. Hatte er es gehört?

      Er hatte. Aber er war selbst viel zu nahe beteiligt an der Sache, als daß er es komisch finden könnte. So sagte er gar nichts, es fiel ihm ums Leben nichts ein. Josis letzter Satz stand sozusagen noch greifbar deutlich in der Luft.

      „Ich meine: du. Und wir, wenn wir dich mal besuchen“, sagte Josi schließlich. Es klang für ihre Art zu sprechen bemerkenswert lahm. Da kam endlich Leben in Leo.

      „Aber du sagtest doch, du wolltest hier nicht weg!“

      „Natürlich nicht. Aber wenn du... wenn wir...“ Nun war sie ganz festgefahren. Zum Kuckuck, er war doch der Mann, konnte er ihr denn nicht heraushelfen? Sie sah ihn wütend an.

      „Grinse wenigstens nicht so, du siehst doch...“

      „Ich grinse gar nicht“, sagte er beleidigt.

      „Doch hast du gegrinst. Sag wenigstens, ob du mich nun haben willst, wenn wir schon einmal davon sprechen!“

      Das war wieder so ganz Josi, tapfer und geradeaus und bei allem Ernst so komisch, daß er nun doch lachen mußte. Und mit dem Lachen kam ihm die Sprache wieder.

      „Aber, Josi, ich wäre doch ein Idiot, wenn nicht! Vorausgesetzt, daß du mich haben willst, einen besseren Pferdeputzer!“

      „Das hab’ ich dir eigentlich schon deutlich genug gesagt“, schnappte Josi, als sie wieder Luft bekam. „Natürlich will ich dich. Und tausendmal lieber, wenn wir aufs Land kommen!“

      Er konnte es noch gar nicht fassen: den liebsten Beruf, den er sich denken konnte, und Josi dazu!

      „Nein, du, wenn ich geahnt hätte, daß du einmal um mich freien würdest...“

      „Untersteh dich und erzähl das jemandem!“

      „Aber klar! Allen! Denkst du, ich mach’ es so blöd wie Helga und Ulrich, die es keinem sagen wollen, und man sieht es durch alle Knopflöcher durch?“

      „Ja, nicht wahr? Das fand ich auch blöd. Du, ob die zu unserer Hochzeit kommen? Ich finde, sie müssen!“

      „Find’ ich auch. Josi, unsere Hochzeit! Deine und meine Hochzeit! Wann wollen wir übrigens heiraten? In vier Wochen? Oder geht es schon eher? Jetzt, wo ich weiß, daß du mich willst, geht bestimmt alles, alles! Josi, mein kleiner, mein bester Kamerad!“

      Er lachte sie an, glücklich, strahlend. Und sie lachte zurück. Waren sie jemals getrennt gewesen, weit voneinander, ratlos? Das alles zählte nicht mehr. Sie waren wieder beisammen wie in den Jahren ihrer Kindheit, gewillt, zusammenzuhalten im Guten und im Bösen. Das Leben lag vor ihnen, offen und bereit. Es wartete auf sie, auf sie und ihre junge Kraft. Und sie durften Seite an Seite hineingehen und diese Kraft einsetzen, dort, wo sie beide am allerliebsten waren, unter Gottes freiem Himmel, bei Bäumen und Tieren.

      „Daß du überhaupt jemals in Frage gezogen hast, zwischen Geldschrank und Schalter einer Bank zu verschimmeln“, sagte Josi und schüttelte den Kopf, „ich glaube, du, ich muß dir manchmal eine Zügelhilfe geben.“

      „Und ich dir öfter eine Parade, wenn du frech wirst!“ Leo lachte und legte den Arm um ihre Schultern. „Komm, Josi, jetzt laufen wir noch ein Stück. Die Bergluft ist so herrlich. Nein, wenn ich das gestern früh geahnt hätte!“

      „Liebe Helga, lieber Ulrich, wir haben uns verlobt und wollen so bald wie möglich heiraten. Dazu müßt Ihr unbedingt kommen. Könnt Ihr nicht Urlaub nehmen? Josi hat um mich...“

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